ruhig.
Saxon lächelte beifällig, denn sie teilte Billys Schrecken vor Schulden, und in dieser Beziehung hatten sie beide dieselbe strenge Moral wie die ersten Pioniere, die sich im Westen niedergelassen hatten.
Als Billy einmal ausgegangen war, benutzte Saxon die Gelegenheit, die Kommode, die mit dem Segelschiff über den Atlantischen Ozean und mit Ochsenkarren über die Prärie befördert worden war, zu packen. Sie betrachtete noch einmal den Holzschnitt von den Wikingern, die mit dem Schwert in der Hand auf den englischen Strand sprangen. Und wieder glaubte sie, in einem der Wikinger Billy zu sehen, und eine Weile saß sie da und dachte, wie wunderbar weit die Saat verstreut war, von der sie stammte. Sie dachte an die Erzählung ihrer Mutter, wie das verheißene Land vor ihren Augen erschien, als ihre mitgenommenen Karren und müden Ochsen über die Sierra mit dem frühen Winterschnee in das prächtige Sonnenland Kalifornien mit all seinen Blumen kamen. Sie sah in Gedanken von den schneebedeckten Höhen herab, wie ihre Mutter als neunjähriges Mädchen von ihnen hinabgesehen haben musste.
Dann seufzte sie glücklich und wischte sich die Augen. Vielleicht waren die schweren Zeiten jetzt überstanden. Vielleicht war es ihre »Prärie« gewesen, und vielleicht waren sie und Billy jetzt gut hinübergekommen und kletterten in eben diesem Augenblick über die Sierra, von wo sie in den herrlichen Talstrich gelangten.
*
Neugierige Nachbarn guckten hinter den Gardinen, als Billy und Saxon die Straße hinabschritten, und die Kinder gafften ihnen überrascht nach. Billy trug ihr Bettzeug in einem bemalten Segeltuchüberzug auf dem Rücken. In diesem Packen hatte er auch ihre reine Wäsche und verschiedene andere notwendige Dinge. Obendrauf waren eine Bratpfanne und eine Kasserolle gebunden. In der Hand trug er die Kaffeekanne. Saxon hatte in der einen Hand einen Rucksack und auf dem Rücken die Ukulélé im Futteral.
»Wir müssen gefährlich aussehen«, brummte Billy, der zusammenfuhr, sooft ihn jemand ansah.
»Wenn wir nur eine große Fußwanderung machten, wäre nicht das geringste Lächerliche dabei«, tröstete Saxon ihn.
»Aber wir machen ja keine.«
»Sie wissen es jedenfalls nicht«, fuhr sie fort. »Nur du weißt es, und was du glaubst, dass sie denken, das denken sie gar nicht. Sie denken vermutlich, dass wir eine Fußwanderung machen. Und das beste ist, dass es ja auch stimmt. Wir tun es! Wir tun es!«
Das erheiterte Billy ein Weilchen, wenn er auch etwas murmelte, dass er jedem, der unverschämt gegen sie zu sein wagte, den Kopf zerschlagen würde. Dann warf er einen Blick auf Saxon. Ihre Wangen waren rot, und ihre Augen leuchteten.
»Weißt du«, sagte er plötzlich, »ich habe einmal eine Oper gehört, in der die Burschen mit Gitarren auf dem Rücken durch das ganze Land wanderten – genau so gehst du mit deinem Klimperding. Sie sangen die ganze Zeit im Gehen.«
»Dazu hab ich sie auch mitgenommen«, antwortete Saxon. »Und wenn wir auf der Landstraße sind, will ich singen, und auch beim Lagerfeuer wollen wir singen. Wir machen eine Fußwanderung – das ist alles. Wir haben uns Ferien genommen und wollen uns umsehen. Warum sollten wir es uns nicht gut sein lassen? Wir wissen ja nicht einmal, wo wir heute Nacht und im übrigen auch alle anderen Nächte schlafen sollen. Ist das nicht lustig?«
»Ja, es ist wirklich sehr komisch«, sagte Billy nachdenklich. »Aber ich möchte dir doch vorschlagen, dass wir durch die Nebenstraßen gehen. An der nächsten Ecke stehen ein paar Burschen, die ich kenne, und ich möchte ihnen nicht gern die Köpfe zerschlagen.«
*
1 Schal <<<
Drittes Buch
Die elektrische Straßenbahn ging ganz bis nach Haywards, aber auf Saxons Vorschlag stiegen sie in San Leandro aus.
»Es ist ganz gleich, wo wir unsere Wanderung beginnen«, sagte sie, »denn irgendwo müssen wir ja anfangen. Da wir uns nach Boden umsehen und etwas über Boden erfahren wollen, müssen wir es ja lieber tun, sobald wir können. Außerdem wollen wir über jede Art von Boden etwas erfahren, sowohl in der Nähe der großen Städte wie tief in den Bergen.«
»Na ja! Das hier muss das Hauptquartier der Portugiesen sein«, meinte Billy immer wieder, als sie durch San Leandro wanderten.
»Ja, es sieht so aus, als wäre hier für Leute unseres Schlages kein Platz«, meinte Saxon.
»Hier ist es überfüllt, finde ich«, knurrte Billy, »es sieht aus, als gäbe es für den freigeborenen Amerikaner keinen Platz mehr in seinem eigenen Lande.«
»Dann ist es deine eigene Schuld«, sagte Saxon mit einer Strenge, die sich jedoch an keinen Bestimmten richtete; sie ärgerte sich nur im Allgemeinen über die Lebensbedingungen, die sie unklar zu verstehen begann.
»Ach, das weiß ich nun gerade nicht. Ich rede mir ein, dass ein Amerikaner dasselbe tun könnte wie die Portugiesen – wenn er nur wollte. Aber er will nicht – Gott sei Dank! Er will nicht von Abfall leben wie ein Schwein.«
»Nein, auf dem Lande vielleicht nicht«, antwortete Saxon eifrig. »Aber in den Städten habe ich doch eine schreckliche Menge Amerikaner gesehen, die wie die Schweine lebten.«
Billy brummte etwas, musste ihr aber doch recht geben. Ich kann mir denken, dass sie von den Bauernhöfen in die Stadt gegangen sind, weil sie glaubten, dass es dort besser sei, und dass sie dort nur Ohrfeigen kriegen.
»Sieh die Kinder!« rief Saxon. »Die Schulen fangen an – und es sind fast alles Portugiesen!«
»Drüben, wo sie herkommen, haben sie nie so gute Kleider gehabt«, spottete Billy. »Sie sind herüber gekommen, um anständige Kleider und anständige Kost zu kriegen. Sie sind so rund wie kleine Butterkugeln.«
Saxon nickte bestätigend, und es war, als ginge ihr plötzlich ein Licht auf.
»Das ist es ja eben, Billy! Sie schlagen sich durch, und zwar glänzend, indem sie den Boden bebauen Für sie gibt es keinen Streik.«
»Du willst doch die dummen Gärten nicht Ackerbau nennen«, sagte er und wies auf ein kleines Stück Land, an dem sie gerade vorbei kamen.
»Ach, du redest dir immer ein, dass es so groß sein muss!« lachte sie. »Du bist wie Onkel Bill, der Tausende und aber Tausende von Morgen Land besaß, schließlich eine Million haben wollte und als Nachtwächter endete. Das ist es eben mit uns Amerikanern. Alles soll so groß sein. Alles, was weniger ist