Джек Лондон

Gesammelte Werke


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den sie nicht kann­te, und sie er­in­ner­te sich des­sen, was Mary ihr von Bert er­zählt hat­te. Auch er hat­te ge­flucht und die Fäus­te ge­ballt und nachts wie­der die Kämp­fe des Ta­ges aus­ge­foch­ten. Aber ei­nes sah Sa­xon ganz deut­lich. Es war nicht Bil­lys Schuld, dass er sich zu die­sem an­de­ren, we­nig an­spre­chen­den Bil­ly ent­wi­ckel­te. Wäre kein Streik, kein Zank und Streit um die Ar­beit ge­we­sen, so wür­de es nur den al­ten Bil­ly ge­ge­ben ha­ben, den sie so voll und ganz ge­liebt hat­te. Dies Schreck­li­che, das auf dem Grun­de sei­nes We­sens schlum­mer­te, wür­de wei­ter­ge­schlum­mert ha­ben. Wenn aber der Streik an­dau­er­te, so fürch­te­te sie, und das mit gu­tem Grun­de, dass die­ses zwei­te un­heim­li­che Ich Bil­lys stark wer­den und ab­schre­cken­de­re For­men an­neh­men wür­de. Und das, wuss­te sie, war gleich­be­deu­tend mit dem Un­ter­gang ih­res Lie­bes­le­bens. Ei­nen sol­chen Bil­ly konn­te sie nicht lie­ben, und ein sol­cher Bil­ly war sei­nem We­sen zu­fol­ge we­der im­stan­de, Lie­be zu ge­win­nen noch zu ge­ben. Und bei dem Ge­dan­ken, dass Kin­der kom­men konn­ten, wur­de sie von ei­ner furcht­ba­ren Angst ge­packt. Das wäre zu schreck­lich ge­we­sen.

      Auch Bil­ly hat­te sei­ne Pro­ble­me – Fra­gen, die er nicht be­ant­wor­ten konn­te.

      »Wa­rum wol­len die Bau­hand­wer­ker nicht strei­ken?« lau­te­te eine der Fra­gen, die er er­bit­tert in die Dun­kel­heit hin­aus­schleu­der­te, die die Wege der Men­schen und des Le­bens ver­hüll­te. »Aber nein, O’Bri­en will nicht mit­strei­ken, und er be­herrscht die Bau­hand­wer­ker voll­kom­men. Und der Teu­fel holt den Zu­sam­menschluss der Ar­bei­ter! Du mei­ne Güte – es ist eine Ewig­keit her, dass ich we­der eine or­dent­li­che Zi­gar­re noch eine Tas­se an­stän­di­gen Kaf­fee be­kom­men habe. Ich habe ver­ges­sen, was gu­tes Es­sen heißt. Ich ließ mich ges­tern wie­gen. Fünf­zehn Pfund ab­ge­nom­men, seit der Streik be­gann. Wenn es noch lan­ge dau­ert, kann ich bald als Mit­tel­ge­wicht kämp­fen. Und das ist al­les, was ich da­von habe, dass ich die gan­zen Jah­re mei­ne Ge­werk­schafts­bei­trä­ge be­zahlt habe. Ich kann kein or­dent­li­ches Es­sen krie­gen, und mei­ne Frau muss ei­nem frem­den Mann das Bett ma­chen. Das macht mich toll. Ei­nes Ta­ges lau­fe ich rü­ber und schmei­ße den Zim­mer­herrn raus.«

      »Aber es ist doch nicht sei­ne Schuld, Bil­ly«, wand­te Sa­xon ein.

      »Wer sagt, dass es sei­ne Schuld sei?« frag­te Bil­ly ge­reizt. »Aber des­halb macht es mich doch toll. Wel­chen Zweck ha­ben die Ge­werk­schaf­ten, wenn man nicht zu­sam­men­hält? Ich möch­te am liebs­ten die gan­ze Ge­schich­te an den Na­gel hän­gen und zu den Ar­beit­ge­bern über­ge­hen. Aber den Tri­umph sol­len sie doch nicht er­le­ben, die ver­fluch­ten Schur­ken! Wenn sie glau­ben, sie könn­ten uns in die Knie zwin­gen, so lass sie nur ihr Glück ver­su­chen – mehr kann ich nicht sa­gen. Aber be­grei­fen kann ich es doch nicht. Die gan­ze Welt ist ver­rückt ge­wor­den. Es ist kein Sinn mehr dar­in. Was nützt es, eine Ge­werk­schaft zu un­ter­stüt­zen, die kei­nen Streik ge­win­nen kann? Was nützt es, Streik­bre­chern die Köp­fe zu zer­schla­gen, wenn im­mer wie­der neue kom­men?«

      Ein sol­cher Aus­bruch Bil­lys war in­des­sen sehr sel­ten, und es war das ers­te­mal, dass Sa­xon ihn hör­te. Er war im­mer mür­risch, ei­gen­sin­nig und zähe, und der Whis­ky trug dazu bei, die Wür­mer der Selbst­si­cher­heit in sei­nem Ge­hirn zu wim­meln­dem Le­ben zu er­we­cken.

      Ei­nes Abends kam Bil­ly erst nach zwölf Uhr heim. Sa­x­ons Angst stieg, weil sie ein Gerücht ge­hört hat­te, dass es eine Prü­ge­lei zwi­schen Po­li­zei und Strei­ken­den ge­ge­ben hät­te. Als Bil­ly kam, sah sie gleich, dass das Gerücht die Wahr­heit ge­spro­chen hat­te. Die Rock­är­mel wa­ren ihm halb ab­ge­ris­sen, die Kra­wat­te war ver­schwun­den und alle Hemd­knöp­fe auf der Brust wa­ren ab­ge­ris­sen. Als er den Hut ab­nahm, sah Sa­xon zu ih­rem Schre­cken, dass er eine Beu­le von der Grö­ße ei­nes Ap­fels am Kop­fe hat­te.

      »Weißt du, wer das ge­tan hat? Der ver­fluch­te Deut­sche Her­man­mann, und zwar mit ei­nem Knüp­pel. Aber ich will ihn leh­ren und so, dass er es nicht wie­der ver­gisst. Und auch einen an­de­ren Bur­schen habe ich mir ge­merkt und wer­de ihn mir kau­fen, wenn der Streik vor­bei ist und wir ein biss­chen zur Ruhe ge­kom­men sind. Er heißt Blan­chard, Roy Blan­chard.«

      »Doch nicht von der Fir­ma Blan­chard, Per­kins & Co.?« frag­te Sa­xon, die Bil­lys Wun­de aus­wusch und wie ge­wöhn­lich al­les, was in ih­rer Macht stand, tat, um ihn zu be­ru­hi­gen.

      »Eben – nur dass er der Sohn des Al­ten ist! Was tut er, der nie et­was an­de­res ge­tan hat, als mit dem Geld des Al­ten um sich zu schmei­ßen? Spielt den Streik­bre­cher! Ja­wohl. Sein Name kommt in die Zei­tung, und alle Un­ter­rö­cke, de­nen er nach­rennt, wer­den Feu­er und Flam­me und sa­gen: ›Gott, der Roy Blan­chard, das ist ein Kerl, ein rich­ti­ger Kerl!‹ Ein Kerl – der Schwach­kopf! Ei­nes Ta­ges wer­de ich ihn schon zu fas­sen krie­gen. Noch nie ha­ben mich die Fin­ger so nach et­was ge­juckt.

      Und – ja, den deut­schen Po­ly­pen wer­de ich mir auch vor­neh­men. Er hat üb­ri­gens sein Fett ab­ge­kriegt. Ei­ner schlug ihm ein Stück Koh­le, so groß wie ein Was­serei­mer, auf den Kopf. Sie wag­ten nicht, das Mi­li­tär zu ru­fen. Und sie fürch­te­ten sich zu schie­ßen. Ja, wir ha­ben mit der Po­li­zei auf­ge­räumt, und Kran­ken- und Pa­trouil­len­wa­gen muss­ten Über­stun­den ma­chen. Weißt du – wir stopp­ten die gan­ze Pro­zes­si­on auf der Vier­zehn­ten und dem Broad­way, di­rekt vor dem Rat­haus, grif­fen sie am hin­te­ren Ende an, zer­schnit­ten den Pfer­den an fünf Wa­gen die Strän­ge und ga­ben im Vor­bei­fah­ren den Ben­geln von der Uni­ver­si­tät ein paar zärt­li­che Klap­se.«

      »Aber was tat Blan­chard denn?« kam Sa­xon wie­der auf ihre Fra­ge zu­rück.

      »Er führ­te die Pro­zes­si­on an und lenk­te mein Ge­spann. Alle Ge­span­ne wa­ren aus mei­nem Stall. Er hat­te eine gan­ze Schar von die­sen Uni­ver­si­täts­idio­ten ge­sam­melt – Lüm­mel, die aus der Ta­sche ih­res Va­ters le­ben. Sie ka­men mit großen Krem­sern in die Stäl­le ge­fah­ren und zo­gen die Wa­gen her­aus, und die hal­be Po­li­zei von Oa­k­land half ih­nen. Ja, das war eine Vor­stel­lung! Es reg­ne­te di­rekt Pflas­ter­stei­ne, und du hät­test hö­ren sol­len, wie die Knüp­pel auf un­se­re Häup­ter schlu­gen – ra­ta­ta­ta, ra­ta­ta­ta! Acht von un­se­ren Leu­ten wur­den fest­ge­nom­men und dazu zehn Kut­scher aus San Fran­zis­ko, die uns zu Hil­fe ge­kom­men wa­ren. Das sind die rei­nen Teu­fel, die­se San Fran­zis­ko­er Kut­scher. Es sah aus, als sei die hal­be Ar­bei­ter­be­völ­ke­rung von Oa­k­land uns zu Hil­fe ge­kom­men, und ein gan­zes Heer von ih­nen muss in den Ge­fäng­nis­sen sit­zen. Un­se­re Rechts­an­wäl­te müs­sen sich ih­rer an­neh­men.

      Aber dar­auf kannst du dich ver­las­sen, es ist das letz­te­mal, dass Roy Blan­chard und sei­nes­glei­chen sich in un­se­re Sa­chen ein­ge­mischt ha­ben. Blan­chard fuhr im ers­ten Wa­gen, und er wur­de ein­mal vom Bock her­un­ter­ge­wor­fen, aber er hielt doch stand.«

      »Er muss ein mu­ti­ger Mann sein«, warf Sa­xon ein.

      »Mu­tig?« rief Bil­ly hit­zig. »Mit der Po­li­zei und dem Heer und der Flot­te hin­ter sich? Schließ­lich nimmst du auch noch sei­ne Par­tei! Mu­tig? Nimmt un­sern Frau­en und Kin­dern das Brot aus dem Mun­de!«

      Am Mor­gen las Sa­xon in der Zei­tung von dem frucht­lo­sen Ver­such, den Fuhr­leu­te­streik zu be­en­den. Roy Blan­chard wur­de als Held und Vor­bild al­ler rei­chen Bür­ger