Джек Лондон

Gesammelte Werke


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die Zei­ten sind ja auch für die Fir­ma nicht gut. Sie ah­nen nicht, wie vie­le For­de­run­gen wir aus­ste­hen ha­ben – von der­sel­ben Art wie bei Ih­nen. Frü­her oder spä­ter müs­sen wir Schluss ma­chen – sonst kom­men wir selbst auf den Hund. In­zwi­schen aber ver­su­chen Sie nur, fünf Dol­lar bis zur nächs­ten Wo­che zu­sam­men­zu­brin­gen – nur, um Ihren gu­ten Wil­len zu zei­gen.«

      Ei­ner von den Stall­knech­ten, die nicht mit den Strei­ken­den ge­gan­gen wa­ren, ein Mann na­mens Hen­der­son, ar­bei­te­te bei der­sel­ben Fir­ma wie Bil­ly. Ob­gleich sei­ne Chefs ihm ans Herz ge­legt hat­ten, wie die an­de­ren in den Stäl­len zu es­sen und zu schla­fen, war Hen­der­son doch je­den Mor­gen nach sei­nem Häu­schen in der Fünf­ten Stra­ße, ge­ra­de um die Ecke von Sa­x­ons und Bil­lys Woh­nung, zu­rück­ge­kehrt. Sie hat­te ihn mehr­mals kom­men se­hen, her­aus­for­dernd und sei­nen Ess­napf schwin­gend, wäh­rend alle Jun­gen in der Nach­bar­schaft ihm in an­ge­mes­se­ner Ent­fer­nung folg­ten und im Chor heul­ten, dass er ein Streik­bre­cher und ein furcht­ba­rer Mensch sei. Ei­nes Abends aber, als er be­son­ders über­mü­tig war, ging er in die Wirt­schaft an der Ecke der Sie­ben­ten und der Pine Street. Da hat­te er das Pech, Otto Frank, einen der strei­ken­den Kut­scher des­sel­ben Stal­les, zu tref­fen. We­ni­ge Mi­nu­ten dar­auf war Hen­der­son, der einen Schä­del­bruch da­von­ge­tra­gen hat­te, in ei­nem Kran­ken­wa­gen un­ter­wegs nach dem Kran­ken­haus, wäh­rend ein Pa­trouil­len­wa­gen in nicht ge­rin­ge­rer Eile Otto Frank in das Po­li­zei­ge­fäng­nis brach­te.

      Es war Mag­gie Do­na­hue, die Sa­xon freu­de­strah­lend das Ge­sche­he­ne er­zähl­te.

      »Das ge­schieht ihm recht, dem dre­cki­gen Streik­bre­cher«, schloss Mag­gie ih­ren Be­richt.

      »Aber sei­ne arme Frau«, sag­te Sa­xon. »Sie ist nicht kräf­tig. Und die Kin­der. Wenn ihr Mann stirbt, kann sie sie nicht ver­sor­gen.«

      »Oh, das ge­schieht ihr recht, der ver­fluch­ten Sch­lam­pe!«

      Sa­xon war ent­setzt und ge­kränkt über die Bru­ta­li­tät der Ir­län­de­rin. Aber Mag­gie war un­ver­söhn­lich.

      »Das ist nur, was sie ver­dient – sie und die an­de­ren Frau­en, die mit Streik­bre­chern zu­sam­men­le­ben. Und die Kin­der! Lass sie hun­gern, wenn ihr Va­ter an­de­rer Leu­te Kin­dern das Brot aus dem Mun­de nimmt.«

      Frau Ol­sen nahm es ganz an­ders auf. Sie zeig­te ein ge­wis­ses pas­si­ves, sen­ti­men­ta­les Mit­ge­fühl für Hen­der­sons Frau und Kin­der, dann aber dach­te sie nicht mehr an sie, wäh­rend sie schwer be­sorgt um Otto Franks Frau und Kin­der war – sie und Frau Frank wa­ren näm­lich Schwes­tern.

      »Wenn er stirbt, wird Otto ge­hängt«, sag­te sie. »Und was tut denn die arme Hil­da? Sie hat Krampf­adern in bei­den Bei­nen und kann un­mög­lich auf Ar­beit ge­hen. Und ich – ich kann ihr nicht hel­fen. Ist Karl nicht auch ar­beits­los?«

      Bil­ly nahm wie­der­um einen an­de­ren Stand­punkt ein.

      »Das bringt den Streik nur in Ver­ruf, na­ment­lich wenn Hen­der­son kre­piert«, sag­te er be­sorgt, als er nach Hau­se kam. »Frank hän­gen sie si­cher, wenn sie kön­nen. Und dazu müs­sen wir einen Ver­tei­di­ger und Gott weiß was be­zah­len – und das kos­tet ein ver­fluch­tes Geld. Das wird ein tüch­ti­ges Loch in un­se­re Kas­se ma­chen. Und hät­te der Whis­ky nicht Frank ganz von Sin­nen ge­bracht, so wür­de er es nie ge­tan ha­ben – er ist der fried­lichs­te, gut­mü­tigs­te Mensch, den man sich den­ken kann.«

      Zwei­mal im Lau­fe des Abends ging Bil­ly aus, um zu er­fah­ren, ob Hen­der­son ge­stor­ben war. Am Mor­gen ga­ben ihm die Zei­tun­gen nur we­nig Hoff­nung, und die Abend­zei­tun­gen mel­de­ten sei­nen Tod. Otto Frank saß im Ge­fäng­nis. Die »Tri­bu­ne« ver­lang­te schnel­le Ab­ur­tei­lung und sum­ma­ri­sche Be­stra­fung und ver­weil­te ein­ge­hend bei der mo­ra­li­schen Wir­kung, die ein sol­ches Auf­tre­ten auf den ge­setz­lo­sen Ar­bei­ter­stand aus­üben wür­de. Sie ging noch wei­ter und be­ton­te, welch nütz­li­chen Ein­fluss Ma­schi­nen­ge­weh­re auf den Pö­bel­hau­fen ha­ben wür­den, der sich der schö­nen Stadt Oa­k­land be­mäch­tigt hät­te.

      Alle die­se Er­eig­nis­se tra­fen Sa­xon ganz per­sön­lich. Sie, die nichts auf der Welt hat­te als Bil­ly, fühl­te, dass ihr und sein Le­ben, ja, auch ihr ge­mein­sa­mes Lie­bes­le­ben, be­droht war. Von dem Au­gen­blick an, wenn er das Haus ver­ließ, bis er zu­rück­kam, war sie nicht einen Au­gen­blick ru­hig. Eine Ge­walt­tat folg­te der an­de­ren, aber er er­zähl­te ihr nichts da­von, und sie wuss­te, dass er dar­an be­tei­ligt war. Sie hat­te ihn mehr­mals mit zer­schramm­ten Knö­cheln heim­kom­men se­hen, und dann war er un­ge­wöhn­lich schweig­sam und konn­te da­sit­zen und grü­beln, ohne ein Wort zu sa­gen, oder gleich ins Bett ge­hen. Sie be­müh­te sich, sein Ver­trau­en zu ge­win­nen. Sie setz­te sich auf sei­nen Schoß und schmieg­te sich an ihn an, leg­te den einen Arm um sei­nen Hals und strich ihm mit der frei­en Hand das Haar aus der Stirn oder ver­such­te, sei­ne Run­zeln zu glät­ten.

      »Weißt du, Schatz«, be­gann sie in be­sorg­tem Tone, »du hast jetzt kein ehr­li­ches Spiel ge­spielt, und das will ich nicht. Nein!« Sie schloss ihm mit der Hand den Mund. »Jetzt bin ich es, die die gan­zen Kos­ten der Un­ter­hal­tung tra­gen muss, und das kommt da­her, dass du in der letz­ten Zeit so we­nig mit­teil­sam warst. Weißt du nicht mehr, dass wir uns von An­fang an ei­nig wa­ren, über al­les mit­ein­an­der zu re­den? Du re­dest nicht mehr über al­les mit mir. Du un­ter­nimmst Din­ge, von de­nen du mir nichts er­zählst.

      Bil­ly, du bist mir teu­rer als al­les an­de­re auf der Welt. Das weißt du gut. Wir ha­ben je­der teil am Le­ben des an­de­ren, aber eben jetzt gibt es et­was, wor­an du mich nicht teil­neh­men lässt. Je­des Mal, wenn du mit zer­schla­ge­nen Knö­cheln heim­kommst, ist et­was ge­sche­hen, wor­an du mich nicht teil­neh­men ließest. Wenn du dich nicht auf mich ver­las­sen kannst, so kannst du es auf kei­nen an­de­ren Men­schen. Und zu­dem lie­be ich dich so sehr, dass ich dich im­mer lie­ben wer­de, was du auch tun magst.«

      Bil­ly warf ihr einen zärt­li­chen, halb un­gläu­bi­gen Blick zu.

      »Und du wirst nicht böse wer­den?« frag­te er.

      »Wa­rum soll­te ich? Ich bin nicht dein Chef, Bil­ly. Um al­les in der Welt wür­de ich dich nicht kom­man­die­ren. Und wenn du mich dich kom­man­die­ren ließest, dann wür­de ich dich nicht halb so sehr lie­ben.«

      Er dach­te einen Au­gen­blick über ihre Wor­te nach und nick­te schließ­lich.

      »Nun ja, dann will ich dir er­zäh­len, wie es zu­ging.« Er hielt inne und lach­te ein jun­gen­haf­tes, hei­te­res La­chen, wäh­rend er sich ir­gend et­was ins Ge­dächt­nis zu­rück­rief. »Es hängt so zu­sam­men – aber du wirst nicht böse auf mich, nicht wahr? Wir müs­sen so et­was tun, um uns zu be­haup­ten. Nun ja, es war also ein rich­ti­ger Film, nur dass dazu ge­re­det wur­de. Da kommt so ein großer Bau­ern­lüm­mel an – riecht di­rekt nach Land, mit Hän­den wie Schin­ken und Fü­ßen wie Ka­no­nen­boo­ten. Er wiegt wohl an­dert­halb­mal so viel wie ich, und jung ist er auch. Er will kei­nen Krach ma­chen und ist so un­schul­dig wie – na ja, er ist der un­schul­digs­te Streik­bre­cher, der je ei­nem Paar Streik­pos­ten in die Hän­de ge­fal­len ist. Kein rich­ti­ger Streik­bre­cher, weißt du, nur ein großer Bau­ern­lüm­mel, der die An­non­ce vom Al­ten ge­le­sen hat und in die Stadt kommt, um die ho­hen Löh­ne zu krie­gen.

      Und