„Ich schicke Ihnen die Spurensicherung aus Ulm. Mehr ist im Moment nicht drin. Ihr seid doch schon zu zweit.“
„Ich bin allein“, erkläre ich ihm. „Der Holzer liegt doch im Krankenhaus. Blinddarm.“
„Ach, so was hat der noch?“ witzelt Moosbauer.
„Ich habe so was auch noch“, sage ich.
„Dann müssen Sie eben vorerst ohne den Holzer klarkommen. Dafür haben Sie ja auch noch den Blinddarm.“
Hahaha. Es ist eine wahre Freude, so einen witzigen Chef zu haben.
„Dann leihe ich mir die Domino aus.“
„Die hat Urlaub. Aber das wissen Sie doch.“
„Nein, das weiß ich nicht. Sie hat sich nicht bei mir abgemeldet. Muss sie ja auch nicht. Oder?“
„Dann ist sie auch noch nicht weg“, höre ich den Moosbauer sagen. „Sie wird nicht in Urlaub fahren, ohne Ihnen Bescheid zu geben.“
„Dann glauben Sie also auch, was in Kollegenkreisen so herumfährt“, sage ich.
„Was fährt denn so herum?“ fragt Moosbauer. Es klang, als wüsste er nichts. Aber ich weiß, dass er es weiß und darum werde ich jetzt auch etwas lauter.
„Dass ich mit der Domino was hätte! Das ist durchaus nicht der Fall. Ich schätze sie als verlässliche Kollegin mit Spürsinn, Einfühlungsvermögen und Intuition. Und ich mag sie ja auch, das gebe ich gerne zu. Mehr ist da aber nicht. Sollte jemals mehr daraus werden, informiere ich Sie.“
„Ich habe nichts anderes erwartet.“
„Ich wollte das nur mal gesagt haben. Vielleicht sollte man das mal an die Kollegen weitergeben.“
„Schon gut, Köberle. Darüber reden wir noch.“
„Falls die Domino noch zu Hause sein sollte, bin ich überzeugt, dass sie den Urlaub verschieben wird, wenn ich sie darum bitte. Aber vielleicht wäre es doch besser, wenn Sie mir...“
„Hören Sie, Köberle, wir haben im Moment wirklich einen personellen Engpass. Ich habe selbst Verstärkung aus Ulm angefordert. Ob ich welche kriege, entscheidet sich demnächst. Wir haben doch da den immer noch nicht geklärten Mord an dem Spielhallenbetreiber. Und dann ist da auch noch der Mann, der seine Frau mit einem Messer attackiert und schwer verletzt hat. Aber er streitet alles ab und die Frau ist noch nicht vernehmungsfähig. Es steht überhaupt noch nicht fest, ob sie durchkommt. Zwei Einbrüche sind auch noch zu klären und...“
„Gut, gut, ich mach’s alleine. Bei der Domino fahre ich gleich vorbei. Aber Sie sagen dem Haberkorn Bescheid, sonst macht der wieder einen Aufstand wie beim letzten Mal.“
„Ich rufe ihn an. Köberle, Sie machen das schon. Halten Sie mich auf dem Laufenden.“
Moosbauer legte auf. Ich rufe noch kurz Oma Dodel an, dann besteige ich mein fast nagelneues Dienstfahrzeug.
3
Ich war schon kurz davor, auf die B492 einzubiegen, als mir einfiel, dass die Marina ja umgezogen war. Sie hat mir auf den Anrufbeantworter gesprochen. „Hallo, Hanno! Marina hier. Wohne jetzt in EhingenBerkach, Nelkenweg 28.“ Fertig. Mehr nicht. Und das ohne Vorankündigung. Ich hätte ihr ja beim Umzug helfen können. Aber vermutlich wollte sie das nicht. Ich drehe eine Runde auf dem neuen Kreisverkehr, fahre den Weg zurück und benutze den Schleichweg.
Als ich vor dem Haus Nummer 28 aus dem Wagen steige, fällt mir doch noch ein, dass sie mal nebenbei erwähnt hat, irgendwann umziehen zu wollen. Sie hat aber nicht gesagt wann und auch nicht wohin.
Und jetzt wohnt sie so nah bei mir. Gerade mal drei Kilometer entfernt. Das gefällt mir ausnehmend gut.
Sie öffnet mir im Schlafanzug. „Oh Gott.“
„Hanno. Hanno reicht.“
„Was führt dich so früh am Morgen zu mir?“ erkundigte sich Marina.
„Ist es dir zu früh? Soll ich später wieder kommen?“
„Entweder du machst mir jetzt einen Heiratsantrag oder du raubst mich aus. Für was anderes bin ich noch zu müde.“
„Wie wäre es mit einem Drink?“
„Wenn du nichts Besseres zu bieten hast?“
„Ich lege noch einen Kuss drauf.“
„Nicht mehr?“
„Mittagessen bei meiner Oma.“
„Bei diesem Angebot kann ich nicht nein sagen.“ Sie macht Platz und ich gehe an ihr vorbei in die Wohnung.
Das Wohnzimmer war größer und heller, als das in ihrer vorhergehenden Wohnung in Schelklingen. Die Eckcouch ist ganz neu. Der Fernseher ebenfalls. Ein Bücherregal ist auch noch dazu gekommen. Bis jetzt hatte sie ihre Bücher immer in Kartons aufbewahrt. Nur der schöne Wohnzimmerschrank ist noch derselbe.
Marina steht schon vor dem Schrank und hat die Tür zu dem reichhaltig gefüllten Barfach geöffnet. „Trinkst du noch den Schottischen Malt?“
„Immer noch.“
„Aber du bist nicht nur wegen dem Drink gekommen.“
„Nein, wegen dir. Ich wollte dich mal wieder sehen.“
„Lügner. Eigentlich sollte ich dir keinen Drink geben.“ Sie macht die Schranktür wieder zu. „Du hast lange gebraucht, um mich zu besuchen.“
„Du bist umgezogen.“
„Das dürfte nicht neu sein. Ich habe es dir auf deinem Anrufbeantworter mitgeteilt.“
„Ach, du warst das?“
„Wie viele Frauen kennst du, die Marina heißen?“
Ich zählte an den Fingern auf acht. „Eine. Dich.“
„Na, siehst du. Warum bist du nicht früher gekommen?“
„Du weißt auch, wo ich wohne.“
„Ich war noch nie in deiner Wohnung.“
„Ich in der auch nicht. Was ist mit dem Malt?“
„Was ist mit dem Kuss?“
Ich küsse sie sanft auf den Mund.
Sie sieht mich an und wartet darauf, dass noch mehr kommt. Nachdem von mir aber nicht mehr kommt, sagt sie: „Das ist aber nur einen kleinen Drink wert.“
„Mehr darf ich auch nicht. Ich bin im Dienst.“
„Ich nicht. Ich habe Urlaub.“
„Jetzt nicht mehr.“
„Was?“
„Ab sofort bist du im Dienst.“
„Wer sagt das?“
„Ich.“
Marina holte tief Luft. „Polizeioberkommissar Hanno Köberle, du wirst dir doch nicht schon wieder Schwierigkeiten einhandeln wollen.“
„Mit