Christoph Hülsmann

Initiale Topiks und Foki im gesprochenen Französisch, Spanisch und Italienisch


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wichtige Elemente einer Äußerung durch eine Akzentuierung salient machen. (cf. Lacheret 2013, 230–231)

      Nicht zu vernachlässigen sind jedoch Unterschiede zwischen den Sprachen bei der Markierung der Informationsstruktur. (cf. Féry/Krifka 2008, 12) So kann in einigen Sprachen, wie beispielsweise im Englischen, jedes Element unabhängig von seiner Position prosodisch fokalisiert werden. In Satz (9) wird etwa das initiale Subjekt als Fokus markiert. Andere Sprachen, wie das Spanische, greifen bevorzugt auf eine syntaktische Umstellung zurück und realisieren den Fokus in finaler Position (10). (cf. Casielles-Suárez 1999, 357–359)

(9) en. (Who followed Ralph into the bedroom?) – LAURIE followed Ralph into the bedroom. (Casielles-Suárez 1999, 357)
(10) sp. (¿Quién llamó a los niños?) – A los niños los llamó JUAN. (Casielles-Suárez 1999, 359)

      Um zu einem besseren Verständnis des Zusammenspiels von Informationsstruktur und Prosodie zu gelangen, ist es zunächst erforderlich einige grundlegende Termini der suprasegmentalen Ebene zu klären.

      Die drei wichtigsten Dimensionen der Prosodie umfassen die Zeit, die Frequenz und die Intensität.3 (cf. Rossi 1999, 7) Die akustischen Merkmale bestimmen jeweils die auditiven Merkmale, auch wenn – wie folgendes Schema von Rabanus illustriert – immer auch gegenseitige Wechselwirkungen angenommen werden müssen.4 (cf. Moroni 2010, 64–65)

      Abb. 11: Artikulatorischer Zusammenhang (Rabanus 2001, 6)

      Der Ton ist eine phonologische Kategorie, die sich auf Variationen der Grundfrequenz (F0) bezieht.5 In Tonsprachen dient er dazu, lexikalische und grammatikalische Bedeutungen zu unterscheiden. (cf. Hartmann 2007, 222) Zur Markierung der Informationsstruktur setzen diese Sprachen vor allem syntaktische und morphologische Strategien ein. (cf. Hartmann 2007, 233) Intonationssprachen hingegen, zu denen auch die in dieser Arbeit untersuchten romanischen Sprachen zählen, verwenden den Ton als einen der „suprasegmental phonetic features to convey ‚postlexical‘ or sentence-level pragmatic meanings in a linguistically structured way“.6 (Ladd 1996, 6)

      In der nicht-linearen Phonologie, die heute als gängigster Ansatz innerhalb der Intonationsforschung gelten kann7, werden in der Regel zwei Arten von Tönen unterschieden. Level tones zeichnen sich durch eine konstante Höhe aus. Innerhalb der level tones werden wiederum zwei Töne differenziert, ein Hoch- (H für high) und ein Tiefton (L für low).8 Contour tones sind Kombinationen aus level tones. Steigende Töne kombinieren L und H, fallende Töne H und L. (cf. Hartmann 2007, 222) Der Tonhöhenverlauf wird als Intonation bezeichnet.9 (cf. Peters 2014, 1) Intonationskonturen sind all jene Tonhöhenverläufe, „die in einer gegebenen Sprache die gleichen sprachlichen Funktionen erfüllen“.10 (Peters 2014, 2) Aus rein prosodischer Sicht kann ein Satz dementsprechend durch das Vorhandensein einer (einzelnen) terminalen Intonationskontur definiert werden.11 (cf. Wunderli 1990, 41)

      Der Ton wird zur suprasegmentalen Ebene der Sprache gerechnet, die grundsätzlich als von der segmentalen Ebene unabhängig gesehen wird, aber insofern mit ihr in Verbindung steht, als der Ton mit einem Silbenkern, d.h. mit Vokalen oder silbischen Konsonanten, assoziiert.12 (cf. Hartmann 2007, 223) Voraussetzung für die Verbindung der prosodischen mit der segmentalen Ebene ist die Eruierung von metrisch starken Silben in der jeweils zu analysierenden Sprache. Im Spanischen und Italienischen etwa sind die metrisch starken Silben durch das Lexikon (Wortakzent) vorgegeben. (cf. Gabriel 2007, 179)

      Töne, die einen Akzent markieren, werden Akzenttöne (oder Pitch-Akzente) genannt und in autosegmentalen Zugängen mithilfe eines Sterns (*) markiert. (cf. Peters 2014, 29) Akzenttöne assoziieren mit den metrisch starken Silben nun entweder in monotonaler (L*, H*) oder in bitonaler (L*H, LH*, H*L, HL*) Form.13 (cf. Gabriel 2007, 179) Im Gegensatz zu Akzent ist stress ein abstrakter Begriff, der sich auf eine relative Prominenz bezieht und der starken Silbe eines prosodischen Fußes zugeordnet wird.14 Auf phonetischer Ebene manifestiert sich stress oft durch größere Dauer, Lautstärke oder Tonbewegungen.15 (cf. Hartmann 2007, 224)

      Unbedingt von der Assoziierung zu unterscheiden ist die Alignierung von Tönen. In den Beispielsätzen (11)–(12) etwa assoziieren die Akzenttöne jeweils mit der metrisch starken Silbe von María. Dass sie eine unterschiedliche Alignierung aufweisen, zeigt Abbildung 12. (cf. Gabriel 2007, 179)

(11) (Was ist los?) – sp. MaRÍa le da el diario a su herMAno.
(12) (Julia gibt ihrem Bruder die Zeitung, nicht wahr?) – sp. MaRÍa le da el diario a su hermano.

      Abb. 12: Unterschiedliche Alignierung (Gabriel 2007, 179)

      Die Position des Asterisks gibt hier an, „ob der Tonhöhengipfel im ‚zeitlichen Rahmen‘ der Silbe erreicht wird (LH*, early rise) oder ob er sich aus dem durch die Dauer der Silbe vorgegebenen Zeitfenster heraus nach rechts verschiebt (L*H, late rise)“.16 (Gabriel 2007, 178) Phrasen- und Grenztöne (H-, L- bzw. H%, L%) assoziieren mit den Grenzen hierarchisch höherer prosodischer Ebenen, ihre Alignierung bezieht sich „jedoch auf die mit der betreffenden Grenze adjazente(n) Silbe(n) […], da jede phonetische Materialisierung von Tönen notwendigerweise lautliches Material voraussetzt“.17 (Gabriel 2007, 183)

      Die Position von Pitch-Akzenten erklärt man sich heute unter anderem durch pragmatische, d.h. informationsstrukturelle Faktoren.18 Das Topik weist für Hetland und Molnár (2001, 624) eine große prosodische Variation auf, und zwar nicht nur sprachenübergreifend, sondern auch innerhalb einer Sprache. Moroni (2010, 32–33) zufolge wird es nur dann akzentuiert, wenn seine Erkennbarkeit erleichtert werden soll.19 Fokus hingegen markieren die meisten Sprachen mit dem fallenden Pitch-Akzent H*L. Umgekehrt bedeutet dies jedoch nicht, dass auch jede H*L-Kontur Fokus markiert.20 (cf. Hartmann 2007, 225–226) Der Pitch-Akzent, der Fokus markiert und demnach auch als Fokusakzent bezeichnet wird21, kombiniert die fallende Tonhöhe zusätzlich meist mit einer Dehnung. Er wird einer Silbe zugeordnet, die einen Wortakzent trägt.22 Diese Silbe wird in der Literatur meist Fokusexponent genannt.23 (cf. Musan 2010, 46) Andere Silben sind deutlich weniger dazu geeignet, den Fokusakzent zu tragen. Dazu zählen insbesondere Reduktionssilben, d.h. Silben, die ein Schwa enthalten. (cf. Musan 2010, 47)

      Die Fokuskonstituente kann nun gleich groß wie der Fokusexponent (FE) sein und damit – wie in (13) – nur aus einer Silbe bestehen. (cf. Musan 2010, 46) Der Akzent kann jedoch seine Funktion ausgehend vom Fokusexponenten auch über weitere Silben projizieren (14). Welche das sind, ist vor allem für den Hörer relevant. Mit einer adäquaten Platzierung des Fokusakzents ermöglicht der Sprecher dem Hörer folglich eine optimale Dekodierung seiner Äußerung.24 (cf. Musan 2010, 47)

(13) dt. Wen will Moritz treffen? – Moritz will [MAX]F=FE treffen.
(14) dt. Wen will Moritz treffen? – Moritz will [Maxi [MI]FE lian]F treffen. (Musan 2010, 46–47)

      Bei einem engen Fokus umfasst der Fokus das akzentuierte Wort.25 (cf. Musan 2010, 49) Eine sehr weite Fokusprojektion ist im Deutschen etwa dann möglich, wenn der Fokusakzent auf einem internen Argument des Verbs liegt, vorausgesetzt, dieses Argument wurde – wie im folgenden Beispiel (15) – nicht aus seiner ursprünglichen Position wegbewegt. (cf. Musan 2010, 49–50) Der Fokusakzent auf Buch kann hier folglich je nach den Kontexten (16)–(20) mehr oder weniger (neue Information kodierende) Konstituenten als Fokus markieren. (cf. Höhle 1982, 91–92)

(15) dt. Karl hat dem Kind das BUCH geschenkt.