Annabeth Albert

Frozen Hearts: Arctic Wild


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von seinen Sorgen als Vater zu erzählen, wie es nicht einmal Natalie oder Leticia geschafft hatten. Toby konnte genauso gut entspannt schweigen, wie er Reuben mit Geschichten von anderen Angelausflügen und Touren unterhielt. Und ja, Reuben würde lügen, wenn er nicht zugeben würde, dass das subtile Flirten und das Wissen um Tobys Bisexualität seinem Vergnügen auch keinen Abbruch tat.

      Nicht, dass er irgendetwas mit dieser Anziehung anstellen würde, aber allein ihr leises Summen unter der Oberfläche war belebend – wie Training für seine eingerosteten Flirtfähigkeiten.

      »Los geht's.« Tobys Stimme erklang knisternd über das Headset, als sie über den kleinen See glitten und gefühlt in wenigen Sekunden in der Luft waren, sodass die beeindruckende Landschaft unter ihnen lag. Dann hatte er kaum genug Zeit, um die in der Gegend verstreuten Lavafelder und vielen kleinen Seen zu betrachten, bevor sie schon wieder landeten.

      Brooks Falls war offenbar ein beliebtes Touristenziel, denn Flugzeuge von anderen Reiseunternehmen hatten bereits am Ufer angedockt und auf dem kurzen Wanderweg trafen sie auf viele Touristen. Sie hielten zweimal an, um Ranger und andere Reiseführer zu begrüßen, die Toby kannte, und Reuben war ein wenig beeindruckt, wie viel Respekt seine Kollegen Toby entgegenzubringen schienen. Er wusste bereits, dass Toby charmant war, aber als er sah, wie andere auf ihn reagierten, schätzte Reuben seine Kompetenz noch etwas mehr.

      Im Gehen erzählte Toby ihm von den archäologischen Aktivitäten in der Gegend und den neuntausend Jahre alten Artefakten, die in der Nähe gefunden worden waren. Seine Ehrfurcht vor der Fundstelle beeindruckte Reuben noch mehr. Er beneidete diese tiefe Verbindung zum Land und seiner Geschichte. Und er genoss es so sehr, Toby erzählen zu hören, dass es ihn sogar noch mehr überraschte als der Funke der Anziehung. Er genoss es aufrichtig, Toby um sich zu haben, wie er lange keine Gesellschaft mehr genossen hatte, nicht einmal die seiner Freunde.

      Der Wasserfall war ein breiter Streifen rauschenden Wassers, der die gesamte Breite des Flusses einnahm. Da der Weg an den hölzernen Aussichtsplattformen endete, konnten Touristen nicht direkt ans Ufer heran. Zuerst bemerkte Reuben lediglich die unberührte Schönheit der Umgebung.

      »Sieh nach links, auf etwa zehn Uhr. Zwischen den Blättern«, riet Toby.

      »Ist das… ein Bär?« Eine verschwommene, runde Gestalt war gerade so zwischen dem dichten Pflanzenwuchs zu sehen. Der bärenähnliche Schemen war selbst aus dieser Entfernung größer, als Reuben erwartet hatte.

      »Jepp. Wenn wir jetzt warten, kommt er vielleicht heraus und hat möglicherweise Kumpel oder Junge bei sich.«

      Gestern hätte Reuben mit dem Fuß auf den Boden getippt, bis er weitergehen konnte, aber in den letzten vierundzwanzig Stunden hatte sich etwas in ihm geändert. Warten war jetzt keine Herausforderung mehr, nicht, solange es all diese Details zu betrachten gab – Baumstämme, die im Wasserfall hinabstürzten, andere interessante Schemen am Fluss, die zu Tieren gehören könnten, der wunderschöne Kontrast zwischen dem tiefblauen Fluss und dem strahlend blauen Himmel.

      Ich habe das vermisst. Er merkte erst, dass er den Gedanken tatsächlich ausgesprochen hatte, als Toby ihn anlächelte und nickte.

      »Komisch, dass so viele Leute irgendwann zu beschäftigt für die Natur sind und fast vergessen, dass sie noch da draußen ist«, sagte er verständnisvoll.

      »Ja.« Erinnerungen strömten auf Reuben ein – das Camp als Kind, dann als Student die Sommer am Meer in Jersey, danach kurze Ausflüge und Urlaube, aber irgendwo hatte er den Jungen verloren, der er gewesen war, als er im Camp zum ersten Mal aus dem Bus gestiegen war und über die sich endlos erstreckenden Bäume und die verschiedenen Gerüche und Geräusche gestaunt hatte. Und vielleicht war es das, was er meinte – nicht, dass er das hier vermisste, einen Ort, an dem er noch nie gewesen war, sondern dass er dieses jüngere Ich vermisste und die Freude, die er früher aus der Natur geschöpft hatte.

      Während er darüber nachdachte, tappte der Schatten am Ufer aus den Bäumen heraus. Es war ein großer Braunbär und Toby hatte tatsächlich recht gehabt, denn er wurde von einem weiteren, etwas kleineren Bären begleitet. Sie wateten ins Wasser hinaus.

      »Sie sind so groß. Und es ist erstaunlich, wie sie das Wasser aushalten.« Das wenige, das in Reubens Wathose gesickert und auf seine Haut gespritzt war, war eiskalt gewesen. Er könnte auf keinen Fall darin schwimmen.

      »Sie sind es gewohnt. Und siehst du, wie sie spielen?« Toby deutete zu dem größeren, der jetzt auf der Klippe vor dem Wasserfall stand, sicher ausbalanciert mitten im reißenden Wasser. »Sie suchen sich ihr Abendessen, aber sie haben auch Spaß.«

      Reuben spürte es ebenfalls – die Tiere strahlten eine starke Zufriedenheit aus. Nicht, dass er näher kommen und testen wollte, wie gutmütig sie tatsächlich waren. »Sind wir ihr Abendessen?«

      Tobys Lachen über seinen schlechten Witz fuhr Reuben mitten in die Brust. Er hatte ein großartiges Lachen, voll und tief, und in seinen Augenwinkeln bildeten sich Lachfältchen. »Heute nicht. Die Ranger sorgen dafür, dass hier alles gut überwacht und gesichert bleibt. Normalerweise ist es so, dass du dich vom Bären fernhältst und er sich im Gegenzug auch von dir fernhält, aber du kannst auch einige Dinge tun, um dich zu schützen.«

      »Zum Beispiel?« Es überraschte Reuben, wie wichtig ihm die Antwort war. Er war nicht länger nur höflich und stellte weiterhin Fragen über Sicherheit und Bären, während sie zum Flugzeug zurückwanderten. Toby erzählte ihm mehrere Geschichten über heikle Begegnungen, die er über die Jahre hinweg mit verschiedenen Reisegruppen gehabt hatte, und als sie wieder beim Flugzeug ankamen, hatte Reuben vergessen, wegen des kurzen Rückflugs zur Hütte nervös zu sein.

      Und als sie gelandet waren, merkte er, dass er nicht unbedingt gleich ein Handysignal suchen, sondern sich stattdessen noch nicht von Toby trennen wollte.

      »Haben wir vor dem Abendessen noch Zeit?«, fragte er.

      »Ein wenig. Vielleicht nicht genug für ein Nickerchen, aber mehr als genug für eine Dusche oder einen Vorgeschmack auf die Sauna oder den Whirlpool auf der Terrasse der Haupthütte.«

      »Vielleicht nehme ich den Whirlpool«, gab er zu. »Was ist mit dir? Nutzt du die Anlagen hier überhaupt?«

      »Das habe ich schon getan, ja«, sagte Toby langsam.

      »Würdest du dich zu mir gesellen?« Zu spät erkannte Reuben, wie direkt das klang, und seine Stimme war leiser als beabsichtigt.

      »Ich sollte nicht.« In Tobys Lachen schwang leichtes Unbehagen mit.

      Reuben war gegen die Grenze zwischen ihnen gestoßen – das war nicht der Beginn einer Freundschaft, egal, wie angenehm es sich anfühlte. Toby wurde bezahlt, um zu jedem freundlich zu sein, und brauchte wirklich keine Anmache von einem alten Kerl wie Reuben.

      »Entschuldige«, sagte er schnell. »Ich wollte nicht andeuten…«

      »Ach nein, kein Problem.« Toby tat Reubens Sorge mit einem Winken ab. »Ich muss in Fishhook anrufen und unsere Pläne für morgen bestätigen. Aber es ist nicht… nicht so, als wäre es nicht verlockend, weißt du?«

      »Ich verstehe. Dann gehe ich wohl zu meiner Hütte.«

      »Klingt gut.« Toby bedachte Reuben mit einem prüfenden Blick, der sich anfühlte, als könnte er tief in ihn hineinsehen, und etwas wanderte zwischen ihnen hin und her, ein kurzes, heißes Knistern – ein wortloses Anerkennen der gegenseitigen Anziehung, bei dem Reuben die Wärme ins Gesicht schoss. Aber in Tobys Augen stand auch Bedauern.

      Und Reuben verstand es wirklich. Toby hatte Prinzipien, aber das änderte nichts daran, dass Reuben doch etwas enttäuscht war, während er allein zu seiner Hütte ging. Er musste über sich selbst lachen. Craig würde das bestimmt urkomisch finden. Er hatte Reuben gesagt, dass er Spaß haben sollte, aber damit hatte er wahrscheinlich nicht gemeint, dass er sich nach dem Reiseführer verzehren sollte wie ein Junge, der im Sommerlager für die Betreuerin schwärmte.

      Aber ihr seid beide unabhängige Erwachsene… Reuben konnte Craigs Einwand fast hören. Und ja, das waren sie. Prinzipien waren wunderbar und Reuben konnte sie respektieren,