noch etwas unternehmen.«
Obwohl weder Daniel noch Fee den Teller leer gegessen hatten, erhoben sie sich wie auf Kommando vom Tisch.
»Wir sehen uns später!« Felicitas winkte und zog Daniel mit sich. Als sie das Restaurant verlassen hatten, stöhnte sie auf. »Puh, das war knapp. Noch ein paar Minuten länger und ihr hättet euch geprügelt«, mutmaßte sie, als sie Hand in Hand mit ihrem Mann draußen übers Deck ging. Es war ein herrlicher Morgen. Trotz der frühen Stunde waren schon viele Passagiere unterwegs, um die herrliche Umgebung, das blaue Meer und den Sonnenschein zu genießen. Überall waren strahlende, zufriedene Gesichter zu sehen, die sich den lauen Wind um die Nase wehen ließen. In diesem Moment bedauerte Fee es ein bisschen, dass Lars Forberg ihre Stimmung getrübt hatte. »Dabei bist du gar nicht der Typ für Handgreiflichkeiten.«
»Dieser Kerl hat was an sich, da kann ich mich nur schwer beherrschen«, knurrte Daniel eine Zustimmung. »Komisch, dass mir das nicht von Anfang an aufgefallen ist.« Der Ball eines Kindes rollte ihm vor die Füße, und er kickte ihn zurück. Die Eltern dankten ihm mit einem freundlichen Nicken. Beim Anblick des lachenden Kindermunds hellte sich seine Miene wenigstens ein bisschen auf.
Diese Szene erwärmte Fees Gemüt, und sie drückte die Hand ihres Mannes, während sie weiter schlenderten.
»Manche Menschen können sich perfekt verstellen«, wusste sie aus ihrem psychologischen Erfahrungsschatz zu berichten. »Aber auf Dauer ist dieses Versteckspiel zu anstrengend. Irgendwann fällt die Maske.«
»Hoffentlich sind wir das nächste Mal dabei, damit wir Nele vor einem Unglück bewahren können«, tat Daniel seine Hoffnung kund, als er ein furchterregendes Geräusch hörte. Irritiert sah er sich um. »Was war das?«
Felicitas lachte auf.
»Mein Magen. In Lars’ Gesellschaft muss man sich keine Sorgen machen, zu viel zu essen. Da vergeht einem der Appetit ganz von allein.« Immer noch lachend schmiegte sie sich an ihren Mann.
Wenigstens für diesen Moment sollten die Sorgen schweigen. In den wenigen Stunden, die ihnen vor und nach Daniels Arbeit im Hospital des Kreuzfahrtschiffes blieben, wollte das Ehepaar vor allen Dingen eines tun: Ihre Liebe genießen und feiern, dass sie selbst nach so vielen Jahren noch lebendig war wie kaum eine andere.
*
Schon eine Stunde später schwitzten Fee und Nele im Fitness-Studio.
»Ich hätte nie gedacht, dass so ein bisschen Treppensteigen so anstrengend sein kann«, keuchte Nele, die sich auf dem Stepper neben Fees Laufband abmühte. Ohne darüber nachzudenken, was sie tat, schlüpfte sie aus dem lockeren Shirt, das sie über einem Hemd mit Spaghettiträgern trug.
»Wir sind halt auch nicht mehr die Jüngs…« Mitten im Satz hielt Felicitas inne. Ihr Blick war auf Neles Schulter gefallen. Vor Schreck stockte ihr der Atem. »Nele, was ist denn mit dir passiert?«
Im selben Moment erschrak Nele. Gedankenlos hatte sie ihr Geheimnis preisgegeben. Doch jetzt war es passiert und konnte nicht mehr ungeschehen gemacht werden.
»Ach, das …« Sie warf einen Blick über die Schulter und lachte verlegen. »Ich hab dir doch erzählt, wie tollpatschig ich bin. Ständig falle ich über irgendwas drüber. Gestern war es der Stuhl in unserer Suite. Ich verstehe selbst nicht, wie man so schusselig sein kann«, plapperte sie in ihrer Nervosität. Sie wusste selbst, wie unglaubwürdig sie klang, zumal sie tags zuvor stundenlang mit ihrer Freundin unterwegs gewesen war, ohne auch nur einmal zu stolpern oder hinzufallen.
»Das sieht ja furchtbar aus. Hast du keine Schmerzen?« Selbst Ärztin wusste Fee, wie schmerzhaft solche Hämatome und Prellungen waren.
»Na ja, schon«, gestand Nele keuchend und hielt in ihrem Training inne. Der Schweiß stand ihr auf der Stirn, und sie musste einen Schluck trinken. »Aber Lars hat mir ein paar Schmerztabletten gegeben.«
»Mehr nicht?« Fee war entsetzt. »Hat er dich nicht untersucht?«
»Kann er doch nicht. Er hat den Arm ja in Gips«, verteidigte die Ernährungsberaterin ihren Mann intuitiv.
Um ein Haar hätte Felicitas laut aufgelacht. Selten hatte sie eine schlechtere Lügnerin als ihre neue Freundin erlebt. Eine Tatsache, die sehr für Nele sprach.
»Dann soll Daniel mal drüber schauen«, empfahl ihr Fee.
Sie hatte einen Verdacht, woher die Verletzungen wirklich rührten, und wollte endlich eine Bestätigung.
»Ach nein, es ist wirklich nicht so schlimm«, versuchte Nele, sich herauszureden.
Sie hatte nicht mit der Hartnäckigkeit ihrer Trainingspartnerin gerechnet.
»Das zu beurteilen überlässt du lieber mal den Fachleuten.«
Nele haderte mit sich.
»Muss das sein?«, fragte sie fast schüchtern.
»Es muss.« Schon hatte Felicitas ihr Laufband gestoppt. Mit einem Handtuch wischte sie sich den Schweiß aus dem geröteten Gesicht. Dann reichte sie Nele die Hand. »Komm schon. Dan beißt nicht.«
»Bist du dir da so sicher?« Lächelnd deutete Nele auf das Liebesmal am Hals ihrer Freundin.
Fee lachte, um ihre Verlegenheit zu überspielen. Diesmal hatte es Dan eindeutig übertrieben.
»Eins zu null für dich«, gestand sie. »Aber das passiert wirklich nur äußerst selten. Meistens hat er sich im Griff.« Sie legte den Arm um Nele und führte sie zum Aufzug, der direkt vom Fitness-Studio hinunter zu den anderen Decks führte.
»Ihr beiden seid wirklich zu beneiden«, seufzte Nele auf dem Weg in die Ambulanz. »Verliebt wie am ersten Tag. Wie macht man so was nur?«
»Indem man stets den Respekt voreinander bewahrt«, entfuhr es Fee, obwohl das sicherlich nur ein kleiner Teil der Wahrheit war.
Doch Nele verstand sofort, was sie damit sagen wollte, und senkte betroffen den Kopf. Eine dunkle Strähne fiel ihr ins Gesicht. Sie machte sich nicht die Mühe, sie wieder hinters Ohr zu klemmen. Zum Glück öffneten sich gleich darauf die Aufzugtüren, und nur wenige Augenblicke später standen die beiden Frauen vor dem Tresen.
Valerie begrüßte sie mit einem Lächeln.
»Sie haben Glück! Im Augenblick ist kein Patient bei Dr. Norden.« Beflissen stand sie auf und kam um den Tresen herum. »Ich bringe Sie zu ihm.« Ihre Hilfsbereitschaft hatte einen guten Grund: Hinter der Patientin tauchte Jakob in der Ambulanz auf und steuerte zielsicher auf den Tresen zu. »Kommen Sie!« Valerie nahm Nele sanft am Arm und zog sie mit sich.
Fee indes blieb mit dem Mann allein. Sehnsüchtig sah er seiner Angebeteten nach, wie sie mit der Patientin um die Ecke verschwand.
»Und weg ist sie«, seufzte er aus tiefstem Herzen.
Fast sofort ahnte Fee, um wen es sich handelte. Daniel hatte ihr die Geschichte der gescheiterten Hochzeit erzählt, und interessiert drehte sie sich zu Jakob um.
Inzwischen betrat Valerie Dr. Nordens Sprechzimmer.
»Herr Dr. Norden, hier ist eine Patientin …«
Daniel blickte vom Schreibtisch auf.
»Nele, das ist ja eine Überraschung«, begrüßte er die Frau des Kollegen. Schnell verschwand das Lächeln auf seinem Gesicht und machte einer tiefen Sorge Platz. »Ist was passiert?«
Seine Sorge rührte sie fast zu Tränen. Warum konnte Lars nicht wenigstens ein bisschen so sein wie Daniel Norden?
»Keine Angst. Ich bin nicht vom Stepper gefallen«, versuchte sie, den Arzt zu beruhigen. »Dafür bin ich gestern über einen Stuhl gestolpert. Fee hat meine blauen Flecken gesehen und darauf bestanden, dass du dir das mal anschaust.« Sie bemühte sich sichtlich um einen unbeschwerten Tonfall, was ihr nur bedingt gelang.
Dr. Norden ließ sich nichts anmerken.
»Dann lass mal sehen.« Sie drehte sich um und zeigte ihren Rücken.
Mit