Frank Gehry entworfen und oft mit einer zerschmetterten Gitarre verglichen). »Experience«, das gleiche Schlagwort, auf das auch das British Music Experience zurückgreift, scheint der Versuch zu sein, die hartnäckig an ihm klebende didaktische Aura des Wortes »Museum« zu überwinden, für ein Versprechen von Sinnlichkeit und Intimität. Es ist zugleich ein Verweis auf Jimi »Are You Experienced« Hendrix, Seattles berühmtesten musikalischen Spross.
Das EMP schlug anfangs gewaltig ein. Aber im Laufe des Jahrzehnts kämpfte es damit, die unrealistische Erwartung von einer Million Besucher pro Jahr zu erfüllen. Allen, der ebenso ein Science-Fiction-Freak wie Rockfan ist, fügte die Science Fiction Hall of Fame and Museum zu dem Gebäudekomplex hinzu, um den Besuchsanreiz zu verstärken. Wenn man jedoch das Fortbestehen dieser beiden großen Rockmuseen in Seattle und Cleveland und die zahlreichen kleineren, auf bestimmte Genres oder Städte fixierten Museen anderswo in den Staaten (das Grammy Museum in Los Angeles, das Smithsonian Rock’n’Roll Museum in Memphis, Detroits Motown Historical Museum etc.) betrachtet und dann noch die jüngst erfolgte Eröffnung des British Music Experience und die noch ausstehenden Eröffnungen zweier Einrichtungen im Stile der Hall of Fame bzw. der Experience in Barcelona und im norwegischen Trondheim mitbedenkt, wird deutlich, dass Rock als Kunstform mittlerweile alt und etabliert genug ist, um eine eigene Museumsindustrie am Laufen zu halten. Diese Institutionen konkurrieren gleichermaßen um Artefakte wie um Besucher. Keith Richards mag sich früher einmal, als er Jim Henke vorgestellt wurde, über ihn lustig gemacht haben, »Ein Rock’n’Roll-Kurator?! Das ist das Albernste, was ich je gehört habe!«, aber das Kuratieren von Popkultur ist mit der Zeit zu einem eigenen Arbeitsfeld, zu einem Karriereweg geworden. Zusätzlich zu denjenigen, die als Angestellte der Museen, Akademien oder Auktionshäuser arbeiten, gibt es auch freiberufliche Kuratoren und Händler bzw. Sammler: Leute wie Johan Kugelberg und Jeff Gold, die eng mit Jim Henke vom Rock’n’Roll Hall of Fame and Museum und seinem Kollegen Jasen Emmons vom EMP zusammenarbeiten, helfen mit, das Material für bestimmte Ausstellungen zusammenzutragen.
Der Musealisierung von Rock liegt eine gemeinsame Ideologie zugrunde, die auf den verwandten Konzepten von Nachkommenschaft und Historizität aufbaut. Das Konzept der Nachkommenschaft ist in Bezug auf das Überdauern von Pop selbsterklärend: Es geht dabei um die Frage, in wessen Interesse diese Materialien sorgsam aufbewahrt und ordentlich präsentiert werden. »Manchmal sieht man etwas und denkt: Das gehört in ein Museum«, sagt Jeff Gold, der als einer der fünf bedeutendsten Händler und Sammler der Welt gilt. »Manchmal hat jemand eine Sammlung, die eine Menge persönlicher Papiere oder Zeitungsausschnitte aus den 60ern enthält, und man denkt sich: Ich könnte das verkaufen, aber das wäre auch wirklich nützlich für jemanden, der irgendwann ein Buch schreibt. Wenn man das der Rock and Roll Hall of Fame stiftet, weiß man solche Sammlungen an einem Ort, an dem sie von künftigen Generationen untersucht werden können.«
Was die Historizität betrifft, so geht es dabei um so etwas wie die »Aura einer Ära«. Historizität dreht sich in großem Maße um einen Vertrauensbeweis: Es handelt sich um eine nicht greifbare Qualität, die von Vertrauen und Voraussicht seitens des Museumsbesuchers oder des Sammlers abhängt. In seinem Buch Vintage Rock T-Shirts betont Johan Kugelberg den großen preislichen Unterschied zwischen einem original Tour-T-Shirt und einer Reproduktion, die tatsächlich von dem echten nicht zu unterscheiden ist, weil nicht nur der Stil einer Zeit, sondern auch die Alterserscheinung und Abnutzung des Stoffes imitiert werden können. Historizität ist paradox, da sie etwas erst betrifft, wenn es von der Geschichte abgehängt, zu einem Relikt wurde. Tour-T-Shirts haben zu der Zeit, in der sie verkauft werden, keinen besonderen Wert; sie erlangen ihren späteren Glanz, weil sie auf eine Zeit verweisen, in der sie noch unscheinbar waren und einfach nur getragen wurden. Kugelberg liefert ein ironisches Echo der Dichter der Romantik und von deren Besessenheit von mittelalterlichen Kirchen und Klöstern, wenn er die Vintage-T-Shirts als »Ruinen« bezeichnet, aber er warnt auch davor, dass diese Ruinen durch »die gefürchteten Schwitzflecken« ruiniert werden können – zumindest was ihren Sammlerwert betrifft.
Jeff Gold bevorzugt ein funkigeres Wort für Historizität: Mojo (A. d. Ü.: dt. Zauber, Faszination). Der Glaube daran, dass die Lebenskraft der Musikidole Gegenständen aus deren Besitz noch immer anhaftet, erklärt, warum er ab und zu Dinge erwirbt, die potentiell zwar sehr lukrativ sind, sie dann aber anders als geplant nicht zur Versteigerung anbietet. Er hängt beispielsweise an »einigen Hendrix-Platten – nicht Platten von Jimi, sondern Platten anderer Musiker, die Hendrix tatsächlich besessen hat. Es gibt ungefähr 25 davon und sie wurden von einer Frau versteigert, die mit Hendrix in London zusammengewohnt hat. Darunter sind Blues-Platten, die Sgt Pepper, Sachen von Roland Kirk, Dylan.« Plattensammler sind normalerweise darauf bedacht, Platten in annähernd mint condition zu finden, aber in diesem Fall ergab sich der zusätzliche Wert daraus, dass die Platten »völlig abgenudelt waren. Das bedeutete, dass Hendrix sie ausgiebig angehört hat.« Gold sagte, dass er sich bereits darauf eingestellt hatte, »sie zu reinigen, weil sie so abgenutzt waren, aber dann dachte ich mir: Das ist Hendrix’ Dreck darauf, seine Fingerabdrücke. Es wäre falsch, sie zu reinigen.« Die Kratzer und der Dreck machten die Platten »für mich sogar noch wertvoller, weil das hieß, dass das Alben waren, die er wie verrückt abgespielt hat. Das eröffnete einen Blick in Hendrix’ Gehirn und in seinen Musikgeschmack. Seine Platten zu besitzen, bedeutete, etwas von seinem Mojo zu besitzen.«
Golds Vorliebe für diese Erinnerungsstücke erinnert an den Beginn des Handels mit Rock-Devotionalien in den späten 60ern. Die ersten Dinge, die es wert waren, gesammelt zu werden, waren Poster, insbesondere die berühmten psychedelischen für Shows im Fillmore oder Avalon in San Francisco, aber ebenso die Poster aus Detroit in den späten 60ern. Gold erwähnt eine Anzeige in einer Ausgabe eines 68er-Fanzines aus der Bay Area, in der jemand ein bestimmtes Fillmore-Poster sucht. »Es gab also bereits Typen, die die San-Francisco-Poster gesammelt haben und versuchten, eine vollständige Sammlung zusammenzubringen, nur ein Jahr nachdem sie gedruckt worden waren.«
Diese paradoxe Historizität zu erzeugen, ist ein wesentliches Anliegen der Sammler von psychdelischen Postern: Sie wollen den Erstdruck, diejenigen Plakate, die auch tatsächlich aufgehängt worden sind. Als Bill Graham klar wurde, dass die Poster zu Sammelobjekten geworden waren, die von den Fans abgerissen und zu Hause an die Wand gehängt wurden, fing er an, zweite und dritte Auflagen zu drucken, die er lediglich als Souvenir verkaufte. Aber die erste Auflage, die Poster, die dazu dienten, tatsächlich ein Konzert zu bewerben, und die »in der ganzen Stadt auf Telefonzellen und in Schaufenstern aushingen«, erklärt Gold, das war die Auflage, die von kulturellem Wert war. Und diese Erstdrucke sind »viel wertvoller als diejenigen, die nach dem Konzert als Souvenirs verkauft wurden«. Er erzählt mir von der führenden Autorität auf diesem Gebiet, dem Händler und Sammler Eric King, »der im wortwörtlichen Sinne das Buch zum Thema geschrieben hat, ein handkopiertes und auf 650 Seiten eng bedrucktes Nachschlagewerk«. Im Laufe der Jahre hat King aus der Kunst der Authentifizierung eine Wissenschaft gemacht. »Er und ein paar andere Spezialisten auf diesem Gebiet haben erschöpfende Nachforschungen betrieben, um herauszufinden, welche die Erstdrucke der Poster waren. Es gibt womöglich ein Jefferson-Airplane-Poster, bei dem auf der ersten Auflage ein Stempel mit der Aufschrift ›Associated Students of UC Berkeley‹ darauf ist, was bedeutete, dass die Poster auf dem Campus vom Studentenrat gestempelt wurden, um zu beweisen, dass die Veranstaltung genehmigt war. In anderen Fällen erkennt man die erste Auflage nur aufgrund der Dicke des Papiers. Eric nimmt also seinen Messschieber zur Hand und misst die Papierdicke, um dir das Poster für 20 Dollar als echt zu zertifizieren.«
Die 60er und die frühen 70er dominieren das Angebot auf Golds Website (www.recordmecca.com). Es finden sich dort Sachen wie ein aufblasbares Promo-Luftschiff von Led Zeppelin oder ein Stapel von acht nicht unterschriebenen Verträgen für das Monterey-Pop-Festival. Punk schleicht sich auch ein (für 800 Dollar gibt es das Original-Drehbuch zu Who Killed Bambi – dem abgebrochenen Sex-Pistols-Film – das Roger Ebert geschrieben hat und von Russ Meyer verfilmt werden sollte), aber der Großteil der Exponate stammt aus der klassischen Rock-Ära. Laut Peter Doggett, einem ehemaligen Herausgeber von Record Collector, der jetzt seine Energie einerseits in das Schreiben von Storys über Musik steckt und andererseits mit Christie’s zusammenarbeitet, um die Authentizität von Rock-Erinnerungsstücken