noch am selben Tag den Cañon erreichen, erklärte er, wenn aber der Frühling mit seinem Tauwetter schon jetzt einsetzte, würde der Cañon mit offenem Wasser gefüllt sein. Die Wände der Schlucht seien indessen nicht weniger als zwischen hundert und tausend Fuß hoch. Man könne sie natürlich besteigen, aber es sei eine verdammt langweilige Arbeit, die viel Zeit erfordere.
Als sie an diesem Abend in der dunklen, unheimlichen Schlucht lagerten und ihre Pfeife rauchten, klagten sie über die Wärme und waren sich einig, dass das Thermometer über Null stehen müsste … und zwar zum ersten Mal seit sechs Monaten.
»Man hat noch nie so weit im Norden etwas von Panthern gehört«, erzählte Daw. »Rocky nannte ihn einen Kuguar. Aber ich habe viele in Curry County geschossen – in Oregon, wo ich her bin, und da nannten wir sie immer Panther. Jedenfalls war es eine größere Katze, als ich je eine gesehen habe. Es war ein richtiges Ungetüm von Katze. Jetzt bleibt nur die Frage übrig, wie, zum Teufel, sie auf einen solchen Jagdausflug abseits von allen gewohnten Pantherwegen gekommen war? Das ist die Frage …«
Linday bemerkte nichts hierzu – er nickte nur zustimmend. Seine Mokassins waren auf kleine Stöcke gehängt und dampften, ohne dass er darauf achtete und sie umdrehte. Die Hunde lagen zusammengekauert wie pelzbekleidete Bälle da und schliefen. Das Knistern der glühenden Scheite machte die überall herrschende Stille nur noch tiefer. Der Doktor erwachte plötzlich aus seinen Träumen und starrte Daw an, der ebenfalls nickte und den fragenden Blick beantwortete. Beide lauschten. Aus weiter Ferne ertönte ein undeutliches Geräusch, das allmählich zu einem gewaltigen, unheimlichen Brüllen anschwoll. Es kam immer näher, es stieg und nahm zu, es hallte von den Gipfeln der Berge und aus den Tiefen der Schluchten wider, der Wald neigte sich unter dem mächtigen Tosen, die schlanken Fichten, deren Wurzeln aus den Spalten in den Wänden des Cañons herauslugten, beugten sich zitternd. Da erkannten sie, was es war. Ein starker und balsamischer Wind wehte zu ihnen herüber und schleuderte glühende Partikel aus dem Feuer wie Sternschnuppen in die milde Luft. Die Hunde erwachten, setzten sich auf und begannen, die schwarzen Schnauzen zum Himmel gehoben, wie Wölfe zu heulen.
»Der Chinook«, sagte Daw.
»Das heißt, denke ich, dass der Weg auf dem Fluss gefährdet ist?«
»Ganz recht. Und zehn Meilen auf dem Fluss sind leichter als eine Meile über die Berge.« Daw blickte Linday eine lange Minute prüfend an. »Wir hätten noch genau fünfzehn Stunden zu gehen«, rief er mit einer Stimme, die den Wind überschrie. Er wartete einen Augenblick auf Antwort. Dann sagte er schließlich: »Doktor – machen Sie mit?«
Statt zu antworten, klopfte Linday seine Pfeife aus und begann sich die dampfenden Mokassins anzuziehen. Es dauerte nur wenige Minuten, so hatten sie, unter dem Druck des Sturmes gebeugt, die Hunde angeschirrt, das Lager abgebrochen und das Kochgerät und die unbenutzten Schlafsäcke auf dem Schlitten verstaut. Dann bogen sie in der Dunkelheit auf den Weg ein, den Daw vor fast einer Woche getreten hatte. Sie hatten eine lange nächtliche Wanderung vor sich. Und immerfort hörten sie den Chinook brüllen und hetzten die müden Hunde und spornten ihre eigenen erschöpften Muskeln an. Zwölf Stunden hielten sie durch. Dann machten sie halt und frühstückten, nachdem sie vierundzwanzig Stunden lang ununterbrochen auf den Beinen gewesen waren.
»Eine Stunde können wir schlafen«, sagte Daw, nachdem sie dicke Streifen Elchfleisch, die mit Räucherspeck gebraten waren, pfundweise verzehrt hatten.
Er ließ seinen Begleiter zwei Stunden schlafen, selbst fürchtete er sich, die Augen zu schließen. Er hielt sich wach, indem er in dem weichen, schon schmelzenden Schnee zeichnete. Im Laufe dieser beiden Stunden sank der Schnee um drei Zoll. Man konnte das Sinken geradezu sehen. Von allen Seiten kam – schwach aus der Ferne, stark in der Nähe – das Geräusch der bisher verborgenen Gewässer, die jetzt hervorsickerten und sich einen Weg bahnten. Trotz dem Brüllen des Frühlingswindes hörte man sie. Der Kleine Peco, der durch viele andere noch kleinere Flüsse Zuwachs erhielt, erhob sich gegen den Zwang des Winters und zersprengte unter Krachen und Knallen das Eis.
Daw berührte Lindays Schulter. Er berührte sie noch einmal. Schüttelte. Und schüttelte noch kräftiger.
»Doktor«, murmelte er voller Bewunderung. »Ich räume ohne weiteres ein, dass Sie gut laufen können.«
Die müden schwarzen Augen unter den schweren Lidern nahmen das Kompliment an.
»Aber darum handelt es sich jetzt nicht! Rocky ist ganz niederträchtig verschandelt worden. Wie ich Ihnen vorher sagte: Ich habe geholfen, ihm die Eingeweide zusammenzunähen, Doktor!« Er schüttelte den Mann, dessen Augen sich schon wieder geschlossen hatten. »Ich sage Ihnen, Doktor. Es handelt sich jetzt nur darum, ob Sie imstande sind weiterzugehen? Hören Sie, was ich sage? Ich frage, ob Sie imstande sind, weiterzugehen?«
Die müden Hunde schnappten nach ihnen und winselten, als sie in ihrem Schlaf gestört wurden. Es ging nur langsam vorwärts. Mehr als zwei Meilen in der Stunde schafften sie nicht, und die Tiere nahmen jede Pause wahr, um sich in den nassen Schnee zu legen.
»Noch zwanzig Meilen, und wir haben die Schlucht hinter uns«, ermunterte Daw seinen Begleiter. »Und wenn wir so weit sind, kann das Eis meinetwegen zum Teufel gehen. Dann können wir am Ufer weitermarschieren und haben nur noch zehn Meilen bis zum Lager, sind also schon beinah da, Doktor! Und wenn Sie Rocky zusammengekleistert haben, können Sie mit einem Kanu in einem Tage zurück sein.«
Aber das Eis wurde immer unsicherer unter ihren Füßen, es begann sich vom Ufer loszureißen und hob sich Zoll um Zoll. An einigen Stellen hielt es noch am Ufer fest; dann lag aber schon Wasser darüber, und sie mussten hindurchwaten. Der Kleine Peco knurrte und murrte. Spalten und Risse bildeten sich überall, während sie sich Meile um Meile vorwärts kämpften, von denen jede einzelne zehn Meilen über die Berge entsprach.
»Legen Sie sich auf den Schlitten, dann können Sie ein bisschen schlafen, Doktor«, meinte Daw.
Der Blick aus den schwarzen Augen verbot ihm, die freundliche Aufforderung zu wiederholen.
Schon gegen Mittag erhielten sie eine Warnung, dass das Ende sich näherte. Eisschollen, die von der rasenden Strömung abwärts geschoben wurden, begannen unter dem Eis, auf dem sie gingen, zu donnern und zu toben. Die Hunde winselten ängstlich und strebten nach dem Ufer.
»Das heißt offenes Wasser weiter oben«, erklärte Daw. »Bald wird irgendwo Packeis kommen, und dann wird der Fluss im Laufe von hundert Minuten um hundert Fuß steigen. Jetzt