A. F. Morland

Mörder-Paket Juli 2020: 10 Krimis für den Strand: Sammelband 9015


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diesen Radikalen, ich schwör′s dir Sammy ...

      Er bestellte einen zweiten Whisky. So was ist dir noch nie passiert ... Schwein gehabt ... Noch eine Zigarette zwischen die Lippen.

      Der zweite Whisky beruhigte ihn. Zunächst. Bis er an die vielen Menschen dachte, die jetzt um die nächste Ecke und einen Häuserblock weiter im 92nd Street Y-Theater hockten. Und mitten unter ihnen der Kerl in dem hellen Trenchcoat und mit der Hornbrille auf seiner Kameltreibernase. Der Kerl mit der Handgranate in der Manteltasche ...

      Wer weiß, was er noch alles mit sich herumschleppt ... wer weiß, was das Arschloch vorhat ...

      Und ihm fiel ein, was er da gestern über dieses Theaterstück in der New York Post gelesen hatte. „Christliche und islamische Fundamentalisten sprechen von Gotteslästerung und verlangen Verbot des Schauspiels...‟. Die Demonstranten vor dem Theater fielen ihm ein ...

      Wie gesagt – Sammy hatte keine Ahnung von Theater. Und von Religion schon gar nicht. Aber er konnte zwei und zwei zusammenzählen. „Ich muss die Polizei rufen‟, murmelte er.

      Was willst du ihnen sagen, du Idiot? Dass du arglos deinen Job getan hast und plötzlich eine Handgranate statt einer Brieftasche in der Pfote hattest ...?

      „Scheiß drauf – ich muss den Bullen Bescheid sagen ...‟

      2

      Sharon entdeckte Eve O′Sullivan neben der Treppe zur Empore. Die kleine, ganz in schwarzes Leder gehüllte Enddreißigerin mit dem roten Stoppelhaar lehnte gegen das Treppengeländer und rauchte. Unruhig wanderte ihr Blick über die Menschenmenge, die sich ins Foyer hinein wälzte.

      Sharon drängte sich durch die Menge zur Treppe. „Hi, Eve!‟ Sie winkte.

      Ein Lächeln des Wiedererkennens flog über das Gesicht der anderen. Sie winkte zurück. „Ich freue mich für dich.‟ Sharon schloss Eve in die Arme und küsste sie auf die Wangen. „Dein Stück ist Stadtgespräch. Gratuliere.‟

      „Keine Ahnung, was überhaupt los ist.‟ Eve löste sich aus Sharons Umarmung. „Jahrelang interessiert sich kein Schwein für dich, und nur weil plötzlich ein paar Konservative auf die Barrikaden gehen, finden die Kritiker plötzlich ein Stück von dir ...‟ Eve spitzte die Lippen und mimte einen gestelzten Tonfall. „... bemerkenswert.‟

      Sie kicherten. „Ist Mike auch da?‟, wollte Eve wissen.

      „Was glaubst du denn?‟ Sharon deutete zu einer der beiden Türen, die in den Theatersaal führten. Dort stand mit verschränkten Armen ein großer, langhaariger Mann. Er trug einen abgeschabten Lederblouson und Jeans. Ein Brillenträger. Seine große Hakennase und sein mürrisches Gesicht fielen selbst auf diese Entfernung von fast zwanzig Schritten auf. „Ich hab′ ihn überreden können, sich zu rasieren für diesen Abend.‟

      Eve lachte. „Seid ihr noch zusammen?‟

      „Klar.‟ Sharon zog spöttisch den rechten Mundwinkel nach oben. „Wir arbeiten zusammen. Sonst verbindet uns genauso viel wie am ersten Tag – nichts.‟

      Eve musterte die rotblonde, sieben Jahre Jüngere vergnügt. „Das sind die besten Voraussetzungen für lebenslange Beziehungen.‟ Sie kicherte. Sharon drückte der Älteren noch einen Kuss auf die Wange und stürzte sich wieder ins Gedränge.

      Sie stolperte über irgendwelche Schuhe irgendwelcher Menschen. Ein fester Griff schloss sich um ihren Oberarm und hielt sie fest. Sie blickte auf – ein junges Gesicht fixierte sie. Ein dunkles Gesicht. Hinter den Gläsern einer Hornbrille ruhten starre, ausdruckslose Augen. Braune Augen.

      „Danke‟, lächelte Sharon. Der Mann ließ sie los. Sein Lächeln wirkte bemüht.

      Sharon vergaß das Gesicht sofort wieder. Sie drängte sich zu der Tür, an der Mike wartete.

      „Wo steckst du‟, brummte ihr Partner. „Es geht gleich los.‟ Er drehte sich um und bohrte sich durch die Menschenmenge wie durch durch lästiges Gestrüpp. Egal, wo er sich aufhielt und bewegte – Michael Valezki wirkte immer ein bisschen so, als hielte er sich für einen der wenigen nicht überflüssigen Menschen auf der Welt.

      Ein paar Minuten später saßen sie auf ihren Plätzen. Das Licht im Saal war noch an, aber das Getrampel und Gemurmel legte sich allmählich. Vier Reihen vor sich sah Sharon eine Gestalt, die ihr bekannt vorkam – der Mann in dem hellen Trenchcoat und mit der Hornbrille.

      Ein Orientale sicher. Ein Palästinenser? Vielleicht auch ein Nordafrikaner. Sharon war sich nicht sicher. Sie registrierte beiläufig, dass er seinen Mantel anbehielt. Nichts Ungewöhnliches bei dem gemischten Publikum. Sharon hatte ihren Fellmantel an der Garderobe abgegeben. Mike aber gehörte auch zu denen, die sich nicht von ihrer Jacke oder ihrem Mantel trennen konnten.

      Das Licht erlosch langsam. Das Stimmengewirr ebbte ab. Und dann öffnete sich der Vorhang ...

      3

      Ich kann mich gut erinnern an diese Nacht. Viel zu gut. Wahnsinnigen begegnet man in unserem Job öfter mal. Aber einer Frau, die einem auf Anhieb den Schlaf raubt, eher selten.

      Wir waren im East Village unterwegs. Milo steuerte unseren Dienstwagen, einen grauen Mercury. Langsam rollten wir die zwölfte Straße Richtung Campos Plaza entlang. Es war ein Frühsommerabend. Kurz vor acht würde ich sagen – es dämmerte bereits.

      „Da ist es.‟ Milo deutete auf die Hausnummer und fuhr an den Straßenrand.

      Ich griff nach dem Mikro. „Trevellian an Zentrale. Wir haben fragliche Adresse erreicht. Schauen uns die Burschen mal an.‟

      „Okay. Die anderen sind auch schon bei ihren Zieladressen angekommen.‟ Clive Caravaggios Stimme. Er koordinierte den Einsatz von der Federal Plaza aus. „Dann greift zu. Und haltet uns auf dem Laufenden.‟ Wir stiegen aus. An der Haustür des Mietblocks sahen wir uns die Namen neben den Klingelschildern an.

      Ein halbes Dutzend FBI-Teams waren an diesem Abend in Manhattan unterwegs. Die CIA hatte in den letzten Wochen mehrfach Alarm geschlagen. Den Kollegen aus Langley, Virginia, lagen beunruhigende Informationen ihrer ägyptischen Agenten vor: Eine radikale Gruppierung der Muslim-Men – der Muslim-Brüder – in Kairo versuchten ihre Terroristen in die Vereinigten Staaten einzuschleusen.

      „Das ist der Name.‟ Ich deutete auf ein Klingelschild im dritten Obergeschoss: „Hosni Mussawi‟. Der Mann war vor zwei Wochen über den John F. Kennedy International Airport aus London eingereist. Mit gefälschten Papieren. Diese Nachricht aus Langley war unserem Chef erst am Vormittag dieses Tages auf den Schreibtisch geflattert.

      Und