American Free Trade Agreement (NAFTA) zu verabschieden. Er wurde berühmt dafür, sich gegen den linken Flügel seiner eigenen Partei gestellt zu haben, flog heim nach Arkansas, um der Exekution eines hirngeschädigten Gefangenen beizuwohnen, und distanzierte sich in aller Öffentlichkeit von der Rapperin Sister Souljah. Er arbeitete mit Republikanern im Kongress zusammen, um Sozialausgaben zu kürzen und den Staatshaushalt zu konsolidieren. Während seiner zweiten Amtszeit verkündete er stolz: »Die Ära von Big Government ist vorbei.«
Das Gesundheitswesen ist sogar ein noch extremeres Beispiel. Ein demokratischer Präsident schuf 1965 ein riesiges, landesweit einheitliches Gesundheitssystem für die Älteren. So liberal Medicare von seiner Konzeption und Ausführung her auch war, es erhielt dennoch 70 republikanische Stimmen im Repräsentantenhaus sowie dreizehn republikanische Stimmen im Senat. Im Gegensatz dazu fußte Obamacare auf Mitt Romneys Modell für Massachusetts und baute auf vielen republikanischen Konzepten und Ideen auf;g es stützte sich beim allergrößten Teil der geplanten Ausgabenerhöhungen auf private Versicherer und opferte letztlich die Option einer staatlichen Finanzierung. Doch so fehlerbehaftet Obamacare von seinem Aufbau her auch war und so verzweifelt die Obama-Administration auch um die Unterstützung beider Parteien rang (Und glauben Sie mir, ich habe über diesen Kampf berichtet: Sie hätte beinahe alles gegeben, um sich die Unterstützung der Republikaner zu sichern), erhielt der Gesetzentwurf nicht eine einzige republikanische Stimme, weder im Repräsentantenhaus noch im Senat.
Es ist leicht zu verstehen, wie ein liberaler Wähler 1965 zu der Auffassung gelangen konnte, die Republikaner seien offen für so etwas wie Medicare: Viele Republikaner waren in der Tat offen für so etwas wie Medicare. Heute dagegen würde sich kein Wähler mehr verwirrt fragen, welche Partei denn nun für eine stärkere Unterstützung des öffentlichen Gesundheitswesens durch die Regierung eintritt. Die Unterschiede zwischen den beiden Parteien sind sehr viel klarer, und die Entscheidung ist sehr viel leichter.
Oder nehmen wir das Thema Abtreibung. 1982 stimmte Senator Joe Biden für einen Verfassungszusatz, der es einzelnen Bundesstaaten ermöglicht hätte, die Grundsatzentscheidung des Obersten Gerichtshofs im Fall Roe gegen Wadeh zu kippen. Er nannte es zu diesem Zeitpunkt »das schwierigste Votum meiner gesamten Zeit als US-Senator«. Biden, der praktizierender Katholik ist, gab als Erklärung für seine Entscheidung seinen familiären Hintergrund an. »Ich bin wahrscheinlich ein Opfer oder vielmehr ein Produkt – wie immer Sie das auch nennen wollen – meiner Herkunft.« Doch wie Anna North, meine Kollegin bei Vox, gezeigt hat, war er auch ein Produkt seines politischen Moments.[20]
Präsident Gerald Ford lehnte Roe aus tiefstem Herzen ab, doch sein Vizepräsident, Nelson Rockefeller, hatte als Gouverneur von New York Abtreibungsbeschränkungen außer Kraft gesetzt. Die republikanische Plattform 1976 nannte Abtreibung »eine der schwierigsten und kontroversesten [Fragen] unserer Zeit«[21] und erkannte später die Spaltung innerhalb der Republikanischen Partei an, indem sie erklärte: »Es gibt diejenigen in unserer Partei, die die vollständige Unterstützung der Entscheidung des Supreme Court befürworten, welche Abtreibung auf Verlangen gestattet. Und es gibt andere, welche die sichere Überzeugung teilen, dass die Entscheidung des Supreme Court durch einen Verfassungszusatz zu verändern ist, der sämtliche Abtreibungen verbietet.« Im Kongress stimmte ungefähr dieselbe Anzahl von Republikanern und Demokraten gegen Abtreibung. Umfragen zeigten, dass Demokraten und Republikaner mit etwa gleicher Wahrscheinlichkeit sagten, Abtreibung solle entweder unter allen Umständen legal oder in jedem Falle illegal sein.
Heute sagt Biden über die Versuche der Konservativen, Roe zu kippen: »Es ist falsch. Es ist schädlich. Und wir müssen es stoppen.«[22] Und moderne republikanische Plattformen nehmen ebenfalls kein Blatt vor den Mund. »Wir stellen ausdrücklich fest, dass das menschliche Leben heilig ist, und bestehen mit Nachdruck darauf, dass das ungeborene Kind ein fundamentales Recht auf Leben hat, das nicht angetastet werden darf«, heißt es auf der Plattform der GOP 2016. Weit entfernt von dem Eingeständnis, dass es auch in den eigenen Reihen Befürworter des uneingeschränkten Rechts auf Abtreibung gibt, greift sie die Demokraten für diese Position scharf an. »Die beinahe grenzenlose Unterstützung der Demokraten für die Abtreibung und ihre scharfe Ablehnung auch nur der grundlegendsten Beschränkungen führen sie auf dramatische Weise von der amerikanischen Bevölkerung weg«, heißt es weiter. Wie im Fall des Gesundheitswesens ist auch hier leicht zu sehen, wie Befürworter eines Rechts auf freie Abtreibung in den siebziger Jahren eine Heimat in der Republikanischen Partei finden konnten, genauso wie Abtreibungsgegner Platz unter Demokraten finden konnten. Heute jedoch bleibt kein Raum für Konfusionen. Demokraten unterstützen Roe. Republikaner sind dagegen. Das haben selbst diejenigen verstanden, die sich ansonsten kaum mit Politik beschäftigen.
Dies hilft, ein besonders augenfälliges Ergebnis von Smidts Untersuchungen zu erklären. Eine der Fragen des American National Election Survey lautet, ob die Wähler das Gefühl haben, die Differenzen zwischen den beiden Parteien tatsächlich zu verstehen. Mit Blick auf die Antworten, die die Befragten über die Jahre auf diese Frage gaben, fand Smidt heraus, dass den Wählern die Unterschiede zwischen den beiden Parteien immer bewusster wurden. Der Wandel war so augenfällig, schrieb er, dass »unabhängige und uninteressierte Wähler ein Bewusstsein für Unterschiede zwischen den Kandidaten im Hinblick auf mehr politische Themen [zeigen] als starke Parteianhänger oder politisch interessierte Amerikaner vor 1980«.[23]
Um es einfacher auszudrücken: Einem Wähler, der heute die amerikanische Politik weitgehend ignoriert, sind die Unterschiede zwischen den beiden Parteien klarer als den Politikjunkies und loyalen Parteigängern 1980. Dies ist ein unfassbares Ergebnis. Aber auch ein offensichtliches. Wählern – selbst uninteressierten – sind die Unterschiede zwischen den Parteien klarer, weil sie größer geworden sind. Einen Esel von einem Elefanten zu unterscheiden ist einfacher, als einen Esel von einem Maultier zu unterscheiden.
In dem Maße, wie die Agenden der Parteien auseinandergedriftet sind, hat sich auch die Sicht einer Partei auf die jeweils andere verändert. Oben habe ich das »Gefühlsthermometer« erwähnt, dessen Ergebnisse extreme Abstürze in der Bewertung der jeweils anderen Partei zeigen. Wenn überhaupt, dann zeugen diese Daten von einer Unterbewertung des Wandels. Es sind die engagiertesten Aktivisten mit den ausgeprägtesten Überzeugungen, die Politik vorantreiben. Und aussagekräftiger als der Rückgang in den durchschnittlichen Bewertungen der anderen Partei ist der Anstieg in den von Panik geprägten Beurteilungen. Pew fand 2014 heraus, dass 37 Prozent der Republikaner und 31 Prozent der Demokraten die jeweils andere Partei als »Bedrohung für das Wohlergehen der Nation« betrachteten. Bis 2016 war dieser Anteil auf 45 Prozent bei den Republikanern und 41 Prozent bei den Demokraten gestiegen.[24]
Doch auch das ergibt perfekten Sinn: Gehören Sie zu jenen Republikanern, die glauben, die Regierung gebe zu viel Geld für soziale Programme aus, sei im Umgang mit illegalen Immigranten zu lasch und viel zu sehr durchsetzt von radikalen Umweltschützern, dann ist die Demokratische Partei in der Tat sehr viel angsteinflößender für Sie geworden. Hat Ihre Besorgnis angesichts des demokratischen Regierungshandelns während der letzten Jahrzehnte nicht zugenommen, dann haben Sie nicht aufgepasst.
Die Frage ist nicht, warum Wähler zuverlässiger parteilich geworden sind, während die Parteien offensichtlichere Unterschiede ausgebildet haben. Natürlich haben sie das. Die Frage ist, warum die Parteien sich so auseinanderdifferenziert haben.
Diese Geschichte dreht sich, wie so viele im Leben in den USA, um die Rassenfrage.
Kapitel 2 Das Dixiekraten-Dilemma
Am Mittwoch, dem 28. August 1957, während der Senatsdebatte über ein verwässertes Bürgerrechtsgesetz, begab sich Strom Thurmond ans Rednerpult und setzte zum berühmtesten Filibuster in der Geschichte der Vereinigten Staaten an. Als Erstes verlas er die Wahlstatuten aller 48 Bundesstaaten. Danach folgten die Unabhängigkeitserklärung, die Bill of Rights, George Washingtons Abschiedsrede und vieles andere. Er bekam eine einzige Toilettenpause, während derer Barry Goldwater an seiner Stelle weitermachte. Er aß einen Imbiss aus kaltem Sirloin-Steak und Pumpernickelbrot, den seine Frau ihm eingepackt hatte, und lutschte Halstabletten. Ab und an wurde seine Stimme so leise, dass sie nicht mehr zu hören war. 24 Stunden und 18 Minuten später endete er mit der Erklärung, er werde gegen die Gesetzesvorlage stimmen. Seine verärgerten