Alfred Bekker

Sammelband 7 Krimis: Tuch und Tod und sechs andere Thriller auf 1000 Seiten


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führen.

      Berringer drehte sich um.

      Gerath war zusammen mit seiner Frau eingetreten. Regina Gerath wirkte etwas verlegen, als sie Berringer erblickte. Sie rieb dauernd die Handinnenflächen gegeneinander und trat von einem Fuß auf dem anderen. Da hatte jemand keinen festen Stand im Leben, hätte da der Amateurpsychologe gesagt, ging es Berringer durch den Sinn.

      „Ich nehme an, dass sich im Laufe des heutigen oder morgigen Tages die Polizei noch bei Ihnen melden wird, um Sie zu befragen“, sagte Berringer.

      „Worum geht es denn?“, wollte Gerath wissen.

      „Um den Tod von Frank Severin, der Sie– wenn auch aus unterschiedlichen Gründen

      - beide betrifft“, eröffnete ihnen Berringer. „Er wurde heute Morgen im Elfrather See gefunden. Frau Gerath, vielleicht können Sie uns etwas dazu sagen?“ Berringer wartete ihre Reaktion ab. Peter Gerath schien ehrlich überrascht. Er wandte ruckartig den Kopf, sah seine Frau an. „Hast du davon etwas gewusst? Was ist geschehen?“

      „Nun, ich denke, dass wird uns Herr Berringer sicher gleich noch berichten“, erklärte sie ziemlich angespannt. Sie presste die Lippen zusammen und wich Berringers Blick aus.

      „Warum sagen Sie uns nicht, was Sie schon wissen?“, forderte Berringer sie auf.

      „Tut mir leid, ich weiß nicht, wovon Sie reden, Herr Berringer!“ Peter Gerath runzelte die Stirn und verschränkte die Arme vor der Brust. „Ich habe keine Ahnung, was Sie da für ein Spiel treiben, Herr Berringer, aber ich weiß genau, wofür ich Sie eigentlich bezahle – nämlich dafür, dass Sie mir Informationen liefern!

      Informationen, an die die Polizei aus irgendwelchen Gründen nicht herankommt, Sie aber schon, denn Sie können sich voll und ganz dieser Sache widmen und brauchen keinerlei Rücksicht auf Vorschriften und Paragrafen zu nehmen. Also reden Sie schon.“

      Berringer trat auf die beiden zu. Regina Gerath hatte sich zur Seite gewandt. Sie beobachtete den Detektiv aus den Augenwinkeln heraus. „Sie waren doch ungefähr zur Tatzeit am Tatort, Frau Gerath“, stellte Berringer fest. „Dafür gibt es Zeugen. Angeblich waren Sie schwimmen, aber entweder, Sie haben an diesem Morgen Ihre Bahnen im Badezentrum in einem Rekordtempo hinter sich gebracht, oder Sie sind einfach früher aufgestanden. Oder Sie waren nie dort und haben das nur als Ausrede benutzt. Letzteres halte ich für das Wahrscheinlichste.“

      „Sie haben eine blühende Fantasie, Herr Berringer“, sagte sie mit schneidender Stimme.

      „Aber warum sollte meine Frau den Geschäftsführer von Avlar Sport umbringen?“, fragte Gerath. „Das ist doch absurd! Ich meine ...“

      „Wollen Sie es Ihrem Mann sagen oder muss ich es tun?“, fragte Berringer an Regina Gerath gewandt.

      Sie schluckte, schien noch mit sich zu ringen und nach einer Ausrede zu suchen. Aber was hätte sie sich da ausdenken können? Die Fakten ließen sich kaum schönreden, egal, wie man es auch formulierte.

      „Ihre Frau hatte ein Verhältnis mit Frank Severin“, erklärte Berringer, als Regina Gerath noch immer nichts sagte. „Dafür gibt es ebenso Zeugen wie für ihre Anwesenheit am Tatort, dem Ufer des Modellsegelweihers am Elfrather See. Herr Severin war nämlich leidenschaftlicher Modellsegler und hat am See geübt. An diesem Morgen nahm er sich kurzfristig Urlaub dafür. Vielleicht, um sich dabei zu entspannen, weil ihm der Stress überm Kopf stieg.“ Gerath blieb vollkommen ruhig. Die Nachricht von der Untreue seiner Frau schien ihn in keiner Weise zu überraschen oder emotional zu tangieren. Er nahm das hin wie schlechtes Wetter, dachte Berringer. Er selbst könnte das nicht. Aber wer mochte schon wissen, was die Eheleute Gerath tatsächlich noch miteinander verband. Allzu viel schien es jedenfalls nicht zu sein.

      Genauso wenig schien es Gerath zu erschüttern, dass seine Frau möglicherweise eine Mörderin war.

      „Ich ... äh, ich habe mir nach Ihren ersten Hinweisen auf Severin mal die Bücher vorgenommen, beziehungsweise vornehmen lassen“, erwiderte Gerath schließlich und nachdem er sich ausgiebig geräuspert hatte. „Da gibt es ein paar seltsame Dinge, die auf dem ersten Blick keinen Sinn ergeben.“

      Was das wirklich alles, was er dazu zu sagen hatte?, ging es Berringer durch den Kopf; er war fassungslos. Wie konnte jemand nur so kalt sein! Er musste sehr an sich halten, um seine Meinung nicht lauthals zu äußern. Aber so etwas brachte nichts, das wusste Berringer aus leidvoller Erfahrung.

      „Severin war in illegale Geschäfte verwickelt, die über Avlar Sport liefen“, berichtete Berringer daher äußerst sachlich. „Wie tief er in diesen Sumpf verstrickt war, wird die polizeiliche Untersuchung ergeben, Herr Gerath. Sie werden damit leben müssen, dass die Presse und die Öffentlichkeit Avlar Sport in nächster Zeit immer wieder mit diesen schmutzigen Geschäften und Severins Ermordung in Verbindung bringen wird.

      Ganz bestimmt keine gute Werbung für Ihre Sportkleidung.“

      „Und ich habe ihm vertraut!“, stieß Peter Gerath bitter hervor. Berringer fragte sich, woher diese Bitterkeit in erster Linie rührte. War es der private Betrug? Der schien ihn weit weniger zu kümmern als der geschäftliche, wie Berringer verwundert feststellte.

      „Wenn es wirklich so wäre, wie Sie behaupten, und ich hätte ein Verhältnis mit Herrn Severin gehabt ...“, begann Regina Gerath.

      Aber Berringer unterbrach sie. „Tun Sie nicht so, als wäre er für Sie Herr Severin gewesen, das ist ja lächerlich!“

      „Kein Wunder, dass der Polizeidienst nichts für Sie war“, versetzte sie, „da Sie offensichtlich so etwas wie die Unschuldsvermutung gar nicht kennen!“ In diesem Moment reagierte Gerath. Er wandte sich seiner Frau zu und hielt ihr vor:

      „Es ist nicht zu fassen! Ich biete dir hier ein Leben in allem nur erdenklichen Luxus, seitdem unsere Kinder groß sind, hast du nichts weiter zu tun, als dich deinen pseudokreativen Anwandlungen zu widmen, und da fällt dir nichts Besseres ein, als dich mit meinem Geschäftsführer einzulassen? Ausgerechnet Severin!“ Meine Güte, dieser Ausbruch von Emotionen kam aber mit deutlicher Verzögerung, dachte Berringer. Gefühlsmäßig schien Peter Gerath tatsächlich eine lange Leitung zu haben. Vielleicht hatte er sich zu lange und zu intensiv seinen Pferden gewidmet.

      „Wenn ich wirklich ein Verhältnis mit Frank gehabt hätte, wieso hätte ich ihn dann umbringen sollen?“, hielt Regina Gerath dem Privatermittler vor. „Können Sie mir das vielleicht erklären, Sie Superdetektiv? Das ist doch alles völlig hirnrissig und an den Haaren herbeigezogen, was Sie uns da auftischen!“ Und an ihren Gatten gerichtet, fuhr sie fort: „Dieser Mann will uns doch nur auseinander bringen. Keine Ahnung, was er sich davon verspricht, einen Keil zwischen uns zu treiben, aber ...“

      „Dann bestreitest du, ein Verhältnis mit Severin gehabt zu haben?“, fiel ihr Peter Gerath ins Wort. „Du nanntest ihn gerade Frank ...“ Er schüttelte den Kopf, trat an die Fensterfront und blickte hinaus in den Garten, wo die Wachmänner patrouillierten. „Ich habe mich schon längere Zeit gefragt, ob da wohl irgendetwas läuft. Allerdings hätte ich nie gedacht, dass es Severin ist. Ausgerechnet Severin!“ Er schüttelte erneut den Kopf und fuhr sich dann mit einer fahrigen Geste übers Gesicht.

      „Sie wollten Ihren Mann psychisch fertig machen und wahrscheinlich auch umbringen“, sagte Berringer zu Regina Gerath. „Severin war Ihr Komplize dabei. Er hat bei der Bundeswehr schießen gelernt.“

      „Das ist doch alles nicht wahr!“, kreischte sie, die ihre brüchig gewordene Fassung allmählich verlor.

      Endlich, dachte Berringer. Er hatte schon gedacht, diese Frau wäre ein einziger Felsklotz, an den selbst er sich die Zähne ausbeißen würde. Endlich schien zumindest ein wenig von dem heißen Magma hervorzubrechen, was da unter der dicken, lange erkalteten Kruste brodelte, mit der sie ihre Seele umgeben hatte.

      Ihre Augen funkelten voller Wut, als sie sich wieder an ihren Mann wandte. „Ich will nicht verhehlen, dass du es durchaus verdient hättest, ein bisschen gequält zu werden, und dass ich deine Pferde noch nie