er nicht. Sein Blick war finster. Die Linien um seinen Mund waren hart geworden, und sein Ausdruck war zornig und streng.
Ihr war es wie ein Stich ins Herz. War er denn auch wie alle anderen? War auch er ein wildes Tier, einer der Hunde, die ihren erbitterten Kampf um den Knochen kämpften?
Sie seufzte. Das Leben war ein seltsames Rätsel. Vielleicht hatte Mercedes Higgins recht, wenn sie das ganze Dasein brutal über einen Kamm schor.
»Nun wenn schon?« sagte Billy mit einem harten Lachen, wie als Antwort auf ihre unausgesprochenen Gedanken. »Ein Hund frisst den anderen – so ist es immer gewesen.«
»Aber die Arbeiter können auf diese Art nicht siegen, Billy! Du sagst selbst, dass sie sich jede Gewinnchance verdorben haben.«
»Nein, das können sie wohl nicht«, gab er widerstrebend zu. »Aber ich sehe keine andere Möglichkeit. Das nächste Mal sind wir an der Reihe.«
»Doch nicht die Fuhrleute?« rief sie erschrocken.
Er nickte finster.
»Die Chefs machen Ausfälle rechts und links und schlagen einen mächtigen Lärm. Sie sagen, sie wollen uns in die Knie zwingen, bis wir angekrochen kommen und um Arbeit betteln. Seit der Prügelei neulich tun sie mächtig geschwollen. Dass das Militär abkommandiert wurde, hat ihnen das Rückgrat gesteift, und dazu haben sie die Pfaffen und die Zeitungen und das ganze große Publikum hinter sich. Sie haben schon große Töne geredet, was sie machen wollen … ja, sie bereiten sich vor. Zunächst werden sie Chester Johnson und so viele von den anderen fünfzehn hängen, wie sie können. Das sagen sie mit klaren Worten. Sie haben es alle auf die Gewerkschaften abgesehen. Der Teufel kann alle Arbeiterorganisationen holen.«
»Sieh uns an. Es ist jetzt nicht mehr Sympathiestreik für die Fabrikarbeiter. Wir haben unsere eigenen Beschwerden. Sie haben vier von unseren besten Leuten weggejagt – die immer im Vorstand saßen und mit dabei waren, wenn es zu beraten galt und so weiter. Und sie haben es ohne Grund getan. Sie wollen nur Krach, sage ich, und den kriegen sie auch, wenn sie sich nicht vorsehen. Uns ist die Marschroute von den vereinigten Hafenarbeitern von San Franzisko vorgezeichnet. Wenn wir die im Rücken haben, kommt es ein gutes Stück vorwärts.«
»Heißt das, dass ihr … streiken wollt?« fragte Saxon.
Er beugte den Kopf.
»Aber ist das nicht gerade das, was sie wollen? – Dazu wollen sie euch bringen.«
»Es kommt wohl ungefähr auf eines hinaus.« Billy zuckte die Achseln und fuhr hastig fort: »Es ist besser zu streiken, als weggejagt zu werden. Wir zwingen sie dazu, und wir fangen sie, ehe sie bereit sind. Glaubst du, wir wüssten nicht, was sie vorhaben? Sie sammeln alle möglichen Kutscher und Eseltreiber rings in den Staaten. Sie haben schon vierzig Stück, denen sie Kost und Logis in einem Hotel in Stockton geben, die können sie also direkt hineinwerfen – die und mehrere Hundert vom selben Schlage. Der Wochenlohn, den ich Sonnabend heimbringe, wird also vorläufig der letzte sein.«
Saxon schloss die Augen und saß fünf Minuten ganz still da, während sie nachdachte. Sie pflegte sich nicht leicht aufzuregen. Die Kaltblütigkeit und das Gleichgewicht, die Bill so an ihr bewunderte, verließen sie nie, wenn es darauf ankam. Ihr war klar, dass sie selber nur ein Atom war, das in diesen verwirrenden, unfassbaren Streit zwischen vielen Atomen hineingeraten war.
»Dann müssen wir also unser Spargeld angreifen, um diesen Monat die Miete zu bezahlen«, sagte sie heiter. Billy sah ganz verdutzt aus.
»Wir haben nicht so viel auf der Bank, wie du glaubst«, sagte er schließlich. »Bert musste doch begraben werden, und ich musste zuschießen, was die anderen nicht zahlen konnten.«
»Wie viel war es?«
»Vierzig Dollar. Ich wusste, dass du nichts dagegen hättest. Und das hast du auch nicht, nicht wahr?«
Sie lächelte mutig und kämpfte ebenso mutig mit dem Gefühl der Hoffnungslosigkeit, das sich auf sie herabsenkte.
»Es war das einzig richtige, Billy. Ich hätte dasselbe getan, und Bert hätte es für dich und mich getan, wenn es über uns gekommen wäre.«
Er bekam vor Freude einen heißen Kopf.
»Ja, Saxon, auf dich kann man sich verlassen. Du bist meine rechte Hand. Und deshalb sage ich: keine Kinder mehr. Wenn ich dich verliere, werde ich zum Krüppel auf Lebenszeit.«
»Wir müssen uns natürlich einschränken«, sagte sie nachdenklich und nickte leise. »Wie viel ist noch auf der Bank?«
»Etwa dreißig Dollar. Siehst du, ich musste Martha Skelton bezahlen und … ein paar andere Kleinigkeiten. – Es sieht übrigens so aus, als wollten auch die Straßenbahnschaffner mitmachen. Dan Fallon ist sogar von New York hergekommen. Er versuchte, sich einzuschleichen, aber die Kameraden waren benachrichtigt, wann er New York verlassen hatte, und behielten ihn die ganze Zeit unterwegs im Auge. Und das war wohl auch nötig. Er hat ein ganzes Heer von Streikbrechern und schickt sie mit Extrazügen überall hin, wo man sie braucht. Oakland hat noch nie solche Arbeiterunruhen gesehen wie diesmal, und es wird noch schlimmer. Es sieht nach einem Höllenspektakel aus.«
»Dann nimm dich gut in acht, Billy. Ich will dich nicht verlieren.«
»Ach, hab keine Angst. Ich werde schon aufpassen. Und glaub nicht, dass wir einfach stillhalten, wenn sie uns ohrfeigen. Wir haben gute Chancen.«
»Aber wenn es Blutvergießen gibt, verliert ihr, nicht wahr?«
»Ja, davor müssen wir uns hüten.«
»Keine Gewalt.«
»Kein Schießen und kein Dynamit«, räumte er ein. »Aber es wird eine ganze Menge von Streikbrechern geben, denen die Köpfe zerschlagen werden. Das geht nun einmal nicht anders.«
»Aber so was willst du doch nicht mitmachen, Billy!«
»Nicht so, dass die Schwätzer den Richtern erzählen können, sie hätten mich gesehen.« Dann aber schlug er hastig ein anderes Thema an. »Der alte Barry Higgins ist gestorben. Ich wollte es dir erzählen, wenn du außer Bett warst. Sie haben ihn vor einer Woche begraben. Seine alte Frau zieht nach San Franzisko. Sie sagte, dass sie kommen und sich von dir verabschieden wollte. Nun ja, sie hat die ersten Tage gut für dich gesorgt, und sie hat Martha Skelton ein paar Dinge gelehrt, die sie noch nicht kannte. Martha stand direkt mit offenem Mund dabei.«
*
Jetzt, da Billy streikte und beständig Streikwache gehen musste, war Saxon so viel allein, dass sich schließlich, trotz ihrem gesunden Naturell, eine gewisse Krankhaftigkeit