war nicht bewusst, dass man sich mit einem Club, der noch dazu im Moment nichts abwirft und eigentlich nur Kosten verursacht, solche teuren Autos leisten kann. Noch ein Zeichen dafür, dass ich so gut wie nichts über Jay weiß, er über mich aber schon eine ganze Menge. Vielleicht ist das alles nur Kulisse und er ist ein verdammter Blender. Ich kenne nicht mal seinen vollständigen Namen ... Darum frage ich ihn jetzt gerade heraus: »Jay?«
Er konzentriert sich auf die Autos hinter uns, während er den Blinker setzt und sich in den Abendverkehr einreiht, dabei murmelt er nur ein leises: »Hm?«
»Wie heißt du eigentlich?«
Jetzt habe ich seine ganze Aufmerksamkeit. Er dreht den Kopf zu mir und grinst mich an, bevor er seine Konzentration wieder auf die Straße lenkt.
»Was meinst du damit?« Er gibt Gas, sodass ich in den Sitz gepresst werde, bevor er an einer roten Ampel anhalten muss. Will er mich etwa von meinen Fragen ablenken? Aber da muss ich ihn leider enttäuschen.
»Ich kenne nur deinen Vornamen und auch sonst weiß ich so gut wie nichts über dich.«
»Du wirst mich kennenlernen, versprochen.«
Er greift nach meiner Hand und haucht einen Kuss darauf. Das war’s. Keine weitere Erklärung. Zumindest seinen Nachnamen hätte er mir verraten können. Ich fühle Panik in mir aufsteigen. Keiner weiß, wo ich heute Abend hingehe und mit wem. Am Ende ist er ein Krimineller, ein Serienmörder oder Psychopath, der es nur darauf abgesehen hat, mich zu entführen und dann weiß Gott was mit mir zu tun.
Ich schaue ihn perplex von der Seite an, aber Jay denkt nicht im Traum daran, weiter auf meine Frage einzugehen, stattdessen greift er das Thema mit der Harley wieder auf.
»Das nächste Mal hole ich dich mit einem Motorrad ab«, verspricht er und zwinkert mir zu. Immer noch ernüchtert und mit einem schwammigen Gefühl in der Magengegend nicke ich, während ich mich für den Rest der kurzen Fahrt in Schweigen hülle.
Der kühle Abendwind streift mich leicht und Jay schaltet das Radio ein. Die markante Stimme von Adele erhellt das Wageninnere, was die angespannte Atmosphäre sofort wieder glättet.
»Wo fahren wir hin?«, will ich wissen.
»Ich dachte an etwas Unkonventionelles.«
Ich nicke wieder, da diese Information alles und nichts aussagt. Vielleicht ist es auch einfach seine Art, mit Informationen hinter dem Berg zu halten. Manchmal könnte ich mich für meine Offenheit wirklich ohrfeigen. Aber so bin ich nun mal.
»Hast du den Abschluss machen können?«, wendet er sich kurz an mich, ohne den Verkehr aus den Augen zu lassen.
Er hat es nicht vergessen. Ich lächle ihn an. »Ja, ich habe das Haus verkauft. Es war wie ein Spaziergang. Der Verkäufer hat mich regelrecht gedrängt, den Vertrag zu unterschreiben. Meistens ist es eher anders herum.«
»Das freut mich für dich.«
»Eine Sache verstehe ich allerdings nicht.«
»Was meinst du?«
»Als ich den Käufer gefragt habe, wie er auf unser Maklerbüro gekommen ist, hat er mir geantwortet, er käme auf Empfehlung von J. Edwards.« Jay hat seinen Blick starr auf die Straße gerichtet und murmelt irgendetwas, das ich nicht verstehen kann.
»Kapierst du das? Ich meine, J. Edwards bietet diese Immobilie ebenfalls an und die Provision ist verdammt hoch«, sage ich kopfschüttelnd.
»Vielleicht wollte er etwas gutmachen.«
Ich muss erstickt auflachen.
»Gutmachen? Nein, das glaube ich nicht. Irgendetwas stimmt nicht mit dem Objekt, oder mit dem Käufer. Vielleicht war es auch eine Falle. Der Klient kam mir auch äußerst geheimnisvoll vor; Er wollte mir nicht sagen, was er mit dem Haus vorhat. Okay, das ist natürlich seine Entscheidung und es geht mich auch nichts an, aber trotzdem, seine Antwort war schon sehr mysteriös. Normalerweise erzählen die Kunden recht offen von ihren Plänen.«
»Soll ich ihn für dich überprüfen lassen? Ich kenne so einige Leute, die das machen können.«
»Was meinst du?« Diese Frage könnte ich mir eigentlich schenken.
Er zuckt nur mit den Achseln, geht aber nicht weiter auf das Thema ein.
»Das kannst du dir sparen. Mister Fullerton hat mir heute mitgeteilt, dass er die Firma verkaufen wird.«
»Ach!«
»Er hat mir zwar versichert, dass der neue Inhaber mich und meine Kollegin übernehmen wird, aber welche Garantie habe ich schon?«
»Du weißt doch, bei mir ist noch eine Stelle frei«, verspricht er mir zwinkernd.
»Würdest du dich in einem Büro wohlfühlen oder Klienten Häuser zeigen?«
»Ich denke nicht.«
»Siehst du, ich liebe meinen Job«, versuche ich, ihm zu erklären, dass ich unmöglich als Kellnerin bei ihm arbeiten kann. Nicht dass ich diesen Beruf abwerten möchte, aber dafür habe ich nicht studiert, und das Gehalt, das ich verdiene, könnte Jay mir nicht zahlen.
»Wie heißt der neue Club überhaupt? Oder behaltet ihr den Namen?«, wechsle ich schnell das Thema.
Jay schüttelt verneinend den Kopf.
»Nein, er wird Dark Angels heißen«, sagt er grinsend, bevor er am Straßenrand in eine freie Parklücke fährt.
10 – Jay
Middle East prangt auf dem Schriftzug, der sich über den Eingang schlängelt. Ich war schon häufiger hier. Immer dann, wenn Ash und ich auf der Suche nach einer passenden Partnerin waren. Der Laden passt haargenau zu uns. Die Leute, die hier verkehren, sind unkonventionell und zwanglos. Die Vorderfront, die kunstvoll mit Graffiti bemalt ist und Menschen der unterschiedlichsten Nationalitäten abbildet, lässt erahnen, dass es sich hier um einen legeren Club handelt.
Ich öffne Sunday die Tür und lasse sie zuerst eintreten, ganz der Gentleman, der ich im Grunde gar nicht bin. Doch ich weiß genau, wie ich einer Frau imponieren kann, und bei Sunday kann ich einfach nicht anders. Ich muss sie ziemlich verschreckt haben, als ich ihre Frage nach meinem Namen im Wagen nicht beantwortet habe. Mein Gott, wie hätte ich ihr erklären sollen, wer ich in Wirklichkeit bin? Mir ist vollkommen klar, dass ich es nicht mehr lange aufschieben darf. Die Sache fängt langsam an, aus dem Ruder zu laufen. Aber wer hätte gedacht, dass diese Frau mehr für mich bedeutet, als ein kurzes Abenteuer?
Aus dem Inneren dringt uns eine stimmungsvolle Geräuschkulisse entgegen. Bis auf zwei Tische sind alle besetzt. Weiter hinten auf der Bühne macht sich bereits die Band bereit, die Stimmung noch mehr anzuheizen. Angetörnt von der ausgelassenen, lockeren Atmosphäre, bewegt mein Goodgirl die Hüften zum Takt der Musik. Ich folge ihr, während mein Blick sich an ihrem Hintern festsaugt. Sie bleibt stehen und dreht sich zu mir um. Am liebsten würde ich sie in die nächste Ecke ziehen, meine Hände unter ihr Shirt schieben und ihre Titten liebkosen.
Aber ich tue es nicht, sondern zeige mich von meiner charmantesten Seite, deute auf einen der freien Tische in der Mitte des Restaurants. Wir schieben uns durch die engen Reihen, sie immer dich hinter mir, bis ich nach ihrer Hand greife. Die Geste scheint ihr zu gefallen, denn jetzt lächelt sie mich liebevoll an. An unserem Tisch angekommen, drehe ich mich um, nehme ihr die Jacke ab und ziehe ihr den Stuhl zurück.
»Danke«, ruft sie mir zu.
»Nicht dafür.« Ich lege den Kopf zur Seite und grinse sie herausfordernd an, was sie mit einem weiteren zärtlichen Lächeln belohnt.
Ich rücke meinen Stuhl zurück und setze mich ihr gegenüber, während ich ihre Jacke auf den freien Stuhl zwischen uns lege. Als ich mich vorbeuge, ihr tief in die Augen schaue und nach ihrer Hand greife, hält sie kurz die Luft an. An ihrer Halsschlagader kann ich ihren Herzschlag erahnen, der sprunghaft in die Höhe geschnellt ist.
»Ich hoffe, du verlangst nicht von mir, zu singen«, versucht sie, ihre Unsicherheit zu überspielen.