Rückkehr der Jedi-Ritter schon gesehen?«
Aurora schüttelte den Kopf. »Ich wollte warten, bis er auf Video erscheint. Meine Eltern fanden den letzten nicht so gut …«
»Ach was, den muss man im Kino sehen«, sagte Brett und schüttelte den Kopf. »Die ganzen Effekte, die Star Destroyer, das Gedonner aus den Lautsprechern – und es dauert noch Urzeiten, bis der auf Video rauskommt. Das sollten wir regeln, Topaz.« Er blickte in den Rückspiegel. »Wir gehen alle zusammen.«
»Klingt gut«, sagte Topaz, und Aurora konnte an ihrem Mund ablesen, dass sie nicht glücklich war.
Ich hätte unsere Eltern nicht erwähnen sollen. Sie hat mir gesagt, dass ich nicht über sie sprechen soll.
Aurora spürte einen Knoten der Anspannung im Bauch. Sie wusste nie, was sie vor Topaz’ Freundinnen und Freunden sagen sollte. Was ihr auch einfiel, es war immer verkehrt. Und es vor Brett verkehrt zu machen war noch schlimmer. Er war der ältere Junge, in den alle verknallt waren, der Star-Sportler, dem sofort ein Dutzend Mädchen zusah, wenn er bloß im Schwimmbecken der Schule trainierte.
Sie empfand eine Mischung aus Dankbarkeit und Ängstlichkeit. Jede in ihrer Stufe – eigentlich jede in der ganzen Schule – würde morden, um auf ihrem Platz zu sitzen. Neben Brett Parker, so nah, dass sie ihn berühren konnte. Und mehr noch, sie war mit der Clique zusammen, mit Benners’ seltsamen, anarchischen, genialen und schönen Freunden.
Es war eine Clique, in die sie überhaupt nicht passte und in die sie nur wegen ihrer Schwester eingeladen worden war. Und es war eine dieser Ironien des Schicksals, dass Topaz gar nicht wollte, dass sie hier war.
Sie blickte wieder zu den Bäumen und der Sonne und malte sich aus, wie die Brise sie hochhob und sanft in ein Paar starker Arme trug. Sie gab den Armen einen Besitzer mit dunklem Haar.
Sie stellte sich vor, wie er zu ihr sprach. Ich habe noch nie so jemanden getroffen wie dich. Du bist mein Ein und Alles.
»Hey.« Coralie beugte sich vor und zeigte den Weg an. »Da musst du abbiegen.«
Am Ende des Satzes stieß sie ein kleines Lachen aus, eine Angewohnheit von ihr, die sie noch kindischer wirken ließ. Zusätzlich zu den pinkfarbenen Kleidern, den Kulleraugen und dem aufgesetzten Staunen über die Welt.
Der Wagen bremste; Aurora bedauerte, dass der flackernde Rhythmus von hell und dunkel langsamer wurde, bis sie ganz im Schatten der Bäume waren, die die Straße überragten. Sie versuchte, das Gefühl festzuhalten, in Armen gewiegt und eingelullt zu werden, doch Coralie öffnete schon die Tür, und Brett zog den Schlüssel aus der Zündung.
Widerstrebend stieg sie aus und sah, wie Topaz um den Wagen zu Brett ging, der mehrere Schlaf- und Rucksäcke auspackte. Topaz streckte die Arme in die Luft, sodass ihr bauchfreies Top hochrutschte und noch mehr von ihrer gebräunten Taille freigab. Dann wandte sie sich von Brett ab, beugte sich nach vorn und berührte mit den Fingern ihre Zehenspitzen.
Aurora sah, wie Bretts Blick zu Topaz’ Hintern wanderte, wo ein Teil ihrer Pobacken und der Saum ihrer Spitzenunterwäsche zu sehen waren.
»Ich bin sooooooo steif«, sagte Topaz, richtete sich langsam wieder auf und sah Brett über die Schulter an. »Kommst du?«
»Ähm … ja klar.«
Coralie lief um den Wagen, fasste Topaz’ Hand und schlenderte mit ihr auf dem Waldweg voran.
3.
Jonah nahm Hanson mit zum Haus der Jacksons außerhalb von Lyndhurst. Er hätte es auch ein paar Sozialarbeitern der Gemeinde überlassen können, die nächsten Verwandten zu informieren, doch es war ihm ein Bedürfnis, selbst dorthin zu fahren. Vielleicht um zu trösten; vielleicht weil er dreißig Jahre auf einen Abschluss gewartet hatte.
Die Jacksons waren nie aus New Forest weggezogen. Das war bei Vermisstenfällen der üblichere Ausgang. Während ein Mord eine Familie häufig forttrieb, band ein ungelöster Vermisstenfall sie an den Ort, wo der oder die Vermisste gelebt hatte. Denn es gab immer die vage Hoffnung, dass sie eines Tages nach Hause kommen würden.
Die siebenhundert Meter lange Zufahrt war mittlerweile fast unpassierbar. Der Belag aus Sand und Schotter war zu einem Minenfeld aus Schlaglöchern verkommen. Hanson fluchte, als der linke Vorderreifen durch ein tiefes Loch holperte und der Unterboden des Wagens über getrockneten Schlamm schrammte. Sie riss das Lenkrad heftig herum, um einem weiteren Schlagloch auszuweichen; Jonah musste sich am Armaturenbrett abstützen.
»Sorgt die Gemeinde nicht für neuen Straßenbelag?«, fragte sie.
»Privatweg«, antwortete Jonah. »Die Jacksons waren noch nie große Fans von Asphalt. Sie sind ein bisschen alternativ. Obwohl ich ehrlich gesagt nicht weiß, ob es Liebe zur Natur oder bloß Faulheit ist.«
»Ich habe nichts gegen die Natur, wenn sie die Finger von meinem Wagen lässt«, murmelte Hanson.
Sie hielt auf einer dürftig gerodeten Fläche vor einem einstöckigen Haus. Jonah öffnete die Wagentür über einem ausgetrockneten Schlammkrater, trat hinein und spürte, wie spitze Steine sich durch die Sohle seines Schuhs in seinen Fuß bohrten.
Er war erst halb ausgestiegen, als die ramponierte Haustür geöffnet wurde. Eine rundliche, unsicher wirkende Gestalt in einer dicken Strickjacke und einem selbstgefärbten Kleid stand in der Tür und blinzelte in die Sonne.
»Guten Morgen, Mrs Jackson. Entschuldigen Sie die Störung, aber dürfen wir reinkommen?«, fragte er möglichst neutral.
»Ich … Ja. Ja, ich denke schon.« Sie trat etwas weiter aus dem Schatten einer verdorrten Glyzinie. »Es ist doch nicht wegen Topaz, oder?«
Jonah schüttelte den Kopf, Hanson antwortete für ihn.
»Mit Ihrer Tochter ist alles in bester Ordnung, Mrs Jackson«, sagte sie mit einem warmen Lächeln, und Jonah war froh, dass er sie mitgenommen hatte.
»Wir wollten mit Ihnen bloß über eine neue Entwicklung im Fall von Auroras Verschwinden sprechen«, fügte er hinzu.
Joy Jackson drehte sich kurz zum Haus um und steckte die Hände in die Taschen ihrer Strickjacke.
»Ja, ja, natürlich. Warum kommen Sie nicht …«
Sie trat nervös von einem Fuß auf den anderen, während Jonah und Hanson vorsichtig über den überwucherten Pfad mit seinen teilweise lockeren Pflastersteinen balancierten.
Von nahem war Joy rosiger und faltiger, als Jonah sie in Erinnerung hatte. Runde Wangen mit einem Netz von roten Äderchen; Augen, die unablässig in runzeligen Höhlen hin und her zuckten.
Als sie sich umdrehte, verströmten ihre Kleider Lavendelduft. »Kommen Sie rein. Ich hol Tom. Tom!«, rief sie mit schriller Stimme, als sie in den dunklen Flur trat. »Tom!«
Der Flur war wegen der Mäntel, Schuhe, diverser Outdoor-Klamotten und Kisten beinahe unbegehbar, aber Joy war offen bar schon lange daran gewöhnt und fand einen Weg, ohne hinzusehen.
»Kommen Sie in die Küche. Ich setze Teewasser auf. Tom!«
Die Küche war genauso unordentlich. Ein Ende des riesigen Eichentischs war frei geblieben, der Rest mit Zeitungen, Briefen und Münzen bedeckt.
»Machen Sie sich keine Umstände, wenn Sie selbst keinen Tee wollen«, sagte Jonah, während Joy drei Schränke öffnete, bis sie eine Teedose fand. Sie drehte sich damit um und hielt unschlüssig inne.
Jonah drückte sich an der Tischkante entlang und sah sich um. Die Arbeitsflächen waren von einem Schmierfilm überzogen; darauf war wie ein Ornament schmutziges Besteck ausgebreitet, hin und wieder unterbrochen von einem größeren Objekt. Ein altes Stück Rohr. Ein Tennisschläger. Ein Hammer.
Die gebeugte Gestalt, die in der Tür auftauchte, ließ Jonah stutzen. Ohne die ungepflegten grauen Haare und den Vollbart hätte er sie nie als Tom Jackson erkannt, den er als arroganten, wohlerzogenen und eindeutig autistischen Sonderling in Erinnerung hatte. Kaum noch