durchtrainiert Kurgäste und Hauspersonal waren, ergab sich aus der fast gleichzeitigen Reaktion. Die Männer warfen sich schlagartig zu Boden und gingen in volle Deckung.
„Was … was war das?“ fragte Hallway und hob vorsichtig den Kopf an.
„Die Scheibe …!“ flüsterte Hale zurück.
„Natürlich, du Nachtwächter! Das hab’ ich selbst gemerkt. Aber wer hat …!?“
„Du lieber Himmel, stinkt es hier!“ Jerry hielt sich die Nase zu und sah seine Freunde strafend an, „wo bleibt denn eure gute Erziehung?“
Die übrigen Herren merkten erst jetzt den penetranten Geruch nach faulen Eiern. Sie fächelten sich frische Luft zu, hüstelten und wichen voreinander zurück. Keiner von ihnen achtete auf die kleine Kapsel, die zerbrochen am Boden lag und die den penetranten Geruch verströmte.
„Luft …!“ stöhnte Hallway, „ich … ich ersticke …!“
„Nicht zu ertragen!“ röchelte Hale und kroch in das angrenzende Zimmer.
„Wie in einer Kloake!“ hechelte Jerry und stürzte sich ans zerbrochene Fenster.
Die Kurgäste drängten bereits elastisch hinaus in den schützenden Korridor und japsten nach Luft.
*
Doktor Clyde und Jane Friday, Privatsekretärin von Les Paulsen, machten einen kleinen Spaziergang durch den weiträumigen, jetzt dunklen Park. Dabei näherten sie sich gewollt-ungewollt dem Gästehaus Nr. 6.
„Könnte der Aufenthalt dieser beiden Schnüffler für uns gefährlich werden, Doktor?“ erkundigte sich Jane Friday.
„Im Augenblick bestimmt nicht … Man muß nur Geduld haben, Jane … Gegner dieser Art muß man psychologisch ausschalten, muß sie leerlaufen lassen. Ich denke, daß dieser Spuk schon in den nächsten Tagen vorüber sein wird …“
Jane Friday hatte die feste Absicht, ihrem väterlichen Freund zu antworten, doch es kam ganz anders.
Irgend etwas zischte deutlich hörbar durch die Zweige eines schützenden Strauches. Jane Friday spürte deutlich, daß ihre nackten Arme von dem feinen Schleier einer Feuchtigkeit besprüht wurden. Unwillkürlich zuckte sie zurück.
„Was war das?“ fragte sie entgeistert.
„Keine Ahnung …“ Doktor Clyde hob die Schultern, „wahrscheinlich ein Nachttier. Kommen Sie, Jane, gehen wir weiter …!“
„Doktor!“ Janes Stimme klang plötzlich gepreßt, „Doktor, spüren Sie nichts?“
„Was denn, Jane …?“
„Diesen fürchterlichen Juckreiz!“
„Aber nein, wieso soll … Oh … Jane jetzt spüre ich ihn auch … Nein!“
„Ich … werde verrückt!“ behauptete Jane und kratzte sich hingebungsvoll zuerst den linken, anschließend den rechten Arm. „Das ist ja noch schlimmer als Nesselfieber. Doc, bitte, helfen Sie mir! Es wird immer schlimmer!“
„Bei mir auch!“ Doktor Clydes vornehme Würde ging in die Binsen, wie der Volksmund es so plastisch ausgedrückt hätte. Er riß sich sein Freizeithemd auf und kratzte sich die leicht behaarte Brust.
„Schnell, den Rücken!“ Jane streifte die leichte Bluse herunter und drehte Clyde ihren schönen Rücken zu. Sie hegte die stille Hoffnung, daß ihr väterlicher Freund ihr den Rücken kratzen würde.
Doch Doktor Clyde fand dazu keine Zeit.
Er stand mit dem Rücken an einem kleinen Baumstamm und schrubbte sich an der rauhen Baumborke. Er tat das mit dem Wohlbehagen, wie man es bei suhlenden Wildschweinen antreffen kann. Dazu grunzte er fast vor Zufriedenheit.
„Doktor, mein Rücken … Bitte …!“
„Nehmen Sie den Baum!“ schlug Clyde ohne jede Ritterlichkeit vor, „das hilft und tut gut. Ahhh … Wunderbar!“
Jane Friday ging auf das Angebot ein. Auch sie schrubbte sich den Rücken an einem der vielen Baumstämme und verdrehte dabei lustvoll die Augen. Sie war ein Bild der reinen Verzückung.
„Es … Es wird immer schlimmer“, sagte Clyde plötzlich.
„Wunderbar … hauchte Jane Friday, „wunderb … Oh ja, Doktor, jetzt spüre ich es an den Beinen …“
Doch Clyde hörte nicht mehr zu, denn er trabte bereits im Schweinsgalopp hinauf zum schloßähnlichen Hauptbau. Jane Friday spurtete ihm nach, vergaß darüber aber nicht, sich schnell zwischendurch zu kratzen …
*
„Die feine englische Tour ist das aber gerade nicht“, sagte Mike Rander grinsend, als er das Fenster schloß, „dieses Reizmittel muß ja fürchterlich wirken.“
„Da ich Blutvergießen und nackte Gewalt verabscheue, Sir, mußte ich mich notgedrungen nach Mitteln umgehen, die gewaltlos wirken.“
„Bei mir brauchen Sie sich auf keinen Fall zu entschuldigen“, lachte Rander laut los, „wie lange wirkt dieses Juckmittel?“
„Etwa zwölf Stunden. Und ich darf versichern, Sir, daß es keinerlei gesundheitliche Schäden hinterlassen wird.“
„Sie werden sich noch totkratzen, Parker …!“
„Sicher nicht, Sir! Aber wenn Sie erlauben, möchte ich mich nun den übrigen Gästehäusern widmen.“
„Die Reichweite Ihrer Gabelschleuder ist nur begrenzt, das werden Sie kaum schaffen.“
„Ich werde, wenn es genehm ist, kurzfristig das Gästehaus hier verlassen, Sir.“
„Ich komme selbstverständlich mit, Parker.“
„Sir, darf ich auf das Tonbandgerät verweisen, das bedient werden muß.“
„Schon gut, schon gut … Sie haben wieder das Vergnügen, während ich arbeiten muß … Lassen Sie sich nicht erwischen!“
„Ich werde mir Mühe geben, Sir … Darf ich mich jetzt verabschieden?“
Josuah Parker legte den bleigefütterten Bambusgriff seines Universal-Regenschirms um das Fensterkreuz des Badezimmerfensters und schwang sich erstaunlich leichtfüßig auf die Fensterbank. Während er das dünne, aber ungemein zähe und starke Nylonseil aus dem Griff abspulte, ließ er sich nach unten in den Garten. Ein geschickter Ruck, und der Schirm fiel nach unten in seine Arme. Innerhalb weniger Sekunden war das Nylonseil wieder aufgespult, der Schirm sah normal und unauffällig aus. Parker legte sich den Griff über den linken Unterarm und verschwand in der Dunkelheit …
*
Die weiblichen Häschen des Recreation Center wohnten im schloßähnlichen Hauptgebäude in einer Reihe von Zweierräumen, die komfortabel und modern eingerichtet waren.
Um diese Zeit hatten sie Dienstschluß.
Da es für die allgemeine Bettruhe noch zu früh war, hielten sie sich in den Freizeiträumen für das Personal auf. Hier konnten sie sich vor einem Farbfernseher die Zeit vertreiben, Musik hören, Billard spielen, oder sonst tun, wozu sie Lust und Laune hatten. Es war ihnen nur verboten, das Parkgelände zu verlassen. Sie sollten in der Öffentlichkeit überhaupt nicht auftreten, das gehörte zu den Vorschriften, denen sie sich unterworfen hatten.
Die langbeinigen Geschöpfe langweilten sich redlich. Ein Tag verging in diesem Center wie der andere. Da es ihnen außerdem streng verboten war, persönliche Beziehungen zu den Kurgästen zu unterhalten, sahen die Abende eigentlich recht trist aus.
Es handelte sich um etwa ein Dutzend Häschen, die Frotteemäntel trugen und froh waren, ihre Einheitstracht vergessen zu dürfen. Sie merkten überhaupt nicht, daß draußen vor dem Fenster ein gewisser Josuah Parker auf tauchte, der die Damen aus nächster Nähe beobachtete. Aus moralisch verständlichen Gründen hatte man sie im Obergeschoß untergebracht, unerreichbar