sagen, der Sender habe in den vergangenen Jahren mehr und mehr islamistische Bewegungen unterstützt und sei dadurch ein Werkzeug von Katars Außenpolitik geworden.
Saudi-Arabiens Unmut entzündete sich nicht zuletzt an der medialen Unterstützung der Muslimbrüder durch Al Jazeera. In dem demokratisch gewählten Islamisten Mohammed Mursi, der in Ägypten 2012 an die Macht kam, sahen Saudi-Arabien und anderen Golfmonarchien eine Bedrohung ihres eigenen Herrschaftsmodells. Im Jänner 2014 unterzeichnen die sechs GCC-Staaten ein Abkommen, demzufolge keiner der Mitgliedsstaaten eine Organisation unterstützen dürfe, die die Sicherheit und Stabilität anderer GCC-Staaten gefährde. Da Doha weiterhin die Muslimbrüder unterstützte, zogen im März 2014 Saudi-Arabien, die Emirate und Bahrain ihre Botschafter aus Katar ab.58 Doha hatte, aus saudischer Perspektive, nicht zuletzt durch die den Muslimbrüdern geneigte Berichterstattung Al Jazeeras, den Vertrag gebrochen. Doch der Konflikt kochte auf kleiner Flamme. Bereits acht Monate später kehrten die Botschafter zurück. Katar folgte weiterhin der saudischen Linie in der Außenpolitik: So wie Doha bereits die saudische Intervention in Bahrain 2011 zur Niederschlagung der Proteste unterstützte, schloss es sich auch der Jemen-Offensive Saudi-Arabiens 2015 an. 2016 zog es seinen Botschafter aus dem Iran ab, nachdem ein Mob die saudische Botschaft in Teheran angegriffen hatte.
Der große Bruch kam 2017. Beim Abbruch diplomatischer Beziehungen blieb es diesmal nicht. Stattdessen verhängten Saudi-Arabien und andere Staaten ein Handelsembargo über Katar. Saudi-Arabien schloss die 65 Kilometer lange, gemeinsame Grenze, wodurch für Katar 40 Prozent seiner Lebensmittel-Importe ausfielen. Damit nicht genug setzten Saudi-Arabien, die Emirate, Bahrain und Ägypten ihre Flüge von und nach Katar aus und erließen ein Überflugverbot für katarische Airlines. Auch Al Jazeera bekam den Boykott zu spüren. Die Website des Senders wurde in mehreren Staaten blockiert, Jordanien ließ alle Al-Jazeera- Büros im Land schließen.59
Um die Blockade zu umgehen, intensivierte Katar seine Handelsbeziehungen mit der Türkei, Iran und Oman. Der Boykott gegen Katar erreichte daher das Gegenteil von dem, was die GCC-Staaten sich erhofften. Doha knickte nicht ein, indem es seine Beziehung zum Iran abbrach. Stattdessen wurde es durch den Warenengpass gezwungen, sich weiter dem Iran anzunähern. Katar sah sich dadurch in seiner Politik bestärkt, die schon länger auf eine Reduzierung der Abhängigkeit von Saudi-Arabien und seiner Vormachtstellung im GCC abzielte. Als Saudi-Arabien sich im dritten Golfkrieg weigerte, US-Truppen eine Basis für ihren Angriff auf den Irak zu bieten, sprang Katar an dessen Stelle ein. Das Abkommen zwischen den USA und Doha 2002 mündete in der Stationierung von US-Truppen in der Udeid-Militärbasis südwestlich von Doha. 2014 führte ein weiterer Vertrag mit der Türkei zur Errichtung einer türkischen Basis in Katar. Durch die ausländischen Militärbasen erhofft Doha sich militärischen Schutz, auch gegen mögliche Übergriffe von Seiten Saudi-Arabiens.60 Der Konflikt zwischen Saudi-Arabien und Katar betrifft nicht ausschließlich die beiden Staaten. Indem drei Mitglieder des GCC Katar boykottieren, ist der Golfkooperationsrat gelähmt. Das sind keine guten Voraussetzungen für eine Entspannung in der Region. Wie Analysten befürchten, könnten in Zukunft die stabilen Allianzen, die der GCC ermöglicht hat, durch wechselnde Allianzen und tagespolitisch orientierte Koalitionen abgelöst werden.61
Eine Auswirkung des Drucks auf Katar und seine Hinwendung zu neuen Partnern spiegelt sich etwa in den Reaktionen auf den Einmarsch der Türkei in Nordsyrien wider. Während der GCC sich offiziell gegen die Offensive äußerte, begrüßte Katar den Einmarsch der türkischen Armee und ihrer Verbündeten in die Kurdengebiete.62 Und die Krise beschränkt sich nicht auf die Golfregion. Die Wellen des Konflikts reichen bis Ostafrika, wo Golfstaaten seit Jahrzehnten politisch und ökonomisch Präsenz zeigen. Die Spaltung im Golfkooperationsrat zwingt afrikanische Staaten, sich für eine Seite zu entscheiden, mit oft weitreichenden Auswirkungen für Sicherheit und Wirtschaft.
Wettlauf um Afrika
Gerade einmal 30 Kilometer trennen die Arabische Halbinsel vom afrikanischen Kontinent in der Meerenge Bab al-Mandab. Die Meeresstraße, die den Indischen Ozean über das Rote Meer und den Suezkanal mit dem Mittelmeer verbindet, ist eine der wichtigsten Schiffsrouten weltweit. 2018 sollen geschätzte 6,2 Millionen Barrel Rohöl pro Tag durch die Meerenge geschifft worden sein.63 Entsprechend hoch ist die strategische Bedeutung des Horns von Afrika und der in der Küstenregion gelegenen Staaten Eritrea, Dschibuti, Äthiopien und Somalia.
Saudi-Arabien, gemeinsam mit und in Konkurrenz zu anderen Golfstaaten, versucht auf verschiedenen Ebenen seinen Einfluss in der Region zu sichern. Mit saudischen Entwicklungsgeldern wird Infrastruktur finanziert, und Handelsabkommen knüpfen die Wirtschaft der Golfstaaten an jene der Horn-Region. Enge Kontakte gibt es auch auf politischer und kultureller Ebene. Die Golfmonarchie hat zwischen 2010 und 2018 sechs neue Botschaften in Afrika eröffnet64 und saudische Missionare predigen seit Jahrzehnten den wahhabitischen Islam in afrikanischen Koranschulen und Moscheen. Umgekehrt sind die Golfstaaten attraktive Partner für afrikanische Staaten, wenn es etwa darum geht, die Energie-Industrie zu entwickeln. So hat Saudi-Arabien im Sommer 2018 verkündet, zehn Milliarden US-Dollar in den Energiesektor Südafrikas investieren zu wollen.65
Saudi-Arabien findet in Afrikas Staaten auch Bündnispartner, um seine sicherheitspolitischen Ziele regional und international durchzusetzen. So wird die Golfmonarchie im Jemen-Krieg vom Sudan mit Bodentruppen unterstützt. Von Eritrea, Dschibuti und Somalia aus zerschlägt saudisches und emiratisches Militär die Nachschubrouten der Huthi und fliegt Luftangriffe gegen den Jemen. Die enge Kooperation bewirkt jedoch auch, dass Konflikte der Nahost-Region nach Afrika exportiert werden. Saudi-Arabien und die Emirate übten am Beginn der GCC-Krise Druck auf ihre afrikanischen Partner aus, ihre diplomatischen Beziehungen zu Katar einzufrieren. Eritrea, Mauretanien und Senegal entsprachen dem Wunsch und brachen ihre diplomatischen Beziehungen ab. Der Tschad, Dschibuti und Niger schränkten ihre Beziehung zu Doha ein.
Einige dieser Staaten erhielten in den folgenden Monaten finanzielle Zuwendungen, auch wenn nicht belegt ist, dass diese in Zusammenhang mit der diplomatischen Solidarität stehen. So stellte etwa im August 2017 das saudische »King Salman Humanitarian Aid and Relief Center« 250 Millionen US-Dollar an Flüchtlingshilfe für Dschibuti zur Verfügung. Und der »Abu Dhabi Fund for Development« öffnete einen Fördertopf von 50 Millionen US-Dollar für Firmen, die im Tschad investieren wollen. Doch nicht immer gelang es Saudi-Arabien, diplomatische Gefügigkeit zu erkaufen. Im Juni 2017 wurde bekannt, dass die somalische Regierung 80 Millionen US-Dollar an Hilfsleistungen von Saudi-Arabien ablehnte. Sie hätte im Gegenzug ihre Beziehungen zu Katar einfrieren sollen.66 Die guten Beziehungen zu Doha waren der somalischen Regierung in diesem Fall wichtiger als jene zu Riad. Denn Katar leistet nicht nur Finanzhilfe, es investiert auch massiv in somalische Infrastruktur, wie der Plan für den Bau eines neuen Hafens in Hobyo zeigt, eine strategisch wichtige Stadt am Bab al-Mandab.67
Nicht nur die Konflikte zwischen den Golfstaaten, auch die alte Feindschaft zwischen Saudi-Arabien und dem Iran wird in Afrika ausgefochten. Bis 2015 hatte der Iran eine Militär- und Sicherheitskooperation mit dem Sudan und nutzte dessen Häfen, um Waffen an seine Proxies im Nahen Osten zu verschiffen. Saudi-Arabien gelang es, diese Kooperation zu sprengen. Nicht nur half die Golfmonarchie dem Sudan aus seiner diplomatischen Isolation, es deponierte außerdem 2015 eine Milliarde US-Dollar in Khartoums Zentralbank. Die Wirkung ließ nicht auf sich warten. Noch im selben Jahr beendete der Sudan seine Kooperation mit dem Iran.
Auch militärisch hinterlassen die Golfstaaten ihre Fußabdrücke an der Ostküste Afrikas. Saudi-Arabien plant seine erste Militärbasis außerhalb der eigenen Landesgrenzen in Dschibuti einzurichten.68 Gemeinsam mit den VAE hat Saudi-Arabien 2015 ein Abkommen mit Eritrea geschlossen, das dem Land für 30 Jahre die Nutzung des Tiefwasserhafens Assab und eines militärischen Flugfelds erlaubt. Saudi-Arabien und die Vereinigten Emirate befinden sich damit in direkter Nachbarschaft zu China, Deutschland, Frankreich, Italien, Japan, der Türkei und den USA, die ebenfalls Militärbasen am Horn von Afrika besitzen.
Neben sicherheitspolitischen und wirtschaftlichen Kooperationen bietet Afrika für das an fruchtbaren Böden und Trinkwasser arme Saudi-Arabien vor allem eines: Ackerland. 2013 musste die Monarchie 80 Prozent der