Christoph Hülsmann

Initiale Topiks und Foki im gesprochenen Französisch, Spanisch und Italienisch


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der einzelnen sprachlichen Ebenen konkret stattfindet und welche Ebenen direkt oder nur indirekt miteinander in Verbindung stehen, werden weiterhin – auch innerhalb der jeweiligen theoretischen Ausrichtungen – kontrovers diskutiert. Dies illustrieren etwa die Beiträge des generativ orientierten Sammelbandes zum Interface zwischen Phonologie und Syntax von Erteschik-Shir und Rochman (2010): „Some of the papers position information structure strictly in the syntax […] whereas others view it as playing an instrumental role in the process of phonological linearization […] while others yet view it as having purely phonological effects.“ (Erteschik-Shir/Rochman 2010, 2)

      Eine definitive Klärung der Frage der Interaktion zwischen den verschiedenen Teilbereichen von Sprache kann angesichts dessen nicht der Anspruch des folgenden Kapitels sein. Vielmehr sollen die grundlegenden Positionen und damit verbundene problematische Aspekte skizziert werden. Kapitel 3.1 widmet sich zunächst der Schnittstelle zwischen der Informationsstruktur und der Syntax. In Kapitel 3.2 wird das Zusammenspiel von Informationsstruktur und Prosodie näher betrachtet.4 Kapitel 3.3 schließlich untersucht die Interaktion zwischen der Prosodie und der Syntax.

      3.1 Informationsstruktur und Syntax

      Die – in generativen Ansätzen auch heute noch gültige – Annahme, dass jede Sprache eine syntaktisch festgelegte Basiswortfolge aufweist, blieb in der Sprachwissenschaft lange Zeit unwidersprochen. Dieser syntaxzentrierte Ansatz wurde jedoch nur bedingt der Feststellung gerecht, dass es offensichtlich Sprachen gibt, in denen auch die Grundwortfolge1 in erster Linie pragmatische Aspekte wie die „relative newsworthiness within the discourse“ (Mithun 1987, 325) reflektiert.2 Li und Thompson (1976, 460) schlugen in diesem Zusammenhang eine Klassifikation von Sprachen in vier Basistypen vor.

      1 subjektprominente Sprachen (indoeuropäische Sprachen)

      2 topikprominente Sprachen (Chinesisch)

      3 sowohl subjekt- als auch topikprominente Sprachen (Japanisch)

      4 weder subjekt- noch topikprominente Sprachen (Tagalog)

      Während das Topik in topikprominenten Sprachen als eineindeutige ausdrucksseitige Entsprechung für die pragmatische topikale Relation angesehen wird und nicht von der Valenz des Verbs oder von semantischen Rollen abhängt, ist das Subjekt in subjektprominenten Sprachen „viel deutlicher in die Syntax eingebunden […] als das Topik“. (Sasse 1982, 268) Das initial auftretende Topik wurde in vielen Sprachen grammatikalisiert, das postprädikative Topik hingegen nur in wenigen. (cf. Primus 1993, 881) Syntaktisch basierte Sprachen weisen folglich eine relativ fixierte Wortstellung auf, wohingegen die Wortfolge pragmatisch basierter Sprachen eher flexibel ist.3 Dieser Umstand impliziert, dass nur in ersteren pragmatisch motivierte Verfahren der Umstellung stark markiert sind. (cf. Mithun 1987, 325)

      Aus der Beobachtung, dass es auch in vielen als syntaxorientiert geltenden Sprachen möglich ist, Konstituenten mit einem gewissen informationsstrukturellen Status in einer bestimmten syntaktischen Position zu realisieren, in der sie ansonsten in der Regel nicht vorkommen, wurde in der Folge geschlossen, dass die Strukturierung von Information einen Sprecher dazu bringen kann (oder ihn gar dazu zwingt), von der kanonischen Wortfolge abzuweichen.4 Wie weit verbreitet heute die Annahme eines Einflusses der Informationsstruktur auf die Syntax ist, zeigt die hohe Zahl an Beiträgen zu Phänomenen wie Topikalisierungen, Fokusbewegungen und scrambling.5 (cf. Fanselow 2008, 398)

      Die Tatsache, dass man anhand von funktionalen Kategorien formale Eigenschaften vieler Sprachen erklären konnte, stellte die in formaleren Ansätzen immer wieder postulierte Autonomie der Syntax weiter in Frage. (cf. Bolkestein 1993, 342) Eine Extremposition wird von Sasse (1982, 267) vertreten, der die Existenz einer autonomen syntaktischen Ebene verneint:

      Die Sprache kennt keine autonome Ebene der Syntax gegenüber einer „Semantik“ und einer „Pragmatik“ […] Syntaktische Kategorien haben die Funktion, Inhalte und Darstellungsperspektiven zu bezeichnen. Hat eine syntaktische Erscheinung die Funktion, einen Inhalt zu bezeichnen, so sprechen wir von einer semantischen Funktion; hat sie die Funktion, die „Verpackung“ des Inhalts anzuzeigen, so sprechen wir von einer pragmatischen Funktion.

      Die zunehmende Bedeutung der Pragmatik manifestiert sich darüber hinaus darin, dass nunmehr vermehrt auch für die Grundwortfolge von Sprachen in erster Linie funktionale Kriterien als ausschlaggebend angesehen werden.

      Für Firbas (1971, 138) weisen Sätze in ihrer Basisabfolge in der Regel einen ansteigenden Grad an kommunikativer Dynamik auf, beginnend mit dem am wenigsten dynamischen Element am Satzbeginn, hin zum dynamischsten am Satzende.6 Givón (1988, 252) erklärt Wortstellungsvariationen von Sprachen anhand pragmatischer Kriterien mit folgendem Prinzip zum Schema in Abbildung 9: „Attend first to the more urgent task.“

      Abb. 9: Ranking of topic-marking devices according to degree of topic predictability (Givón 1984a, zit. n. Givón 1988, 252)

      Das Schema kann folgendermaßen erläutert werden: Ist das Topik einer Äußerung für den Hörer salient, fällt für den Sprecher die Notwendigkeit es zu nennen weg, sodass es gar nicht realisiert werden muss und dementsprechend ein Nulltopik (bzw. ein topic drop) angenommen werden kann. Ist das Topik salient, jedoch von geringerer Salienz als der Kommentar, ist es weniger dringend auszudrücken, sodass es dem Kommentar folgt. Ist die Notwendigkeit das Topik auszudrücken größer als jene zur Realisierung des Kommentars, wird es vor dem Kommentar genannt. Ist das Topik schließlich völlig unvorhersehbar, ist die Notwendigkeit, es auszudrücken am größten, sodass es alleine realisiert werden kann. (cf. Givón 1988, 252–253) Neben der relativen Vorhersagbarkeit (i) ist für Givón die relative Wichtigkeit (ii) der zweite entscheidende pragmatische Faktor für die Wortfolge. Wichtige Information wird vorangestellt.

      1 relative predictability: ‚Given the preceding discourse context, less predictable information is fronted‘.

      2 relative importance: ‚Given the thematic organization of the discourse, more important information is fronted‘. (Givón 1988, 275)

      Abgesehen von der durchaus zu bemängelnden Operabilität des Begriffes Wichtigkeit ist der Zusammenhang zwischen Informationsstruktur und Syntax komplexer, als vielfach angenommen wurde. (cf. Gundel/Fretheim 2006, 185) Herring (1990) resümiert in ihrem Beitrag jene Prinzipien, denen ein Einfluss auf die Wortfolge in Äußerungen zugeschrieben wird. Die Prinzipien (i) und (ii) konkurrieren miteinander. Das Prinzip (ii) entspricht grosso modo Givóns Prinzipien der relativen Wichtigkeit und der relativen Vorhersagbarkeit. Das Prinzip (iii) berücksichtigt die Einbettung von Äußerungen in größere Diskurseinheiten. Das Prinzip (iv) schließlich deutet an, dass auch die Informationsstruktur bis zu einem gewissen Grad von den jeweiligen syntaktischen Eigenschaften einer Sprache abhängig ist. Es impliziert ebenfalls, dass die lange Zeit von Seiten der Funktionalisten als universal gültig postulierte Gliederung von Sprachen mit der Abfolge Topik vor Fokus nicht haltbar ist. (cf. Herring 1990, 163)

      1 Gegebene Information vor neuer Information: Dieses Prinzip betrifft die Annahme, dass Äußerungen auf bereits Gegebenem aufgebaut und in der Folge neue Informationen hinzugefügt werden, die die Kommunikation vorantreiben.7

      2 First things first: Nach diesem Prinzip geht jene Information, die am dringendsten ausgedrückt werden soll und die – ausgehend vom vorhergehenden Diskurs – als unerwartet eingeschätzt wird, weniger wichtiger Information voraus.8

      3 Diskursikonizität: Dieses Prinzip besagt, dass Sätze mit dem beginnen, was im Diskurs bereits erwähnt wurde, und mit jenen Elementen enden, über die in der Folge gesprochen wird.

      4 Wortstellung: Diesem Prinzip zufolge wird die Informationsstruktur durch die Basiswortfolge der jeweiligen Sprache bestimmt. VS-Sprachen tendieren eher zur Abfolge Fokus vor Topik im Gegensatz zu SVO- oder SOV-Sprachen. (cf. Herring 1990, 164)

      Für Downing (1995) ist es eindeutig, dass es keinen Algorithmus gibt, der bei konkurrierenden Prinzipien die eine oder andere Wortfolge bestimmt. Gäbe es einen, wäre keine derart große typologische