Frank Cobb Walter

Leipzig - Neubau, Sanierung und Verfall


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eine Betonsohle hergestellt.

      Hier, am einstigen Königsplatz, wurden die Reste der ehemaligen Petersvorstadt ausgegraben. Die Petersvorstadt wurde 1943 durch Bombenangriffe völlig zerstört. Im Zusammenhang mit dem Tunnelbau haben die Stadtplaner die Reaktivierung des alten Königsplatzes und der Petersstadt ins Auge gefasst. (s. hierzu Abschnitt „Wilhelm-Leuschner-Platz“)

      Stand derAusgrabungen Oktober 2004

      Die letzte Station ist der Bayerische Bahnhof.

      Dieser Bahnhof ist der einzig erhaltene von ehemals fünf Leipziger Kopfbahnhöfen und Repräsentant des Bahnhofstyps der Pionierzeit der Eisenbahngeschichte.

      1844 errichtet, ist er der erste Kopfbahnhof der Welt.

      Hier wurde die Tunnelbohrmaschine in die Erde gebracht. Ihre Aufgabe war sowohl der Vortrieb als auch der Tunnelbau von der Station Bayerischer Bahnhof bis zum Hauptbahnhof.

      Sie wurde von der Fa. Herrenknecht AG, Schwanau speziell für die Anforderungen des Projekts "City-Tunnel Leipzig" entwickelt (Modellfotos omniphon GmbH).

      Tunnelbohrmaschine der Fa. Herrenknecht

      Die TBM ist 65 m lang und 800 Tonnen schwer. Sie ist mit einem seismologischen Vorauserkundungssystem ausgestattet, das es ermöglicht, den Untergrund bis 40 m im Voraus abzutasten, um geologische Hindernisse, wie z. B. Sandstein – Monolithen oder fossile Baumstämme, festzustellen.

      Ein lasergestütztes Vermessungssystem erlaubte ständig die genaue Standortbestimmung der Maschine. Das Leergewicht der TBM beträgt 1.100 Tonnen und die Gesamtleistung der Maschine 2.500.000 Watt.

      Kernstück ist das Schneidrad. Es hat einen Durchmesser von 9 m und wiegt 100 Tonnen. Das Schneidrad ist mit 176 Schälmessern, 42 Schneidrollen und 16 Räumern ausgerüstet.

      Schneidrad der TBM

      Da hier im Grundwasser gearbeitet werden musste, kam das abgetragene Material verflüssigt aus der Bohrstelle. Das Gestein wurde danach vom Wasser getrennt und abtransportiert.

      Eine der wohl spektakulärsten Aktionen war die Verschiebung des Portikus.

      Um Platz für die Tunnelarbeiten zu schaffen, musste das 163 Jahre alte und 2.800 Tonnen schwere Bauwerk nach Osten verschoben werden. Zu diesem Zweck wurden zwei teflonbeschichtete Gleitbahnen unter die alten Fundamente gelegt. Mit einer Geschwindigkeit von etwa 5 m/h bewegten 20 Zylinderpressen den Koloss.

      Standort des Portikus nach der Verschiebung

      Am 10. 4.2008 wurde das Bauwerk um etwa 32 m nach Osten verschoben. Nach ungefähr 10 Stunden hatte der Portikus seinen vorübergehenden Standort erreicht. Am 30. Oktober 2009 waren dann die Bauarbeiten so weit fortgeschritten, dass der Portikus wieder an seine alte Position zurück geschoben werden konnte.

      Die Arbeiten begannen um 13:15 Uhr und dauerten bis in die Abendstunden. Der Portikus wurde mit 24 hydraulischen Pressen um 5 Millimeter angehoben und dann mit einer Zugkraft von 60 Tonnen auf mit Teflon belegten Fahrrinnen bewegt.

      Nach Überwindung der Strecke von 30,5 m stand der Portikus nach 7 Stunden und 26 Minuten wieder an seinem alten Platz.

      Damit die Züge künftig das Vorfeld des Bayerischen Bahnhofs auf verschiedenen Ebenen verlassen können entstand hier das „Kreuzungsbauwerk Süd“.

      Die gesamten Bauarbeiten waren unter komplizierten Bedingungen auszuführen:

       die Tunnelröhren mußten unter einer dichtbebauten Innenstadt vorangetrieben werden, so betrug z. B. der Abstand zu den Fundamenten des Marriott-Hotels nur knapp 3 m

       schwierige Bodenverhältnisse - harte Quarzite, wasserführende Sande, Flussschotter der Flüsse Pleiße, Mulde, Saale, Ilm (das innerstädtische Gebiet Leipzigs wird von 211 km Fließgewässer und mehreren Mühlengräben durchzogen)

       Kohleflöze - unter dem Hauptbahnhof mit einer Mächtigkeit von 12 m

       zahlreiche Versorgungsleitungen, unbekannte Kanäle

       Kampfmittel aus dem 2. Weltkrieg, die durch den Einsatz von Munitionssuchern aufgespürt und entsorgt werden mussten

       am früheren Untergrund-Messehaus am Markt traten unerwartet giftige Stoffe auf

       archäologische Funde, die erfasset und ausgewertet wurden

       Durchführung der Bohrarbeiten im Grundwasser (schon in einer Tiefe von 3-5 m)

      Zur Beobachtung des Untergrundes und zur Erkennung von möglichen Setzungen wurden 15 Prüfschächte angelegt.

      Nach Erreichen der Tunnelstation im Hauptbahnhof wurde dort der Bohrkopf zerlegt und in Teilen mit Tiefladern zur Ausgangsposition Bayerischer Bahnhof transportiert. Insgesamt

      waren 8 Transporte vorgesehen.

      Dort erfolgte die Montage für den Bau der zweiten Tunnelröhre. Von der zweiten Tunnelröhre waren am 20.6.2008 495 m gebohrt. Zu der im Rohbau bereits fertiggestellten Station unter dem Leuschnerplatz war die Maschine nur noch 196 m entfernt. 2 Wochen später traf die Maschine in der Station ein. Damit lag das Projekt im Zeitplan.

      Auch das Ausmaß der Bodensetzungen lag im erwarteten Bereich. Früher als erwartet hatte die Bohrmaschine zwischenzeitlich die unterirdische Station Markt erreicht - am 30. September 2008, ca. 17°° Uhr!

      Nach Erreichen dieser Station war das Bohren der Tunnelröhren abgeschlossen. Mit Stand Dezember 2009 wurden bei 38 Gebäuden lediglich kleinere Schäden festgestellt. Wie aus der Bilderschau City-Tunnel ersichtlich, waren inzwischen im nördlichen Gleisvorfeld des Hauptbahnhofs einige Gruben mit einer Tiefe von bis zu 20 m und einer Länge von 100 m entstanden.

      Mitte August 2008 waren diese Gruben noch mit Grundwasser gefüllt. Taucher dichteten den Boden mit Betonsohlen ab, damit das Grundwasser abgepumpt werden konnte. Damit in den Stollen gearbeitet werden konnte, wurden die Stollenwände zur Verhinderung des Eindringens von Grundwasser vereist.

      Unter der Westhalle des Hauptbahnhofs lief von zwei Seiten der Vortrieb der Stollen, die die Teilgruben verbinden, die sich unter dem Innenstadtring und der Bahnsteighalle befinden.

      Am 31.10.2008 erfolgte der Durchbruch an der Station Hauptbahnhof, damit konnte man das erste Mal per Fuß unter der Stadt bis zum Bayerischen Bahnhof laufen! Nach Austritt aus dem Bayerischen Bahnhof verläuft die Trasse oberirdisch weiter. Im Februar 2009 wurden die ersten Abschnitte des rohbaufertigen Tunnels an die Deutsche Bahn AG übergeben.

      Jetzt konnte der bahntechnische Ausbau des Tunnels beginnen. Im Mai 2010 war der Rohbau der Röhren abgeschlossen. Dann begann die Montage des Masse-Feder-Systems, welches verhindert, dass die durch die Züge ausgelösten Schwingungen auf die oberirdischen Bauwerke übertragen werden.

      Noch 2010 wurden die Fahrschienen verlegt. Außerdem wurde in diesem Zeitraum auch der Bahnsteig 6 wieder freigegeben und mit der Verlegung der Schienen begonnen.

      Im März 2011 wurde der Gleisbau in beiden Röhren abgeschlossen.

      Der Zugang zu den 18 m tief liegenden Bahnsteigen der Station Hauptbahnhof war im Mai 2010 rohbaufertig. Die Bahnsteiglänge beträgt 215 m, kann aber im Bedarfsfall bis auf

      400 m verlängert werden. Alle anderen Tunnelstationen sind 140 m lang.

      Auch hier waren die Treppen und Rampen fast rohbaufertig.