ich es Ihnen in aller Deutlichkeit: Ich sage ungern etwas zweimal!“
Es wirkte. Ich bin immer wieder überrascht, wie Wirkungsvoll so ein Satz sein kann. Der Händelmate sieht mich einen Moment verblüfft an. Ein kurzes Aufflackern von Widerstand kam dann doch noch. „I kann do stehn...“
„Habe ich mich nicht deutlich genug ausgedrückt?“ fahre ich ihn an.
Diesmal trollt er sich tatsächlich.
Ich hebe das Garagentor ein Stück hoch. Drinnen war der blaue Ford Focus von Max zu sehen. Daneben, schräg an die Wand gelehnt und angekettet, das Fahrrad seiner Frau. Dahinter befindet sich an der rechten Wand ein Werkzeugschrank. Zwischen dem Schrank und der hinteren Garagenwund ist noch ein halber Meter Platz für einen Spaten und einer Hacke. Zwischen Garagenwand und Fahrrad liegt ein in ein Tuch eingewickeltes Etwas auf dem Betonboden.
„Schlüpf mal kurz rein“, sage ich zu Marina. „Aber sei vorsichtig. Verwisch keine Spuren.“
Marina bückt sich, geht hinein und kommt sofort wieder zurück. „Da muss man kein Arzt sein, um zu sehen, dass das Kind schon seit ein paar Stunden tot ist. Ich vermute, dass es schon tot zur Welt kam. Es ist sehr klein, richtig winzig. Könnte ein Frühchen sein.“
„Außer dir war sonst niemand in der Garage?“ frage ich den Max.
„Nur ich. Ich war aber nur kurz drin. Ich wollte sehen, ob das Kind vielleicht noch am Leben ist. Das musste ich doch machen, oder?“
„Sonst niemand?“
„Nicht, seit Luise das Kind entdeckt hat.“
„Deine Frau war also auch nicht drin?“
„Nein, sie hat nur hier an dem Platz gestanden und geschrien wie am Spieß.“
„Sie hat also das Garagentor aufgeschlossen und...“
„Wir schließen das Tor nie ab.“
„Und warum nicht?“
„Es lässt sich nur sehr schlecht schließen. Man braucht viel Kraft dazu. Die Luise hat die Kraft nicht. Also lehnt sie das Tor immer nur an. Ich schließe mein Auto immer ab und sie kettet in der Garage ihr Fahrrad an.“
Ich hebe das Garagentor noch mal kurz an. Es quietschte nur leicht in den Angeln.
„Ich weiß, ich hätte es längst richten sollen...“, versucht sich Max zu entschuldigen.
„Schon gut“, winke ich ab. „Kannst du dir vorstellen, wer das Kind ausgerechnet hier abgelegt hat?“
„Meine Frau denkt...“ Er bricht ab.
„Ja?“
„Du hast doch auch gehört, dass die Carmen Langer wieder im Dorf ist.“
„Ich habe was gehört. Aber keiner wusste so recht, ob es stimmt, dass sie schwanger ist.“
„Meine Frau ist sich sicher. Sie hat die Carmen gesehen, sagt sie. Die Carmen wäre hochschwanger.“
„Die Carmen ist wieder da?“ fragt Marina überrascht.
„Noch ist es ein Gerücht“, sage ich. „Gesehen wurde sie bisher nur von der Frau Hufnagel.“ Ich sehe Max an. „Das stimmt doch, oder?“
„Nein. Auch die Frau Meringer soll sie gesehen haben“, sagt Max.
„Kennst du die Carmen näher?“ erkundige ich mich.
„Näher? Na ja, was heißt da schon näher. Ich habe sie öfter mit ihrem kleinen Hund spazieren gehen sehen. Einmal haben wir uns kurz unterhalten. Über ihren Hund. Er heißt Goliath, weil, wenn er schon klein ist, soll er wenigsten einen großen Namen haben, hat sie mir erklärt. Mehr war nicht. Aber das ist wirklich schon sehr lange her. Sie ist ja auch schon fast ein Jahr weg.“
„Kennt deine Frau die Carmen näher?“
„Das musst du sie schon selber fragen.“
„Und wo ist sie? Im Haus?“
„Meine Frau im Haus? Wo denkst du hin? Wo es so viel zu erzählen gibt, bleibt meine Frau doch nicht im Haus. Das solltest du eigentlich wissen.“
„Ja“, seufze ich. „Ich kann es mir denken. Hat sie gesagt, wo sie hin will?“
„Sie wollte zum Pfarrer. Aber ob sie da noch ist?“ Er zuckt mit den Schultern. „Vielleicht ist sie ja auch noch gar nicht bis zu ihm gekommen. Wenn sie heimkommt erfahre ich es.“
„Die Carmen ist doch damals mit irgend so einem Kerl abgehauen“, sagt Marina.
„Ja, ich weiß“, antworte ich. „Auf die Bitte ihrer Mutter habe ich den Kerl mal überprüfen lassen. Er heißt Fred Dobermann. Die Kollegen in Ulm haben dem Dobermann dann auch einen Besuch abgestattet. Eine junge Frau, die sich als Carmen Langer ausgewiesen hat, war bei ihm. Er hat den Kollegen versichert, dass er mit der Carmen seine große Liebe gefunden hätte. Richtig glauben konnten es die Kollegen in Ulm nicht. Aber nachdem die Carmen ihnen bestätigt hat, dass sie freiwillig bei dem Mann ist, mussten sie wohl oder übel abziehen. Dobermann ist in Ulm kein Unbekannter. Man verdächtigt ihn mit Rauschgift zu handeln. Außerdem soll er sich an Autoschiebereien beteiligt haben. Und er stand schon unter Mordverdacht. Er soll einen Autohändler umgebracht haben. Aber man hat ihm nie was nachweisen können.“
„Das klingt ja ziemlich beunruhigend“, sagt Max erschrocken.
„Das fand ich auch. Aber offensichtlich wurde er in den letzten Wochen und Monaten nicht mehr auffällig, sonst hätten mich die Kollegen informiert.“
„Ich frag mal die Barbara“, schlägt Marina vor. „Vielleicht weiß die mehr. Sie und die Carmen waren doch mal befreundet.“
„Gut, mach du das“, sage ich.
*
IN DIESEM MOMENT FÄHRT Pfarrer Gottwald mit dem Fahrrad in den Hof. Er lehnt das Rad an die Hauswand. Der Pfarrer ist ein großgewachsener, kräftig gebauter Mann mit dunkelblondem, schon etwas schütterem Haar und sympathischer Ausstrahlung. Er trägt eine schwarze Hose und einen hellgrauen Pullover.
„Ist das Kind da drin?“ fragt er Max und deutet auf das Garagentor.
„Da können Sie jetzt aber nicht rein“, halte ich ihn zurück. „Wegen der Spuren. Schließlich wollen wir ja herausfinden, wer das Kind da abgelegt hat. Und die von der Spurensicherung waren noch nicht da.“
„Das Kind ist tot, Herr Pfarrer“, sagt Marina. „Die letzte Ölung kommt da zu spät.“
„Haben Sie eine Ahnung, wer die Mutter des Kindes sein könnte?“ frage ich den Pfarrer.
„Ich könnte da jetzt das weitergeben, was mir die Frau Hufnagel erzählt hat...“
„Das wissen wir schon“, sage ich. „Sie kennen doch alle im Dorf. Wissen Sie, wer zurzeit schwanger ist?“
„Ich kenne nicht alle. Nur meine Schäfchen, also Katholiken. Und von denen sind nur die Helen Maurer und Christine Grassel schwanger. Die eine ist im sechsten, die andere im siebten Monat. Sonst wüsste ich im Moment keine. Sie kennen doch sicher mehr Leute, als Polizist.“
„Wir werden auf jeden Fall ein paar Besuche machen müssen“, sage ich.
„Könnte ich mich mal mit der Barbara unterhalten?“ wendet sich Marina an den Pfarrer. „Sie war doch mit der Carmen befreundet.“
„Ich weiß nicht“, zögert Pfarrer Gottwald. „Es geht ihr gerade nicht besonders. Sie hat wieder mal einen ihrer MigräneAnfälle. Das nimmt sie immer ziemlich mit.“
„Ich werde sie nicht lange aufhalten.“
„Gut, wenn ich