Christoph Hülsmann

Initiale Topiks und Foki im gesprochenen Französisch, Spanisch und Italienisch


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ist schließlich das Komplement zum link. Seine Position im Satz kann, etwa abhängig von sprachenspezifischen Grundwortfolgen und Intonationskonturen, variieren. Wie beim link sind auch mehrere tails pro Satz möglich. (cf. Vallduví 1990, 60–61) Der tail hat für Vallduví eine ganz spezielle Funktion:

      If the ground contains a tail it means that the information of the sentence cannot be simply added under the address denoted by the link. Instead, it indicates that part of the proposition communicated is knowledge already contained under that address and that the information of the sentence must be construed in some way with that knowledge instead of merely added. (Vallduví 1990, 78–79)

      Um die genaue Funktion des tails, auch in Abgrenzung zu jener des links, zu illustrieren, kontrastiert Vallduví den link-focus-Satz (117) mit dem link-focus-tail-Satz (118). (cf. Vallduví 1990, 79)

(117) en. The boss [hates BROCCOLI]F.
(118) en. The boss [HATES]F broccoli. (Vallduví 1990, 79)

      Beide Sätze weisen denselben Link auf, der den Hörer jeweils auffordert, zum mentalen Adressaten von the boss zu gehen. Während der Hörer bei Satz (117) die durch hates broccoli ausgedrückte Information direkt aufnehmen kann, muss er bei Satz (118) zusätzlich berücksichtigen, wie die Information aufgenommen werden soll. Die Information wird hier nicht einfach nur hinzugefügt, sondern eine (bereits vorhandene) Lücke gefüllt. Die Elemente the boss und broccoli sind in diesem Fall bereits vor der Äußerung des Satzes vorhanden. Satz (118) bringt den Hörer nun dazu, die Leerstelle zwischen den beiden Elementen durch hates zu ersetzen (the boss ____ broccoli > the boss hates broccoli). (cf. Vallduví 1990, 79–80) Damit erklärt Vallduví auch Sätze, die kontrastive Elemente beinhalten. Im Gegensatz zu nicht kontrastiven Sätzen lautet bei Kontrastivität der Befehl nicht „Fokus hinzufügen“, sondern „Leerstelle (bzw. anderes, bereits vorhandenes Element) durch Fokus ersetzen“. (cf. Vallduví 1990, 89) Die Relevanz von informationsstrukturellen Einheiten sieht auch Vallduví demnach in erster Linie in deren Rolle bei der Optimierung der Aufnahme von neuer Information hinsichtlich des bereits vorhandenen Wissensstandes des Hörers.10 (cf. Vallduví 1990, 87)

      Vallduví wendet sein Modell in der Folge auf das Katalanische und Englische an. Ob es ohne Weiteres auch auf die in dieser Arbeit behandelten romanischen Sprachen, insbesondere das Französische, bzw. auf die in der Folge auch empirisch untersuchten Topik- und Fokus-Fronting-Strukturen übertragbar ist, kann hinterfragt werden. Um vorschnelle Schlussfolgerungen zu Form-Funktionsrelationen sowie damit häufig verbundene zirkuläre Definitionen zu vermeiden (cf. Dufter/Gabriel 2016, 425), sollen die drei Ebenen der Informationsstruktur analytisch sowie terminologisch zunächst weiterhin strikt voneinander getrennt werden. Die wichtigsten Begriffe werden wie folgt definiert:

      Neue (oder nicht gegebene) Information ist Information, die im Gegensatz zu alter (oder gegebener) Information zum Zeitpunkt der Äußerung nach Annahme des Sprechers nicht im Bewusstsein des Hörers ist. Inferierbare Elemente nehmen eine Zwischenposition ein. Sie sind selbst nicht explizit im Diskurs vorerwähnt, können aber aus der Situation, d.h. dem außersprachlichen Kontext, oder von gegebenen Konzepten, d.h. dem Kotext, abgeleitet werden. Von der Ebene des Bewusstseins (Aktivierungsgrad) grundsätzlich zu trennen ist die Ebene des Wissens, auf der zwischen zum Zeitpunkt der Äußerung identifizierbarer und nicht identifizierbarer Information unterschieden wird.

      Die Kategorie Topik wird in der Folge dieser Arbeit mit der gängigen, relativ weiten Definition als Prädikationsbasis, d.h. als das Element auf der Ebene des Satzes, über das Sprecher eine Aussage tätigen (aboutness-Kriterium), verwendet. Der Kommentar wird als komplementärer Teil zum Topik definiert.

      Der Fokus entspricht dem hinsichtlich des common ground von Gesprächspartnern relevanten Teil des Satzes, der die Antwort auf explizite oder implizite Fragen darstellt. Den bzw. die komplementäre(n) Teil(e) zum Fokus wiederum bildet der Hintergrund.

      Alle weiteren Eigenschaften, die die informationsstrukturellen Einheiten darüber hinaus auf syntaktischer, semantischer sowie prosodischer Ebene aufweisen, werden – und das gilt auch für die empirische Analyse in Kapitel 5 – als reine Korrelate behandelt. Das folgende Kapitel 3 soll einen Überblick über das allgemeine Zusammenspiel zwischen der Informationsstruktur, der Prosodie und der Syntax geben, bevor in Kapitel 4 die einzelsprachlichen Eigenschaften zur Schnittstelle für das gesprochene Französische, Spanische und Italienische präsentiert werden.

      3 Das Zusammenspiel von Informationsstruktur, Syntax und Prosodie

      Heute herrscht in der Linguistik eine grundsätzliche Übereinstimmung darin, dass die Informationsstruktur mit der Syntax interagiert. Hartmann und Winkler (2013, 1) unterscheiden drei mögliche Zugänge zur Analyse der Schnittstelle:

      1 Theorien, in denen die informationsstrukturellen Kategorien als formale Features gesehen werden, die in der narrow syntax präsent sind und syntaktische Operationen triggern.1

      2 Theorien, in denen die Informationsstruktur einem eigenen Modul entspricht und Äußerungen als das Resultat eines Mapping zwischen verschiedenen Modulen verstanden werden.2

      3 Kognitive Theorien, nach denen die Informationsstruktur ein universales kognitives Mittel für die allgemeine Sprachproduktion und -verarbeitung darstellt.

      In der gesprochenen Sprache wird mittlerweile auch der Prosodie eine zentrale Rolle im Zusammenspiel der Ebenen zugesprochen. Ihre Relevanz hat bereits Weil (1844, 91–92) erkannt:

      L’ordre des mots, nous l’avons vu, est déterminé par la naissance et la liaison naturelle des idées; la dépendance grammaticale des parties de la proposition exerce sur cet ordre une grande influence; mais on ne parviendra pas, en partant de ces deux points de vue, à expliquer d’une manière suffisante tous les phénomènes qui, sous ce rapport, se présentent dans les langues […]. Il y a une autre cause déterminante […], l’accentuation.

      Zwei gegensätzliche Positionen werden von den Anhängern der funktionalen Grammatik und jenen der generativen Grammatik vertreten. Die Funktionalisten, die wie Chafe (1987) und Tomlin (1987) immer wieder Erkenntnisse aus der kognitiven Psychologie berücksichtigen, postulierten von Beginn an das Primat pragmatischer Aspekte. So teilen sie in ihren Ansätzen die Ansicht, dass die Syntax nicht nur mit anderen Domänen interagiert, sondern diesen zum Teil untergeordnet und damit nicht autonom ist. (cf. Bolkestein 1993, 341) Für Beneš (1968) etwa, einem Anhänger der Prager Schule, sind sowohl die syntaktischen als auch die prosodischen Eigenschaften von Sätzen in einer Äußerungssituation pragmatisch zu erklären:

      Contextual modification of word-order (plus other devices, such as intonation etc.) is a result of factors due to the process of communication itself, i.e., to the intention of the speaker, his relationship to the hearer, the regard to the situation and context and consequently also to the inclusion of individual sentences into utterances and complete discourses. (Beneš 1968, 270)

      Den Gegenpol zu dieser funktionalen Perspektive bildet die generative Grammatik, in der informationsstrukturelle und prosodische Aspekte lange Zeit als Störfaktoren gesehen und folglich weitestgehend ignoriert wurden. Nach und nach jedoch setzte sich auch in generativen Ansätzen die Vorstellung einer systematischen Interaktion zwischen der Syntax, der Informationsstruktur und der lautlichen Form von Sätzen durch. (cf. Jacobs 1992, 8–9) Die Kategorien Fokus und Topik werden heute als Bestandteil der Universalgrammatik (UG) und damit als Teil der genetischen Ausstattung von Menschen angesehen: „The linguistic level of F-structure in which both topic and focus are identified is […] a fundamental part of Universal Grammar […].“ (Erteschik-Shir 1999, 145) Der größte Unterschied zwischen den beiden Zugängen besteht für Szendrői (2010, 319) in der Methode zur Identifizierung von Fokus. Während in der generativen Grammatik eine automatisierte grammatische Regel angenommen wird, leitet