Alfred Bekker

Alfred Bekker Krimi Trio #1


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die Straßen Mogadischus geschleift wurde. So wie Susan es mir erzählte, muss ihr Bruder dort Zeuge unbeschreiblicher Grausamkeiten gewesen sein. Das Schlimmste war wohl, dass er mehr oder weniger zur Untätigkeit verdammt war. Das hat er nicht verwinden können."

      Ich unterbrach Montgomerys Redefluss. "Sie meinen, auf den CDs war nichts weiter als Dexters Lebensbericht?"

      "... und jede Menge Fotomaterial dazu."

      "Trotzdem – das ist eine Menge Speicherplatz! Da hätte Dexter eine ganze Bibliothek voll schreiben können!"

      "Mich dürfen Sie danach nicht fragen. Susan sollte eine Kopie aufbewahren. Dexter litt unter Schüben von Paranoia. Er war überzeugt, dass unsere Regierung verhindern wollte, dass seine Lebensbeichte ans Licht der Öffentlichkeit geriet. Das ist natürlich totaler Blödsinn."

      "Sie sagten, Dexter hätte bei seinem letzten Auftauchen kein Geld von Susan gewollt", hakte Milo jetzt nach.

      Montgomery nickte entschieden. "Stimmt. Vielleicht hatte er ausnahmsweise beim Zocken mal etwas gewonnen, wer weiß? Zwischenzeitlich hat er sich sogar durch Blutspenden und die Teilnahme an Medikamententests über Wasser gehalten."

      "Medikamententester?", hakte ich nach. Normalerweise wurden Personen, die sich an offiziellen Testreihen großer Pharma-Konzerne beteiligten buchstäblich auf Herz und Nieren untersucht. Jemand, der wegen psychischer Schwierigkeiten in Behandlung gewesen war, schied gewöhnlich von vornherein aus dem Kandidatenfeld aus. Dasselbe galt für Drogensüchtige. Aber offenbar gab es schwarze Schafe in der Branche, die weniger wählerisch waren.

      "Susan erwähnte das mal...", sagte Montgomery.

      "Sie wissen nicht zufällig, für welches Unternehmen oder um was für eine Art von Medikamenten es ging?"

      Montgomery schüttelte den Kopf.

      "Nein, keine Ahnung. Ist das so wichtig?"

      "Eine regelmäßig verabreichte Dosis von Medikamenten, deren Wirkung noch nicht restlos erforscht ist, könnte vielleicht der Auslöser für Dexters Amoklauf gewesen sein..."

      Zuletzt fragte ich Montgomery nach der Schuhgröße. Er hatte 43, wie ich geschätzt hatte. Das bedeutete nicht mehr und nicht weniger, als dass unsere hübsche Kollegin von der Scientific Research Division wohl recht mit ihrer Vermutung hatte.

      Zwei Personen hatten sich zum Zeitpunkt von Susan Dexters Ermordung in ihrer Wohnung aufgehalten.

      12

      "Sie haben mich rufen lassen, Mister Flanagan?", fragte One-Eye. Das Haus von Jesper O. Flanagan in der Westlake Road Nr. 432, Newark, New Jersey, war nach dem Vorbild einer römischen Villa erbaut worden. Das Zentrum wurde durch ein Atrium gebildet. Bei schlechtem Wetter wurde es durch Glasscheiben überdacht. Flanagan war ein hagerer Mann in den Fünfzigern. Sein falkenhafter Blick war angestrengt auf die Rosensträucher gerichtet, die er gerade beschnitt. Zwei Dobermänner saßen hechelnd in der Nähe. Einer von ihnen knurrte leise.

      One-Eye wartete geduldig ab.

      Flanagan ließ durch nichts erkennen, dass er den Gast bemerkt hatte.

      Mit fast zeitlupenhaften Bewegungen knipste er überzählige Triebe mit der Rosenschere ab.

      Schließlich blickte er in One-Eyes Richtung.

      "Kommen Sie näher!", forderte er.

      One-Eye gehorchte, ging bis auf zwei Meter an den hageren Mann heran.

      "Der Kerl, den Sie zu mir geschickt haben, um mich abzuholen, hat die Sache ziemlich dringend gemacht!", stellte One-Eye fest.

      "Das ist sie auch." Flanagan atmete tief durch. Der Blick seiner grauen Augen musterte den Einäugigen von oben bis unten. "Ich will auf den Punkt kommen. Ihre Leute haben dieser Susan Dexter zwei CD-Roms abgenommen..."

      "Das ist richtig", bestätigte One-Eye. Er musste unwillkürlich schlucken.

      "Auf einer der beiden Scheiben war nichts drauf. Ich brauche aber den gesamten Datensatz!"

      "Was?"

      Dem Einäugigen fiel die Kinnlade herunter.

      Sein Gesicht wurde noch blasser, als es ohnehin schon war.

      Flanagan hob die Augenbrauen. "Haben Sie dafür irgendeine Erklärung?"

      "Nein, Sir, ich..." One-Eye begann zu stammeln. Schließlich verstummte er.

      "Sie wissen, was von dieser Sache abhängt!"

      "Sicher."

      "Sollte ich herausfinden, dass Sie mich hintergangen haben, dann werden Sie den Tag Ihrer Geburt irgendwann verfluchen. Ich werde Sie nämlich so fertig machen, wie nicht einmal ein Sadist wie Sie sich das vorzustellen vermag."

      Ein Muskel zuckte unruhig unterhalb von One-Eyes Auge. Der Kahlköpfige wirkte nervös. "Vielleicht war diese Susan Dexter nicht die einzige Person, der etwas zur Aufbewahrung gegeben wurde."

      "Sie glauben, Ron hat die Daten auf mehrere Verstecke verteilt?"

      "Warum nicht? Würden Sie das nicht auch so machen, Mister Flanagan?"

      Flanagan lachte zynisch. "Ich glaube, Sie überschätzen Ron Dexter. Dessen Hirn arbeitete doch nur noch einwandfrei, wenn es darum ging, den nächsten Kokain-Dealer ausfindig zu machen oder..." Er machte eine kurze Pause. "...jemanden zu töten", vollendete Flanagan dann.

      Einige Augenblicke lang herrschte Schweigen.

      Flanagan wandte sich wieder dem Beschnitt der Rosen zu. "Vielleicht haben Sie einfach die falschen Leute mit der Sache betraut..."

      "Mittlerweile scheint mir das auch so", knurrte One-Eye düster.

      Flanagan schnipste mit den Fingern. "Regeln Sie das. Und zwar schleunigst."

      "Ja, Sir."

      13

      Milo und ich fuhren am nächsten Tag nach Paterson, New Jersey. Dort hatte sich Dr. George McCullen zur Ruhe gesetzt. McCullen war einige Jahre Arzt und Psychiater in den Diensten des Marine Corps gewesen, bevor er eine eigene Praxis eröffnet hatte.

      Ron Dexter war mehrere Jahre sein Patient gewesen.

      Beide waren etwa zur gleichen Zeit aus den Diensten des Marine-Corps ausgeschieden.

      Wir erhofften uns von McCullen einfach noch zusätzliche Informationen zu Ron Dexters Persönlichkeit. Eventuell ergaben sich auch weitere Anknüpfungspunkte für Ermittlungen.

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