sind verheiratet. Aber deshalb braucht man sich doch nicht so zu beeilen. Warum konnten Sie nicht ein bisschen warten, so wie ich? Ich will auch heiraten, aber erst als alter Mann, wenn ich überall gewesen bin.«
Im Schutz der Ziegeninsel holte er das Segel ein, während Saxon stillsitzen musste, und als das Boot so weit mit der Strömung getrieben war, wie er es für richtig hielt, ließ er einen winzigen Anker fallen. Dann holte er Angelschnüre heraus und zeigte Saxon, wie sie den aus gesalzenen Elritzen bestehenden Köder am Haken befestigen sollte.
»Sie werden schon bald kommen«, sagte er ermutigend. »Es ist nur zweimal vorgekommen, dass ich hier nicht eine Menge gefangen habe. Was meinen Sie, wollen wir nicht essen, während wir warten?«
Sie protestierte und sagte, dass sie nicht hungrig sei; aber es half ihr nichts. Mit dem für Knaben eigentümlichen Gerechtigkeitssinn teilte er sein Frühstück in zwei gleichgroße Teile und gab ihr den einen, einschließlich eines halben hartgekochten Eis und eines halben großen, roten Apfels.
Aber die Fische wollten immer noch nicht anbeißen, und so nahm er ein Buch heraus, das er achtern im Boot aufbewahrt hatte.
»Volksbibliothek«, erklärte er, und dann begann er zu lesen, während er mit der einen Hand das Buch aufgeschlagen hielt und mit der anderen den Ruck abwartete, den das Anbeißen der Fische der Schnur mitteilen sollte.
Saxon las den Titel. Er lautete: »Auf dem Floß durch die Wälder.«
»Hören Sie nur«, sagte er nach einigen Minuten und las die mehrere Seiten lange Beschreibung eines großen Urwaldflusses, auf dem einige Knaben mit einem Floß herumfuhren.
»Denken Sie nur!« schloss er. »Das ist der Amazonenstrom in Südamerika bei Hochwasser, und die Welt ist voll von solchen Orten – überall – vielleicht mit Ausnahme von Oakland. Aber Oakland ist ein guter Startplatz, glaube ich. Sehen Sie, das ist das Abenteuer, sage ich Ihnen. Und denken Sie, welches Glück diese Jungen haben! Aber ich gehe doch noch einmal über die Anden nach der Quelle des Amazonenstroms, durch das Gummiland und fahre den Amazonenstrom viele tausend Meilen weit hinauf bis zur Mündung, wo er so breit ist, dass man nicht von einem Ufer bis zum anderen sehen kann, und wo man hundert Meilen vom Land entfernt Süßwasser aus dem Meere schöpfen kann.«
Aber Saxon hörte nicht zu. Ein einzelner Satz hatte sich in ihren Gedanken festgesetzt und erhielt eine besondere Bedeutung für sie. Oakland ist ein guter Startplatz. In diesem Licht hatte sie die Stadt noch nicht gesehen. Sie hatte sie als einen Ort betrachtet, wo man wohnen musste, als etwas, das Selbstzweck war. Aber als Startplatz? Ja, warum nicht? War es nicht wie eine Eisenbahnstation oder eine Fährstelle? Wie die Verhältnisse lagen, wohnte es sich wirklich nicht gut in Oakland. Der Junge hatte recht. Es war ein guter Startplatz. Aber wohin? Hier wurden ihre Gedanken durch einen kräftigen Ruck und mehrere Zuckungen der Schnur abgelenkt. Sie begann sie schnell und gewandt einzuziehen, während der Junge sie ermunterte, bis der Haken mit dem Lot und ein großer, nach Luft schnappender Dorsch zappelnd auf den Boden des Bootes fielen. Der Fisch wurde vom Haken genommen, sie befestigte neuen Köder daran und warf die Schnur ins Wasser. Der Junge legte ein Lesezeichen in das Buch und schloss es.
»Sie werden bald ebenso schnell anbeißen, wie wir sie einziehen können«, sagte er.
Aber die großen Fischmengen kamen nicht gleich.
»Haben Sie je etwa Kapitän Mayne Reid gelesen?« fragte er. »Oder von Kapitän Marryatt? Oder von Ballantyne?«
Sie schüttelte den Kopf.
»Ich sage Ihnen, es gibt Massen davon in der Volksbibliothek. Ich habe zwei Karten, eine für meine Mutter und eine für mich selbst, und ich hole sie immer nach der Schule, ehe ich die Zeitungen austrage. Einmal, als ich bei der Zweiten und der Markestraße Zeitungen austrug – es sind schreckliche Butjers dort – geriet ich in eine Prügelei mit dem Anführer einer Bande. Er schlug auf mich los, um mir die Luft zu nehmen, und hieb mit der Faust gerade auf mein Buch. Sie hätten sein Gesicht sehen sollen! Und dann ging ich auf ihn los. Und da wollten alle anderen über mich herfallen, aber ein paar Former kamen dazu und passten auf, dass alles richtig zuging. Ich gab ihnen die Bücher zu halten.«
»Und wer siegte?« fragte Saxon.
»Keiner«, gab der Knabe widerstrebend zu. »Ich glaube, ich hätte ihn vermöbelt, aber die Former sagten, es sei unentschieden, denn die Polizei kam dazwischen.«
Er unterbrach sich plötzlich und begann, die Schnur einzuziehen. Saxon zog auch ihre Schnur ein, und in den nächsten zwei Stunden fingen sie gemeinsam zwanzig Pfund Fische.
Abends, lange nach Einbruch der Dunkelheit, fuhr die kleine Jolle mit dem Halbdeck in das Oaklander Delta ein. Der Wind war gut, aber nicht sehr stark, und das Boot bewegte sich nur langsam. Im Kielwasser schleppten sie einen großen Pfahl, den der Junge aufgefischt hatte. Die Wellen glitten gleichmäßig im Schein des Vollmonds dahin, und Saxon erkannte die einzelnen Punkte, an denen sie vorbeikamen – die Fährstelle, Sandy Beach, die Werften. Der Junge lenkte die Jolle an einen verfallenen Kai, wo Schuten mit ihrer Last aus Sand und Kies in einer langen Reihe an Land gezogen waren. Er wollte durchaus, dass sie die Fische teilten, weil Saxon ihm beim Fang geholfen hatte, gleichzeitig aber erklärte er ihr ausführlich die Gesetze für Wrackgut, um ihr zu beweisen, dass der Pfahl ihm allein gehörte.
An der Ecke trennten sie sich, und Saxon ging allein mit ihren Fischen heim. Obwohl sie müde nach dem langen Tage war, hatte sie doch ein merkwürdiges Gefühl von Wohlbefinden, und nachdem sie die Fische geputzt hatte, schlief sie ein. Noch im letzten Augenblick dachte sie, ob sie wohl, wenn bessere Zeiten kamen, Billy überreden könnte, eines Sonntags ein Boot zu mieten und mit ihr hinauszusegeln, wie sie heute draußen gewesen war.
*
Sie schlief die ganze Nacht, ohne sich zu rühren, ohne zu träumen, und erwachte ganz normal und zum ersten Mal seit vielen Wochen von ihrem Schlaf erfrischt. Sie hatte das Gefühl, als sei eine schwere Last von ihren Schultern genommen oder ein Schatten entfernt worden, der zwischen ihr und der Sonne gestanden hatte. Ihr Kopf war klar. Der eiserne Reif, der ihn so hart umpresst hatte, war verschwunden. Sie war froh und heiter. Sie ertappte sich sogar dabei, wie sie laut trällerte, während sie die Fische in drei Portionen teilte – eine für Frau Olsen, eine für Maggie Donahue und eine für sich. Sie freute sich auf die Unterhaltung mit ihnen, und als sie wieder heimkam, begann sie in guter Laune in ihrem vernachlässigten Haus Ordnung zu schaffen. Sie sang bei der Arbeit, und die ganze Zeit tanzte das Zauberwort des Jungen wie ein funkelnder Einschlag zwischen den Tönen: Oakland ist ein guter Startplatz.
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