welchen Bedingungen. Im Senat führten Südstaatler »13 der 33 Ausschüsse […] darunter Agriculture, Appropriations, Banking and Currency, Commerce (Handel), Finance (Finanzen) und Military Affairs«.[12]
Der Einfluss, den dies der Region im Kongress sicherte, war beinahe allumfassend. Und nicht nur die Erarbeitung der wichtigsten Gesetzesvorlagen fiel zumindest teilweise in den Zuständigkeitsbereich eines der genannten Ausschüsse. Vielmehr war es so, dass jeder einzelne Senator Interessen hatte, die diese Ausschüsse durchzogen. Ein Liberaler aus dem Norden, der sich kein bisschen um die Rassenfrage scherte, dafür aber umso mehr um das Gesundheitswesen, musste mit dem Vorsitzenden des Ausschusses für Mittel und Wege zusammenarbeiten – und dies konnte sich schwierig gestalten, falls er diesen verärgert hatte, indem er die Bürgerrechte ins Visier nahm, das Einzige also, was dem Vorsitzenden des Ausschusses für Mittel und Wege und allen seinen Kollegen aus dem Süden im Grunde am Herzen lag.
Diese Macht legte Präsidenten genauso sicher an die Leine wie widerspenstige Kongressabgeordnete. Konfrontiert mit einem Gesetzentwurf, der in den späten dreißiger Jahren Lynchjustiz verhindern sollte, sagte Präsident Franklin D. Roosevelt, falls er diesen unterstütze, würden die Ausschussvorsitzenden aus den Südstaaten »jede Gesetzesvorlage blockieren, um deren Verabschiedung ich den Kongress bitte, um Amerika vor dem Kollaps zu bewahren«.[13] Mehr noch, fanden einen die südlichen Demokraten nicht akzeptabel, dann wurde man gar nicht erst als Präsidentschaftskandidat der Demokraten nominiert: Die Partei forderte für die Bestätigung der Kandidatur eine Zweidrittelmehrheit der Delegierten zur National Convention, was bedeutete, dass der Süden de facto ein Vetorecht gegenüber einem ihm feindselig gesinnten Nominierten hatte.
Gleichzeitig war die Allianz des Südens mit der Demokratischen Partei keinesfalls purer Zynismus. Es waren echte Demokraten, deren unverbrüchliche Loyalität gegenüber ihrer Partei zutiefst in regionaler Identität und regionalem Interesse verwurzelt war. Abraham Lincoln war der erste republikanische Präsident; die Feindschaft des Südens gegen die Republikanische Partei daher mit Blut besiegelt. Die Demokratische Partei unterstützte die Umverteilung von den Reichen an die Schwachen – und der Norden war reich, der Süden arm. »Zu Beginn des 20. Jahrhunderts repräsentierten die südlichen Demokraten den linken Flügel der Demokratischen Partei«, sagt Howard Rosenthal, Professor an der Princeton University. »Sie waren im Grunde populistisch. Ging es zu dieser Zeit um Umverteilung, dann um eine vom relativ gut gestellten Norden in den armen Süden. Daher lag die Rassenfrage als Streitthema im Kongress gar nicht auf dem Tisch.«
Doch irgendwann wurde die Rassenfrage zum Streitthema. Die Demokraten wollten nicht einfach nur eine Umverteilung von reichen Weißen im Norden zu armen Weißen im Süden. Sie strebten auch eine Umverteilung von reicheren Weißen zu ärmeren Schwarzen an. Darüber hinaus, beginnend 1948 mit dem Präsidialerlass Nr. 9981 von Präsident Harry S. Truman zur Durchsetzung der Abschaffung der Rassentrennung in den Streitkräften, wurde die Demokratische Partei immer mehr zu einem Vehikel zur Durchsetzung von Bürgerrechten und verriet damit ihre grundlegende Übereinkunft mit dem Süden. Diese Ära war es, in der ein Republikaner – Barry Goldwater, der seinen Wahlkampf von einer Plattform der »states rights«, der Rechte der Bundesstaaten, aus führte – zum ersten Mal einen Großteil der Erwartungen der alten Konföderation in eine Präsidentschaftswahl trug.
Wie es dazu kam, dass die Demokratische Partei die Bürgerrechte auf ihre Fahnen schrieb, ist eine sehr komplexe Geschichte. Sie handelt nicht nur vom Idealismus von Politikern wie Lyndon B. Johnson und Hubert Humphrey, sondern auch von der harten Mathematik, die Wahlbündnisse bestimmt und die, insbesondere im Norden, begann, auch nichtweiße Wähler einzubeziehen. Sie spiegelt den logischen Endpunkt des ökonomischen Progressivismus wider, denn Aufmerksamkeit für die Armen forderte Aufmerksamkeit für die Frage, woran es wohl lag, dass so viele nichtweiße Amerikaner arm blieben. Und ebenso spiegelte sie die strategischen Entscheidungen wider, die die Republikanische Partei auf diesem Wege traf, insbesondere den erfolgreichen Versuch der konservativen Bewegung, die GOP in ein ideologisches Vehikel zu verwandeln, das von Misstrauen gegenüber der Bundesregierung, der Ablehnung von Umverteilung und dem Glauben an Regeln auf bundesstaatlicher und lokaler Ebene geprägt war – attraktive Ideen für Südstaatler, die darauf aus waren, die nationalen Anstrengungen zur Verbesserung sowohl der ökonomischen wie auch der politischen Umstände der Afroamerikaner zu blockieren.
Dennoch blieben die Grenzen zwischen den Parteien im Augenblick des Bruches unscharf. Von unserer heutigen Warte aus, wo es in allen Dingen eine scharfe Trennung zwischen Rot und Blau gibt, erscheint es bemerkenswert, eine Debatte zu betrachten, die das Land polarisiert, ohne die Parteien zu spalten. Doch ebendies war bei der Verabschiedung des Civil Rights Act 1964 der Fall. Wie Geoffrey Kabaservice in Rule and Ruin, einer Geschichte der republikanischen Mäßigung, aufzeigt, »[unterstützten] 80 Prozent der republikanischen Abgeordneten im Repräsentantenhaus den Gesetzentwurf, im Gegensatz zu 60 Prozent der Demokraten«.[14] Den Vorsitz im Justizausschuss des Senats hatte James Eastland aus Mississippi inne – eine Sackgasse für den Gesetzentwurf. Anstatt also den normalen Weg durch die Ausschüsse zu nehmen, wurde die Gesetzgebung von Präsident Johnson und Everett Dirksen, dem Republikaner aus Illinois in seiner Eigenschaft als Minderheitenführer, ausgearbeitet. Die Südstaatendemokraten versuchten, den Gesetzgebungsprozess so lange wie möglich zu verzögern, doch Dirksen scharte 27 der 33 Republikaner um sich, um den Filibuster zu durchbrechen. Am Ende, schrieb Kabaservice, sei es im Senat genauso ausgegangen wie im Kongress. »Ein größerer Teil der republikanischen Senatoren als der demokratischen stimmte für cloture and passage [das heißt eine Beendigung der Debatte und Verabschiedung des] [Civil Rights Act]: mehr als vier Fünftel der Republikaner, jedoch nur zwei Drittel der Demokraten.«
Warum also gelten die Demokraten dann als die Partei, die den Civil Rights Act durchgebracht hat? Hier ist die Antwort einfach. Sie hatten die Mehrheit in beiden Kammern inne und stellten außerdem den Präsidenten. Sie entschieden sich, ihre Allianz mit den Dixiekraten aufzukündigen, um nach mehr Gerechtigkeit zu streben. Bill Moyers, der als Assistent für besondere Aufgaben für Johnson tätig war, erinnert sich, wie er den Präsidenten in der Nacht, nachdem er den Civil Rights Act unterzeichnet hatte, grübelnd in seinem Schlafzimmer vorfand. »Ich glaube, wir haben gerade den Süden für eine sehr lange Zeit an die Republikaner ausgeliefert«, habe Johnson gesagt.[15] Johnson, der als Mehrheitsführer im Senat die Blockade der Südstaatendemokraten gegen die Gleichstellung der Rassen erzwungen hatte, sollte am Ende recht behalten. Es brauchte Zeit, die Vormachtstellung der Demokratischen Partei im Süden zu brechen, doch dies war der Moment, in dem sie zu bröckeln begann.
Also warum wurden nicht die Republikaner zur Partei der Bürgerrechte? Größtenteils, so das Argument von Kabaservice, wegen Barry Goldwater: »Das Ansehen, ja vielleicht sogar der Ruhm, den die Republikanische Partei für ihre Unterstützung des Civil Rights Act 1964 hätte ernten sollen, wurde vollständig zunichtegemacht, als ihr designierter Präsidentschaftskandidat gegen die Maßnahme stimmte.« Und ganz gewiss hat Goldwaters Eintreten gegen die Bürgerrechte einen hohen Preis gefordert. Seine desaströse Wahlkampagne war nur in einer Region des Landes erfolgreich: der alten Konföderation, wo man realisierte, dass es möglich war, den Konservatismus der kleinen Regierungen gegen Versuche der Bundesregierung in Stellung zu bringen, die schlimmen, rassistisch motivierten Verfehlungen Amerikas wiedergutzumachen.
Dies ist also dann die Geschichte der langen Periode der Depolarisierung in der amerikanischen Politik. Der Süden war in der Demokratischen Partei, stimmte jedoch nicht mit ihr überein, insbesondere von dem Punkt an, als die Vision des Liberalismus von Umverteilung und Verbesserung der Lebensumstände vieler Menschen sich dahingehend erweiterte, dass sie auch Afroamerikaner einschloss. Also hatten die südlichen Demokraten ideologische Gründe, Kompromisse mit Republikanern einzugehen, aber politische Gründe, Kompromisse mit den nationalen Demokraten einzugehen. Die Macht des Südens sorgte dafür, dass die Demokratische Partei weniger liberal blieb, als sie unter anderen Umständen geworden wäre, und die Republikanische Partei im Kongress schwächer, als sie unter anderen Umständen gewesen wäre, und hinderte die beiden Parteien daran, sich entlang der Ränder der tiefsten politischen Kluft dieser Zeit zu sortieren.
Hier werden Macht und Zweck des Ticketsplitting in Zeiten gemischter Parteien deutlich. Südliche Demokraten konnten einen Republikaner als Präsidenten wählen und gleichzeitig konservative