den phasengleich vereinnahmten Gewinnanteil, der auf eine bilanzrechtlich zulässig aktivierte künftige Dividendenforderung im Rechtssinne entfällt, zur Sicherung des Kapitalschutzes von der Ausschüttung an die Gesellschafter auszuschließen.105 Auch ein Abgleich mit den unterschiedlichen Sprachfassungen der Richtlinie spreche für eine Auslegung des Anspruchs als Rechtsanspruch.106 In diesem Sinne legt auch Hoffmann den Anspruch im Lichte der Richtlinienintention aus und hält dementsprechend nur das Verständnis des Anspruchs „im Rechtssinne“ für eine „geltungserhaltend[e]“ Interpretation der Regelung zur Ausschüttungssperre.107
Ähnlich wie das IDW in seiner Stellungnahme zum Regierungsentwurf hielt auch der Rechtsausschuss des Deutschen Bundestags in seiner Beschlussempfehlung zum Bilanzrichtlinie-Umsetzungsgesetz „einige Erläuterung“ zur Ausschüttungssperre vor der Gesetzesverabschiedung für geboten.108 Konkret sollte in den Gesetzesmaterialien darauf hingewiesen werden, dass es für die Entstehung des Anspruchs i.S.v. § 272 Abs. 5 HGB ausreiche, dass die Dividende „so gut wie sicher vereinnahm[t] wird“, auch wenn der den Rechtsanspruch begründende Gewinnverteilungsbeschluss noch ausstünde.109 Hermesmeier/Heinz unterstellen der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses Richtlinienkonformität und werten diese als ausdrückliche Billigung der Ausschüttbarkeit phasengleich vereinnahmter Dividendenerträge durch den Gesetzgeber.110
Allerdings wurde das Bilanzrichtlinie-Umsetzungsgesetz diesbezüglich unverändert, d.h. ohne die vom Rechtsausschuss geforderten Hinweise und zusätzlichen Erläuterungen zur Ausschüttungssperre, verabschiedet. Man wird der Meinung des Rechtsausschusses deshalb kein allzu großes Gewicht bei der Auslegung der Vorschrift zur Ausschüttungssperre einräumen können.111 Auch wird man angesichts der heterogenen Literaturmeinungen kaum der These von Zwirner zustimmen können, „nach h.M. [bestehe] kein Anwendungsbereich für die Ausschüttungssperre im HGB“.112
Bei der Problemlösung ist schließlich zu berücksichtigen, dass Literaturmeinungen unabhängig von der vertretenen Position – wie oben erläutert – lediglich Erkenntnisquellen darstellen, die bei der Konkretisierung (vermeintlicher) Regelungsunschärfen als Anhaltspunkte hinzugezogen werden können, jedoch wegen der fehlenden Rechtsnormqualität keine GoB bilden und bei Inkonsistenz mit dem GoB-System im Falle einer gerichtlichen Überprüfung als GoB-widrig verworfen werden können. Letztverbindliche Rechtsklarheit wird in diesem Fall nur der EuGH schaffen können.113
5. Ergebnis nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Bilanzierung
Unter den im Sachverhalt genannten Bedingungen hat M nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Bilanzierung die Dividendenerträge von T im Jahresabschluss des abgelaufenen Geschäftsjahrs gewinnrealisierend zu aktivieren. Weil aber der Rechtsanspruch auf Zahlung der Dividende am Bilanzstichtag der M noch nicht besteht und die Dividende zu diesem Zeitpunkt auch noch nicht zugeflossen ist, sind die vereinnahmten Dividendenerträge bei der M als Kapitalgesellschaft zunächst in eine ausschüttungsgesperrte Rücklage einzustellen.
II. Lösung nach IFRS
1. Sinn und Zweck der IFRS
a) Zentraler Schutzzweck: Konkretisierung von Informationspflichten im Konzern
Innerhalb der EU und folglich auch in Deutschland besteht seit 2005 für kapitalmarktorientierte Mutterunternehmen die Pflicht zur Aufstellung des Konzernabschlusses nach International Financial Reporting Standards (IFRS) (§ 315a Abs. 1 HGB). Nach § 315a Abs. 3 HGB haben auch alle anderen, nicht kapitalmarktorientierten Mutterunternehmen die Möglichkeit, ihren Konzernabschluss freiwillig nach IFRS aufzustellen. Der IFRS-Abschluss hat bei Ausübung des Wahlrechts befreiende Wirkung, d.h. er ist nicht zusätzlich zum Konzernabschluss nach HGB aufzustellen, sondern ersetzt diesen.114
Zweck von IFRS-Abschlüssen ist die Vermittlung von Information, die für die Entscheidungen von Kapitalmarktteilnehmern – vor allem Investoren, Kreditgebern und anderen Gläubigern – über die Bereitstellung finanzieller Ressourcen (Kaufen, Verkaufen oder Halten von Instrumenten) nützlich sind (RK.1.2). Dieser Zweck wird annahmegemäß erfüllt, wenn die im Abschluss vermittelten Informationen den Adressaten die Einschätzung der zukünftig zu erwartenden Zahlungsmittelrückflüsse aus dem Unternehmen sowie des Unternehmenswerts ermöglichen (RK.1.3 und RK.1.7).
b) Ergänzender Schutzzweck: Konkretisierung von Informationspflichten im Jahresabschluss in Sonderfällen
Nach § 238 Abs. 1 Satz 1 HGB sind die Jahresabschlüsse von in Deutschland ansässigen Kaufleuten ausnahmslos nach handelsrechtlichen GoB aufzustellen. Für die gebotene Veröffentlichung im Bundesanzeiger kann zwar nach § 325 Abs. 2a HGB anstelle des Jahresabschlusses nach GoB ein IFRS-Einzelabschluss eingereicht werden, der Jahresabschluss nach GoB verliert indes nicht seine Maßgeblichkeit für Zwecke des Gesellschafts- und Steuerrechts und ist insofern in jedem Fall ergänzend zum IFRS-Einzelabschluss aufzustellen.
c) Fehlender Schutzzweck: Konkretisierung von Gewinnansprüchen
An den Abschluss nach IFRS können im geltenden deutschen Bilanzrecht keine Ausschüttungswirkungen geknüpft werden; dies soll nach dem Willen des Gesetzgebers mittelfristig auch so bleiben.115
Dennoch sind die IFRS faktisch insoweit relevant, als Ausschüttungserwartungen der Aktionäre der Muttergesellschaft nicht losgelöst vom Konzernabschluss der Muttergesellschaft gebildet werden. In einigen EU-Mitgliedstaaten können die IFRS im Jahresabschluss von Kapitalgesellschaften bereits mit entsprechender Ausschüttungswirkung angewandt werden.116
2. Ermittlung der IFRS
a) Kompetenz des privatwirtschaftlich organisierten IASB zur Ermittlung von IFRS im Rahmen eines öffentlichen Standardsetzungsverfahrens
Die Kompetenz zur Schaffung von IFRS liegt bei dem privatwirtschaftlich organisierten International Accounting Standards Board (IASB). Auch wenn die Entwicklung der Standards sowie die Entscheidung über die Verabschiedung allein beim IASB liegen, werden die Adressaten durch die Möglichkeit der Kommentierung von Diskussionspapieren und Standardentwürfen in den Standardprozess einbezogen und können die Bilanzierungsregeln auf diese Weise beeinflussen.117 Die Auslegung von IFRS obliegt dem IFRS Interpretations Committee, das für diese Zwecke nach einem ähnlichen Verfahren sog. IFRIC Interpretations erarbeitet. Der Begriff IFRS schließt sowohl die Standards als auch die Interpretationen ein (IAS 1.7).
Aufgrund der privatwirtschaftlichen Organisation des IASB sind die IFRS originär rein fachtechnische Normen ohne jegliche Rechtsverbindlichkeit.118 Innerhalb der EU gelangen die IFRS jedoch erst zur Anwendung, wenn sie mittels eines Anerkennungsverfahrens (sog. Endorsement-Mechanismus) in EU-Recht übernommen wurden, ihnen also faktisch Rechtsnormqualität verliehen wurde.119
b) Rahmenkonzept als Deduktionsbasis bei der Standardsetzung
Die konzeptionelle Grundlage der Normermittlung bildet das Rahmenkonzept für die Rechnungslegung (RK.SP1.1). Das IASB hat sich bei der Entwicklung neuer Standards oder der Überarbeitung bestehender Regelungen in erster Linie an den dort niedergelegten grundlegenden qualitativen Anforderungen an entscheidungsnützliche Informationen – Relevanz und glaubwürdige Darstellung – zu orientieren (RK.2.4). Aufgrund der Auslegungsoffenheit der übergeordneten Anforderungen wurden diese in der Vergangenheit in verschiedenen Standards vom IASB unterschiedlich interpretiert und gegeneinander abgewogen; die IFRS sind folglich geprägt von zahlreichen Inkonsistenzen und konzeptionellen Widersprüchen.120
c) Schließung von Regelungslücken