mir nachher helfen … Und hören Sie jetzt genau zu, wenn ich Ihnen die nötigen Instruktionen gebe! Zunächst … aber sagen Sie mir zunächst, ob Sie wissen, wie man den Puls fühlt?«
Linday hatte längst einen Ruf als kühner und erfolgreicher Chirurg, aber in den Tagen und Wochen, die jetzt folgten, übertraf er sich selbst in jeder Beziehung. Die furchtbare Verstümmelung sowie die lange Verzögerung der Operation durch die lange Reise machten es zum schlimmsten Fall, den er je erlebt hatte. Andererseits hatte er auch nie ein so gesundes Exemplar der menschlichen Rasse unter seinem Messer gehabt. Und doch hätte er auch jetzt noch Misserfolg haben können, wäre sein Patient nicht von einer katzenhaften Vitalität und einem fast unheimlichen physischen wie geistigen Lebenswillen gewesen.
Es gab Tage, an denen er mit hohem Fieber lag und fantasierte. Tage voller Hoffnungslosigkeit, an denen sein Puls kaum zu spüren war. Andere Tage, an denen er bei vollem Bewusstsein und mit müden Augen, den Schweiß der Qual auf dem verzerrten Gesicht, dalag. Linday war unermüdlich tätig – bis zur Grausamkeit, verwegen und erfolgreich. Immer wieder wagte er Unglaubliches und siegte. Er begnügte sich nicht damit, das Leben dieses Mannes zu retten. Er widmete sich dem gefährlichen und schwierigen Problem, ihn wieder vollkommen heil und kräftig zu machen.
»Wird er ein Krüppel bleiben?« fragte Madge.
»Er soll nicht nur reden und gehen und eine humpelnde Karikatur seines früheren Ichs werden«, erklärte ihr Linday. »Er soll springen und laufen, im Strudel schwimmen, Bären jagen, mit Panthern kämpfen und alles tun können, was er in seiner Verrücktheit zu tun wünscht. Und er wird – ich warne dich –, er wird Frauen bezaubern. Ganz wie in früheren Tagen. Wünschest du das wirklich? Bist du zufrieden damit? Vergiss nicht, dass du nicht bei ihm sein wirst!«
»Mach nur weiter«, stöhnte sie. »Mach ihn heil. Mach ihn zu dem, was er war.«
Mehr als einmal geschah es, dass Linday, wenn Strangs Zustand es erlaubte, ihn wieder betäubte und Furchtbares mit ihm vornahm, schnitt und nähte, Teile von dem zerrissenen Organismus auseinandernahm und wieder zusammenfügte. Später zeigte es sich, dass der eine Arm steif geblieben war. Linday vertiefte sich in dieses Problem. Wieder waren Versuche nötig, eingeschrumpfte Sehnen wurden gedehnt, Glieder auseinandergenommen, und dann wurde abermals genäht, zusammengefügt und gereckt. Und das, was Strang rettete, waren seine unerhörte Gesundheit und die Sauberkeit seines Fleisches und Blutes.
»Sie werden ihn noch töten«, klagte der Bruder. »Lassen Sie ihn. Um Gottes willen, lassen Sie ihn in Ruhe. Ein Krüppel, der lebt, ist immerhin besser als ein heiler Mann, der tot ist.«
Linday wurde wild vor Zorn. »Hinaus mit Ihnen, aus der Hütte mit Ihnen, bis Sie wiederkommen und einsehen, dass ich ihn lebendig mache. Bei Gott im Himmel, Mensch, nehmen Sie sich zusammen, so weit Sie können. Das Leben Ihres Bruders steht in diesem Augenblick auf der Messerschneide. Verstehen Sie denn nicht? Ein Gedanke kann ihn erschlagen. Und jetzt hinaus, und kommen Sie ganz sanft und ruhig wieder, vollkommen überzeugt, dass er am Leben bleiben und wieder werden wird, wie er war, bevor Sie und er wie die Idioten miteinander spielten. Hinaus, sage ich!«
Mit geballten Fäusten und drohenden Augen stand der Bruder da und fragte Madge mit Blicken um Rat.
»Bitte geh«, bettelte sie. »Er hat recht. Ich weiß, dass er recht hat.«
Als aber der Zustand Strangs ein andermal zu Hoffnungen Anlass gab, sagte der Bruder:
»Doktor, Sie sind ein Wundertäter. Und die ganze Zeit habe ich doch vergessen, nach Ihrem Namen zu fragen.«
»Der geht Sie auch gar nichts an, zum Teufel. Ärgern Sie mich nicht. Hinaus mit Ihnen!«
Der zerrissene rechte Arm wollte plötzlich nicht weiterheilen, sondern wurde eine einzige grässliche Wunde.
»Brand«, sagte Linday.
»Jetzt ist es genug«, knurrte der Bruder.
»Halten Sie den Mund!« fauchte Linday. »Gehen Sie hinaus. Nehmen Sie Daw mit. Bill ebenfalls. Bringen Sie Kaninchen … aber lebendige! Gesunde! Fangen Sie die Tiere in Fallen. Stellen Sie überall Fallen auf.«
»Wie viele?« fragte der Bruder.
»Vierzig … viertausend … vierzigtausend … soviel Sie kriegen können. Sie helfen mir, gnädige Frau. Ich muss den Arm aufschneiden und den Schaden wieder gutmachen. Also los, Burschen! Ihr müsst die Karnickel beschaffen.«
Und er schnitt in den Arm, schnell und sicher, säuberte den angegriffenen Knochen und stellte die Ausbreitung des Herdes fest.
»Das wäre nie geschehen«, sagte er zu Madge, »wenn nicht so viel anderes gewesen wäre, das seine Lebenskraft angegriffen hat. Nicht einmal er hat Lebenskraft genug gehabt, dass alles gleichzeitig heilen konnte. Ich habe es kommen sehen, aber ich musste abwarten, bis es so weit war. Wir müssen das kranke Stück herausschneiden. Er könnte es freilich entbehren, aber ein Karnickelknochen wird ihn zu dem machen, was er war.«
Unter den Hunderten von Kaninchen, die sie mit heimbrachten, machte er eine Auslese, verwarf, wählte, prüfte, wählte wieder und prüfte aufs neue, bis er sich endlich entschied. Dann verwandte er sein letztes Chloroform und machte die Knochenpfropfung … fügte einen lebenden Knochen an einen anderen lebenden Knochen, verband den lebenden Mann mit dem lebenden Kaninchen, unbeweglich und unlösbar wurden sie miteinander verbunden und zusammengefesselt, während ihre gemeinsamen Lebensprozesse einen vollkommenen Arm herstellten.
Und während dieser ganzen Versuche und namentlich, als Strang sich zu erholen begann, kamen immer wieder Augenblicke, in denen Linday und Madge aufeinander angewiesen waren und sich miteinander unterhielten. Er war durchaus nicht freundlich. Sie war aber nie aufrührerisch.
»Es ist natürlich sehr langweilig«, sagte er zu ihr. »Aber Gesetz ist nun mal Gesetz, und du wirst dich deshalb wieder scheiden lassen müssen, ehe wir zum zweiten Mal heiraten. Was meinst du dazu? Wollen wir auch diesmal eine Hochzeitsreise nach dem Genfer See machen?«
»Ganz wie du willst«, sagte sie.
Und bei einer anderen Gelegenheit sagte er zu ihr: »Was, zum Teufel, hast du denn eigentlich für einen Narren an ihm gefressen? Ich weiß schon, dass er Geld hat. Aber du und ich waren auf dem besten Wege. Meine Praxis brachte doch immerhin durchschnittlich vierzigtausend im Jahr – ich habe nachher die Bücher durchgesehen. Paläste und Dampfjachten waren das einzige, was du dir nicht erlauben