Christoph Hülsmann

Initiale Topiks und Foki im gesprochenen Französisch, Spanisch und Italienisch


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exhibit different word order patterns suggests that different factors […] dominate the syntactic organization of different languages. On the other hand, the fact that many of these languages can be grouped into a limited number of frequently occurring types suggests that there may be some favored strategies for resolving the competition. (Downing 1995, 22)

      Mereu (2009) zieht das Fazit, dass die Prinzipien (i) und (ii) universale Prinzipien der Informationsstruktur sind. Konfigurationale Sprachen sind eher syntaktisch orientiert und folgen in syntaktisch und pragmatisch unmarkierten Kontexten dem ersten Prinzip, in markierten Kontexten auch dem zweiten. Nicht konfigurationale Sprachen sind eher pragmatisch orientiert und folgen dem zweiten Prinzip.9 Dies impliziert, dass nicht konfigurationale Sprachen nicht unbedingt über eine Basiswortfolge verfügen.10 (cf. Mereu 2009, 94–95)

      Primus (1993, 886) wiederum sieht, in Anlehnung an Hawkins (1990), nicht pragmatische Faktoren, sondern das syntaktische „Gewicht“ als primäres Kriterium für die Wortfolge an. Den Mehrwert ihres Zuganges rechtfertigt die Autorin folgendermaßen: „Whereas pragmatic accounts need several conflicting principles to capture the facts of topic-predication and focus-background placement11, the performance principles suffice to explain all the facts.“12 (Primus 1993, 887) Für Primus werden Topiks ganz einfach deshalb initial realisiert, da sie in der Regel weniger komplex, d.h. kürzer als der Kommentar sind. (cf. Primus 1993, 886) Ähnliches gilt für den Fokus. Während ein enger und damit kurzer Fokus eher vor einem langen Hintergrundausdruck realisiert wird, nimmt ein kurzer Hintergrundausdruck für gewöhnlich die Position vor einem weiten Fokus ein.13 (cf. Primus 1993, 889) Ein Fronting von prädikativen Elementen wie in (1)–(2) ist in der Konsequenz immer markierter als ein Fronting von leichterem Material, wie etwa von nominalen oder adverbialen Elementen wie in (3). (cf. Primus 1993, 890)

(1) dt. (Was hast du gestern gemacht?) – ?[Mit Freunden ESSEN gegangen]F bin ich.
(2) dt. (Was hast du gestern gemacht?) – ??[Mit Freunden in ein teueres [sic] Restaurant ESSEN gegangen]F bin ich.
(3) en. He’ll NEVER do it [WILLINGLY]F. – [WILLINGLY]F he’ll NEVER do it.14 (Primus 1993, 890)

      Die Tatsache, dass Fokuspositionen existieren, die nicht ihrer Regel entsprechen, erklärt Primus nicht pragmatisch, sondern prosodisch oder syntaktisch. (cf. Primus 1993, 889) Die Autorin nimmt an, dass Sprachen mit einer rechtsperipheren Fokusposition, die gleichzeitig „the position of the rhythmically most conspicuous stress of the sentence“ (Primus 1993, 892) darstellt, dieses stress pattern generalisieren wollen und sich deswegen gegen eine Bewegung der fokalen Konstituente nach links wehren. So entspricht Satz (4) als Antwort auf die Frage Wem hast du das Geld gegeben? der Basiswortfolge des Deutschen, in der das Dativobjekt vor dem Akkusativ realisiert wird. Satz (5) ist akzeptabel, da hier zwar die Basiswortfolge verletzt wird, der Dativ aber nach rechts und damit in die Position, auf die im Deutschen der Satzakzent fällt, rückt. Als Antwort auf die Frage Was hast du dem Kassierer gegeben? ist Satz (6) sowohl auf syntaktischer als auch auf informationsstruktureller bzw. prosodischer Ebene als unproblematisch einzustufen, während hingegen Satz (7) für Primus insofern weniger akzeptabel ist, als hier sowohl gegen die Basiswortfolge als auch gegen die Fokuspositionsregel verstoßen wird. (cf. Primus 1993, 892)

(4) dt. Ich habe [dem KASSIERER] das Geld gegeben.
(5) dt. Ich habe das Geld [dem KASSIERER] gegeben.
(6) dt. Ich habe dem Kassierer [das GELD] gegeben.
(7) dt. ?Ich habe [das GELD] dem Kassierer gegeben. (Primus 1993, 892)

      Neben pragmatischen, syntaktischen sowie prosodischen Kriterien werden noch weitere Faktoren zur Erklärung der Wortfolge von Sprachen herangezogen. Nach Gutiérrez-Bravo (2006) etwa sind die semantischen Rollen der Konstituenten für die (unmarkierte) Wortfolge verantwortlich.15 Ihm zufolge wird im Spanischen die präverbale Position von jener Konstituente besetzt, die in der von ihm vorgeschlagenen thematischen Hierarchie – hier in Abbildung 10 angeführt – am höchsten steht. Ein Agens besetzt demzufolge eher diese Position als ein Experiencer, ein Thema oder ein lokaler Ausdruck.

      Abb. 10: Thematic hierarchy (Gutiérrez-Bravo 2006, 139)

      Das Modell bietet den Vorteil, dass damit im Spanischen – und analog dazu im Italienischen – auch die (durchaus frequenten) Sätze von Typ (8), die sich aus einem Dativobjekt, einem psychologischem Verb und einem postverbalem Subjekt (OVS) zusammensetzen, als unmarkiert analysiert werden können.16 (cf. Gutiérrez-Bravo 2006, 139)

(8) sp. A ella le gustaron los caballos. (Gutiérrez-Bravo 2006, 139)

      Wie dieser kurze Überblick verdeutlicht hat, entscheiden offensichtlich mehrere – je nach Sprache wohl unterschiedlich gewichtete – Faktoren über die bevorzugte lineare Abfolge von Konstituenten im Satz. Einzelsprachliche Analysen, die zwischen sprachenspezifischen und universalen Eigenschaften differenzieren, sind folglich unverzichtbar.17

      Eine keinesfalls zu vernachlässigende Rolle spielt in diesem Zusammenhang auch die Prosodie, deren Interaktion mit der Informationsstruktur im folgenden Kapitel näher beschrieben werden soll. Im Zuge dessen werden einige grundlegende prosodische Kategorien und Termini eingeführt. Kapitel 3.3 wird sich dem Zusammenspiel zwischen der Prosodie und der Syntax widmen.

      3.2 Informationsstruktur und Prosodie

      Dass prosodische Analysen auch für pragmatisch orientierte Studien unabdingbar sind, gilt heute als selbstverständlich: „Si la pragmática tiene como objetivo identificar los principios generales que determinan el funcionamiento de la interacción verbal, uno de sus cometidos ha de ser el de explicar de qué modo la prosodia interviene en la interpretación.“ (Escandell-Vidal 2011, 194) Die Methoden, die zur Erforschung der Schnittstelle eingesetzt werden, sind äußerst heterogen und reichen von Produktionsexperimenten (cf. Selkirk 2002) und Korpusanalysen (cf. Frascarelli/Hinterhölzl 2007) über Sprecherurteile zur Akzeptabilität von konkret realisierten Konturen und Akzenten in bestimmten Kontexten (cf. Bartels/Kingston 1994) bis hin zu eye tracking-Studien (cf. Watson et al. 2006).

      Relative Einigkeit herrscht heute darüber, dass die diversen Strategien, über die Sprecher zur Markierung der Informationsstruktur verfügen, stets Auswirkungen auf die Prosodie haben. So weisen Foki meist eine prosodische Prominenz auf, während dies für gegebene Information in der Regel nicht zutrifft. Topiks tendieren dazu, eine separate prosodische Phrase zu bilden, und sind in diesem Sinne ebenfalls prominent.1 (cf. Féry/Krifka 2008, 7)

      Féry und Krifka (2008) zufolge sind es universale Prinzipien, nach denen Informationsstruktur kodiert wird. Die Tendenz, dass eine Prominenz bei fokalisierten, nicht aber bei gegebenen Elementen zu beobachten ist, kann durch den effort code erklärt werden. Höherer oder niedriger prosodischer Aufwand reflektiert demnach die Relevanz von Konstituenten (bzw. deren Referenten) für die Kommunikation.2 (cf. Féry/Krifka 2008, 12) Dem entspricht auch Givóns code quantity principle: „The less predictable/accessible a referent is, the more phonological material will be used to code it.“ (Givón 1988, 249) Dass sich auch Topiks prosodisch vom restlichen Teil der Äußerung abheben (und an erster Position stehen), kann auf die Optimierung des Informationsflusses zurückgeführt werden. (cf. Féry/Krifka 2008, 12) Neben der Markierung des Satzmodus bzw. der Sprechakte sowie der Einstellungen der Sprecher erfüllt die Prosodie aus informationsstruktureller Sicht damit zwei zentrale Funktionen.