die Zeiten sind ja auch für die Firma nicht gut. Sie ahnen nicht, wie viele Forderungen wir ausstehen haben – von derselben Art wie bei Ihnen. Früher oder später müssen wir Schluss machen – sonst kommen wir selbst auf den Hund. Inzwischen aber versuchen Sie nur, fünf Dollar bis zur nächsten Woche zusammenzubringen – nur, um Ihren guten Willen zu zeigen.«
Einer von den Stallknechten, die nicht mit den Streikenden gegangen waren, ein Mann namens Henderson, arbeitete bei derselben Firma wie Billy. Obgleich seine Chefs ihm ans Herz gelegt hatten, wie die anderen in den Ställen zu essen und zu schlafen, war Henderson doch jeden Morgen nach seinem Häuschen in der Fünften Straße, gerade um die Ecke von Saxons und Billys Wohnung, zurückgekehrt. Sie hatte ihn mehrmals kommen sehen, herausfordernd und seinen Essnapf schwingend, während alle Jungen in der Nachbarschaft ihm in angemessener Entfernung folgten und im Chor heulten, dass er ein Streikbrecher und ein furchtbarer Mensch sei. Eines Abends aber, als er besonders übermütig war, ging er in die Wirtschaft an der Ecke der Siebenten und der Pine Street. Da hatte er das Pech, Otto Frank, einen der streikenden Kutscher desselben Stalles, zu treffen. Wenige Minuten darauf war Henderson, der einen Schädelbruch davongetragen hatte, in einem Krankenwagen unterwegs nach dem Krankenhaus, während ein Patrouillenwagen in nicht geringerer Eile Otto Frank in das Polizeigefängnis brachte.
Es war Maggie Donahue, die Saxon freudestrahlend das Geschehene erzählte.
»Das geschieht ihm recht, dem dreckigen Streikbrecher«, schloss Maggie ihren Bericht.
»Aber seine arme Frau«, sagte Saxon. »Sie ist nicht kräftig. Und die Kinder. Wenn ihr Mann stirbt, kann sie sie nicht versorgen.«
»Oh, das geschieht ihr recht, der verfluchten Schlampe!«
Saxon war entsetzt und gekränkt über die Brutalität der Irländerin. Aber Maggie war unversöhnlich.
»Das ist nur, was sie verdient – sie und die anderen Frauen, die mit Streikbrechern zusammenleben. Und die Kinder! Lass sie hungern, wenn ihr Vater anderer Leute Kindern das Brot aus dem Munde nimmt.«
Frau Olsen nahm es ganz anders auf. Sie zeigte ein gewisses passives, sentimentales Mitgefühl für Hendersons Frau und Kinder, dann aber dachte sie nicht mehr an sie, während sie schwer besorgt um Otto Franks Frau und Kinder war – sie und Frau Frank waren nämlich Schwestern.
»Wenn er stirbt, wird Otto gehängt«, sagte sie. »Und was tut denn die arme Hilda? Sie hat Krampfadern in beiden Beinen und kann unmöglich auf Arbeit gehen. Und ich – ich kann ihr nicht helfen. Ist Karl nicht auch arbeitslos?«
Billy nahm wiederum einen anderen Standpunkt ein.
»Das bringt den Streik nur in Verruf, namentlich wenn Henderson krepiert«, sagte er besorgt, als er nach Hause kam. »Frank hängen sie sicher, wenn sie können. Und dazu müssen wir einen Verteidiger und Gott weiß was bezahlen – und das kostet ein verfluchtes Geld. Das wird ein tüchtiges Loch in unsere Kasse machen. Und hätte der Whisky nicht Frank ganz von Sinnen gebracht, so würde er es nie getan haben – er ist der friedlichste, gutmütigste Mensch, den man sich denken kann.«
Zweimal im Laufe des Abends ging Billy aus, um zu erfahren, ob Henderson gestorben war. Am Morgen gaben ihm die Zeitungen nur wenig Hoffnung, und die Abendzeitungen meldeten seinen Tod. Otto Frank saß im Gefängnis. Die »Tribune« verlangte schnelle Aburteilung und summarische Bestrafung und verweilte eingehend bei der moralischen Wirkung, die ein solches Auftreten auf den gesetzlosen Arbeiterstand ausüben würde. Sie ging noch weiter und betonte, welch nützlichen Einfluss Maschinengewehre auf den Pöbelhaufen haben würden, der sich der schönen Stadt Oakland bemächtigt hätte.
Alle diese Ereignisse trafen Saxon ganz persönlich. Sie, die nichts auf der Welt hatte als Billy, fühlte, dass ihr und sein Leben, ja, auch ihr gemeinsames Liebesleben, bedroht war. Von dem Augenblick an, wenn er das Haus verließ, bis er zurückkam, war sie nicht einen Augenblick ruhig. Eine Gewalttat folgte der anderen, aber er erzählte ihr nichts davon, und sie wusste, dass er daran beteiligt war. Sie hatte ihn mehrmals mit zerschrammten Knöcheln heimkommen sehen, und dann war er ungewöhnlich schweigsam und konnte dasitzen und grübeln, ohne ein Wort zu sagen, oder gleich ins Bett gehen. Sie bemühte sich, sein Vertrauen zu gewinnen. Sie setzte sich auf seinen Schoß und schmiegte sich an ihn an, legte den einen Arm um seinen Hals und strich ihm mit der freien Hand das Haar aus der Stirn oder versuchte, seine Runzeln zu glätten.
»Weißt du, Schatz«, begann sie in besorgtem Tone, »du hast jetzt kein ehrliches Spiel gespielt, und das will ich nicht. Nein!« Sie schloss ihm mit der Hand den Mund. »Jetzt bin ich es, die die ganzen Kosten der Unterhaltung tragen muss, und das kommt daher, dass du in der letzten Zeit so wenig mitteilsam warst. Weißt du nicht mehr, dass wir uns von Anfang an einig waren, über alles miteinander zu reden? Du redest nicht mehr über alles mit mir. Du unternimmst Dinge, von denen du mir nichts erzählst.
Billy, du bist mir teurer als alles andere auf der Welt. Das weißt du gut. Wir haben jeder teil am Leben des anderen, aber eben jetzt gibt es etwas, woran du mich nicht teilnehmen lässt. Jedes Mal, wenn du mit zerschlagenen Knöcheln heimkommst, ist etwas geschehen, woran du mich nicht teilnehmen ließest. Wenn du dich nicht auf mich verlassen kannst, so kannst du es auf keinen anderen Menschen. Und zudem liebe ich dich so sehr, dass ich dich immer lieben werde, was du auch tun magst.«
Billy warf ihr einen zärtlichen, halb ungläubigen Blick zu.
»Und du wirst nicht böse werden?« fragte er.
»Warum sollte ich? Ich bin nicht dein Chef, Billy. Um alles in der Welt würde ich dich nicht kommandieren. Und wenn du mich dich kommandieren ließest, dann würde ich dich nicht halb so sehr lieben.«
Er dachte einen Augenblick über ihre Worte nach und nickte schließlich.
»Nun ja, dann will ich dir erzählen, wie es zuging.« Er hielt inne und lachte ein jungenhaftes, heiteres Lachen, während er sich irgend etwas ins Gedächtnis zurückrief. »Es hängt so zusammen – aber du wirst nicht böse auf mich, nicht wahr? Wir müssen so etwas tun, um uns zu behaupten. Nun ja, es war also ein richtiger Film, nur dass dazu geredet wurde. Da kommt so ein großer Bauernlümmel an – riecht direkt nach Land, mit Händen wie Schinken und Füßen wie Kanonenbooten. Er wiegt wohl anderthalbmal so viel wie ich, und jung ist er auch. Er will keinen Krach machen und ist so unschuldig wie – na ja, er ist der unschuldigste Streikbrecher, der je einem Paar Streikposten in die Hände gefallen ist. Kein richtiger Streikbrecher, weißt du, nur ein großer Bauernlümmel, der die Annonce vom Alten gelesen hat und in die Stadt kommt, um die hohen Löhne zu kriegen.
Und