Jochen Rinner

Hämmerle


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zum Auto. Maik holte mit Pipers Mann die verschlossene Mulde und sie schoben sie in den Allrad. Dann standen alle im Kreis. Fritz Hämmerle sah zu Dr. Friedrich, der neben ihm stand, seinen Blick erwiderte und sagte: „Der Tote muss umgehend in die Kühlung.“

      „Also sollten wir gleich fahren“, stellte Fritz Hämmerle fest.

      „Ja.“

      „Was haben wir noch zu tun?“, fuhr er fort und blickte in die Runde. „Der Zweig war gleich links oberhalb vom Fundort und rechts steckt noch der Korb im Laub.“

      „Welcher Korb?“, fragte Maik erstaunt.

      „Ein Spankorb“, erklärte er und wies in die Richtung. „Guckt dort oben mit einer Ecke aus den Blättern.“

      „Den sollten wir uns noch ansehen, mehr Zeit bleibt uns sowieso nicht. In der Dämmerung können wir nicht weitermachen, wir müssen morgen noch mal her.“ Zum Doc gewandt sagte Maik: „Es dauert vielleicht eine Viertelstunde bis zwanzig Minuten. Haben wir die noch?“

      „Ja, schon, wenn’s nicht mehr wird. Dann lauf ich schon mal zu meinem Auto und fahre los.“

      „Wenn wir morgen weitermachen, müssen wir dann sichern?“, fragte Fritz Hämmerle Herrn Piper.

      „Wird nicht nötig sein, wäre auch sehr aufwendig. Bis jetzt hat die Presse keinen Wind bekommen. Ich hoffe jedenfalls, dass sie nicht schon unten steht. Also keine Informationen nach draußen, bis Sie hier fertig sind.“

      „In der linken Hosentasche war eine einfache Geldbörse“, sagte Maik, „nur für Kleingeld und Scheine, mehr als zweihundert Euro, sonst nichts, kein Ausweis oder irgendwas anderes.“

      Fritz Hämmerle wandte sich an Piper: „Wenn Ihre Frau Wegmüller nichts gefunden hat, haben wir nicht den geringsten Anhaltspunkt, wer der Tote ist.“

      Piper zuckte nur mit den Schultern und da keiner mehr etwas sagen wollte, beschloss er: „Also geht es morgen weiter, wie besprochen.“

      „Erst den Korb“, sagte Maik und wandte sich an Rafi: „Du kommst am besten gleich mit.“

      Dieser fotografierte die herausschauende Ecke des Korbes, dann machte er Bilder von der Position. Maik legte den Korb frei und es war bereits so düster, dass Rafi den Blitz verwendete.

      Sie bemerkten beim Herausnehmen des Korbes einen fast verrotteten Pilz, der an den Holzspänen klebte. Maik hielt ihn Rafi passend vors Objektiv und steckte den Korb in den Beutel.

      Maik fuhr seinen Transporter vom Steinbruch zur Straße. Fritz Hämmerle wäre lieber dort ausgestiegen, wo sie zuvor eingestiegen waren, und das letzte Stück gelaufen. Er stemmte seine Füße gegen das Bodenblech und fasste nach dem Griff über der Tür.

      Unten angekommen stöhnte er vor Erleichterung leise auf. Auf Maiks amüsierten Blick reagierte er nicht und sagte zu Piper, bevor der zu seinen Leuten ins eigene Auto stieg: „Wir melden uns morgen Vormittag, wenn wir im Präsidium abfahren.“

      Niemand redete im Auto. Rafi saß hinten, seinen Laptop auf den Knien und arbeitete an seinen Aufnahmen. Maik fuhr, wohl erschöpft nach vorn gebeugt, mit den Unterarmen auf dem Lenkrad.

       Es gibt auch nichts zu reden, sann Fritz Hämmerle vor sich hin. Der dort hinten in der Edelstahlbüchse verrät uns nichts, hatte nicht mal ’ne Brieftasche einstecken, aber die kann ihm auch aus der Tasche gefallen sein, als er abgestürzt ist. Sieht ja ganz aus nach Tod beim Pilzesuchen, wie vor 35 Jahren. Eine Brieftasche zwischen den Steinen und unter dem Laub ist wie eine Nadel im Heuhaufen zu suchen. Sollten wir gleich Leute mitnehmen, die die Unmengen Laub wegräumen? Nein, das lassen wir tunlichst, vorerst. Morgen früh also als Erstes in die Pathologie und dann müssen wir hoch auf die Steilwand.

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      Maik Haberland löscht die Scheinwerfer und verharrt in der Küchentür. Das kleine Fenster der Dachgaube lässt wenig Tageslicht herein. Er drückt die Schalter neben der Tür für die Hängelampe über dem Tisch und die Deckenleuchte. Das ist ihm hell genug.

      Die Küche ist neu und weinrot, die Arbeitsplatte eine Kugelgranitimitation, ein hoher Schrank neben der Tür zum Flur mit Kühlschrank, dann Edelstahlbecken, Spülmaschine, Herd mit Dunstabzugshaube, auch in Edelstahl. Keine Hängeschränke. Die Kaffeemaschine am Ende der Arbeitsplatte sieht richtig teuer aus. Maik Haberland öffnet den Kühlschrank: das typische Geräusch klappernder Flaschen in den Türfächern, Bier, Wodka, Mineralwasser, ein Wein, halb leer, mit flüchtig aufgestecktem Korken. Er nimmt die Flasche heraus und liest das Etikett gerade so laut, dass Fritz Hämmerle es hört, der in der Tür stehen geblieben ist und zusieht, eher aber im Nacken die Frau spürt, die noch hinter ihm liegt.

      „Ungarisch“, sagt Herr Haberland und stellt sie zurück. Dann öffnet er alle Schränke und Schubladen, schaut in den Abfallbehälter und meint: „Keine leeren Flaschen, keine benutzten Gläser. Viel Alkohol scheint nicht im Spiel gewesen zu sein, eher Mineralwasser und Kaffee.“

      Sie hören Schritte im Flur. Seine beiden Kollegen sind an der Tür. „Wir sind fertig“, sagt der eine und Maik Haberland antwortet: „Gut, dann packt ein, geht aber erst runter – Bartel sitzt noch hinter seinem Lenkrad – und bringt Rita zum Auto. Bartel soll dann gleich fahren.“

      Die beiden gehen zum Treppenhaus und Maik Haberland zurück in den Nebenraum. Das Licht aus der Küche fällt scheu auf die tote Frau. Er geht zu ihr, fasst dann das Laken und deckt sie ganz zu.

      Er kommt wieder in die Küche und schließt die Tür hinter sich. Dann steht er vor dem Tisch am Fenster und sagt: „Eine Kaffeetischromanze: rosa Tischdecke, an jedem Platz eine große Blümchentasse, Blümchen auf der Untertasse, Frühstücksbrettchen aus Teakholz, passendes Schneidbrett mit dem Rest von einem Baguette, Kaffeesahne, Butterglocke, ein Glas Erdbeermarmelade. Einer von beiden war nicht hungrig, das Messer ist unbenutzt, keine Brösel. Der andere scheinbar sehr, sogar auch auf dem Fußboden unter seinem Platz sind Brösel.“

      „Wenn das der Rest von einem ganzen Baguette ist, war’s ein üppiges Frühstück für eine Person.“

      „Durch die Fingerabdrücke wissen wir, wer von beiden gegessen hat, und der Pathologe wird es uns auch sagen.“ Er schaut in die Tassen. „Der Kaffeerest in der Tasse am Platz ohne Brösel ist vollständig eingetrocknet, der in der anderen nicht. Bald gibt es keinen Unterschied mehr. Wir fotografieren das besser.“

      Er läuft in den Flur, die Verschlüsse des Alukoffers klicken. Dann kommt er zurück und fotografiert ausgiebig.

      „Und wie ist das hier abgelaufen?“

      Maik Haberland stöhnt und antwortet schließlich, ohne vom Tisch aufzuschauen: „Aus der einen Tasse wurde zuletzt etliche Zeit vorher getrunken und aus der anderen vielleicht zu der Zeit, als Rita nebenan langsam starb. Aber wie kann man da sicher sein? Das wird nie als Beweis taugen.“

      „Haben wir bis jetzt überhaupt was? War es Mord oder nicht?“

      Maik Haberland scheint nichts sagen zu wollen. „Ist das jetzt Ihr Fall, Herr Hämmerle?“

      „Wäre ein bisschen viel für den ersten Arbeitstag. Ich soll im Umfeld noch recherchieren, hat der Chef gesagt, und das Protokoll mit der Reinigungskraft anfertigen.“

      Maik Haberland sagt auch dazu nichts und geht seinen Leuten entgegen, die mühsam versuchen, die Mulde vom engen Treppenhaus hereinzubekommen.

      „Ich schau mir noch die hinteren Räume an“, sagt Fritz Hämmerle. „Was ist da eigentlich?“

      „Rechts sind nur fensterlose Speicher unter den Dachschrägen, links sind ein weiterer Arbeitsraum und noch zwei Zimmer, die Wohnräume der beiden.“

      Fritz Hämmerle geht in das nächste Zimmer.

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      „Hallo, Fritz! Schläfst du wieder mit offenen Augen wie ein Karnickel? Also echt!“

      „Waas?“

      „Dein Handy vibriert,