August Schrader

Die Braut von Louisiana (Gesamtausgabe)


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Kaum sank die Dämmerung auf die graue Häusermasse von New Orleans herab, als auch der junge Dandy schon die Treppen zum Boudoir der Tänzerin erstieg. Er zog die Glocke. Nach zwei Minuten öffnete Sally die Tür des Vorsaales.

      »Sir Arthur!«, flüsterte das listige Kammermädchen lächelnd und grüßte mit einer so vertraulichen Miene, als ob sie dem Ankommenden schon mehr als hundert Mal die Tür zu dem Tempel seiner Liebe geöffnet hätte.

      »Mein Kind«, sagte Arthur mit derselben Miene, »muss ich dir den Namen nennen, den du deiner Herrin melden sollst?«

      »Es bedarf weder des Namens noch einer Anmeldung«, antwortete Sally mit einer vielsagenden Verbeugung und öffnete die Tür zu dem Zimmer, das dem Boudoir voranging.

      Arthur legte Reitgerte und Hut auf einen Stuhl.

      »Treten Sie ein, Sir Arthur«, sagte die Zofe laut, indem sie das Boudoir ihrer Herrin öffnete.

      Arabella verstand den Ton, in dem diese Worte gesprochen wurden, denn sie gab durch ein lautes Lachen Antwort darauf.

      Der junge Mann trat ein. Sally schloss die Tür, nachdem sie sich ins Vorzimmer zurückgezogen hatte.

      »Wahrhaftig«, rief die weiche Stimme der Tänzerin, »meine Sally ist ein Muster von Kammerzofe, denn sie versteht es, meiner Ungeduld um einige Minuten entgegenzukommen und sich für die unnütze Mühe zu rächen, die ich ihr diesen Morgen machte.«

      Das Zimmer war mehr als halbdunkel, denn Arthurs Blicke richteten sich in die Gegend, aus der diese Stimme erklang, ohne irgendetwas zu sehen.

      »Sollte die Rache der Zofe gelungen sein?«, fragte Arthur nach einer Pause.

      »Gewiss«, antwortete Arabellas Stimme, »sie ist gelungen.«

      »Und hat verwundet?«

      »Die Brust und das Herz!«, rief die Stimme in einem weinerlichen Ton.

      »O mein Gott, das grausame Mädchen!«

      »Grausam und zugleich mitleidig!«

      »Mitleidig – mit wem?«

      »Mit der Verwundeten, denn sie sendet ihr den geschicktesten Arzt der Vereinigten Staaten.«

      Bei den letzten Worten war die Stimme immer näher gekommen, und ehe Arthur es vermutete, wurde er von zwei runden, weichen Armen umschlungen, dass er entzückt die Antwort vergaß, die ihm auf den Lippen schwebte.

      »Engel!«, rief er und schlang seine Arme um die schlanke Taille der Tänzerin, die lachend an seinem Hals hing.

      Wohl eine Minute verfloss, ohne dass ein Wort gewechselt wurde.

      Mit dem Eintritt Arabellas hatte sich ein zarter Duft im Zimmer verbreitet, durch dessen geöffnetes Fenster, das ein durchsichtiger weißer Vorhang verhüllte, der letzte Schein der schwindenden Abendröte einen matten Purpurschimmer sandte, als ob er die Gruppe der beiden Liebenden in eine Rosenwolke einhüllen wollte. Mit jeder Bewegung des jungen Mädchens zog ein neues Aroma durch die warme Luft, und ihr Hauch, würzig wie Blumenduft, fächelte sanft die heiße Wange des bebenden Arthur.

      Arabella kam aus einem parfümierten Bad, das eine alte, dieser Kunst kundige Negerin ihr in dem Nebenzimmer bereitet hatte. Als Sally auf das Klingelzeichen die Tür öffnete, hatte sie bereits die Abendtoilette ihrer erfrischten Herrin vollendet.

      »Arthur«, lispelte Arabella und zog den Geliebten zum Fenster, »die Sonne Louisianas erzeugt wunderbare Pflanzen und Blumen, die das nordische Licht nicht kennt – sie regt aber auch Gefühle im Herzen an, die noch wunderbarer als Pflanzen und Blumen sind, denn sie scheinen dem Himmel und nicht der Erde entsprossen. Sieh, mein Freund«, fuhr sie bewegt fort, und der rote Schimmer umwebte ihr zartes Gesicht, »seit ich dich hier wiedergesehen habe, ist meine Liebe eine ganz andere geworden: Ich möchte lachen und weinen, ohne einen Grund dafür angeben zu können – ich möchte verzweifeln und hoffen, ohne zu wissen, was mich zu beiden berechtigt – ach, Arthur, wärst du nicht gekommen, der Anblick dieses Feuermeers, das dort über des Waldes grauen Umrissen wallt, hätte mir die Brust zerrissen, hätte mich getötet!«

      Wie ein müdes Kind legte Arabella ihr duftendes Köpfchen an Arthurs Brust.

      Und in der Tat, als Arthur seine Blicke zu der bezeichneten Stelle richtete, begrenzte eine dunkelrote Feuerwolke den Horizont; sie sah einem glühenden Fluss ähnlich, dessen Ufer die Umrisse des Waldes waren, die wie Berge hervortraten. Doch rasch wandte er sich ab von dem großartigen Naturschauspiel; als ob es ihm die Augen blendete, schloss er das Fenster mit den Gardinen und trat, seine reizende Bürde im Arm, einen Schritt in das Zimmer zurück. Ihm war, als ob Jennys Blicke, getragen von den matten Strahlen des letzten Abendrotes, ihn sehen müssten.

      »Mädchen«, flüsterte er, einen Kuss auf Arabellas zarte Stirn drückend, »glaubst du, dass ich dem Einfluss dieser Sonne minder ausgesetzt bin als du? Was du seit einigen Tagen empfindest, nagt seit einem Jahr an meinem Herzen, und dass du jetzt, wo das Schicksal uns einander wiedergegeben hat, die düsteren Gedanken schwinden lässt und mir mit ungetrübten Augen entgegenlächelst, ist wohl das Geringste, was ich für meine qualvolle Sehnsucht als Lohn fordern kann.«

      »Du hast gelitten, mein Arthur?«, fragte die Tänzerin mit schmeichelnder Stimme.

      »Sollte ich mich der Freude überlassen, wo ich über dein Schicksal keine Gewissheit hatte?«

      »Nur mein Schicksal machte dir Sorgen?«

      »Mehr als mein eigenes!«

      »Und mein Herz? Regte sich dessentwegen keine Besorgnis in dir?«

      »Arabella!«

      »Sei offen, mein Freund, ich bitte dich darum!«

      »Du sprichst von Eifersucht?«

      »Nun ja, ich bekenne es offen, denn Eifersucht ist das unzweifelhafteste Zeugnis von Liebe.«

      »Arabella«, sagte Arthur, indem er das Mädchen mit sich fort auf das Sofa zog, »Arabella, du willst Wahrheit? Wohlan, so will ich ganz offen sein: Selbst in diesem Augenblick noch quält mich ein Gefühl, das ich wohl Eifersucht nennen möchte, wenn ich in deinem Sinne reden soll.«

      »Wahrhaftig?«, rief Arabella.

      »Ich schwöre es!«

      »Gut, Arthur, vollende dein Bekenntnis ganz!«

      »Ich bin bereit!«

      »Fürchtest du für die Vergangenheit? Das heißt, für die Zeit, in der wir uns nicht gesehen haben?«

      »Nein, jetzt nicht mehr.«

      »Warum?«

      »Weil ich liebe, meine süße Freundin, und zwar blindlings, wie der Gott der Liebe selbst, dessen Augen eine Binde verdeckt.«

      »Allerdings, ein blinder Liebhaber sieht außer dem Gegenstand seiner Leidenschaft keinen andern, folglich kennt er auch die Eifersucht nicht.«

      »Ist die Vergangenheit nun abgetan?«, fragte der junge Mann mit einem feinen Lächeln, das Arabella nicht sehen konnte, da die Abendröte mittlerweile verschwunden und das Zimmer völlig finster geworden war.

      »Sie ist es«, antwortete das Mädchen; »uns bleibt aber noch die Gegenwart und die Zukunft.«

      »Arabella, sagte ich dir nicht, um dir den Grad meiner Liebe zu bezeichnen, sie sei blind?«

      »Ganz recht; ich bin aber eine Künstlerin, deren Kunst zur Bewunderung hinreißen soll, und nicht selten gibt es feurige, junge Leute, deren Bewunderung in Liebe übergeht – haben Sie das nicht bedacht, Sie delikater Philosoph?«

      »Mein Gott, Arabella«, fragte Arthur verwundert, »was soll das heißen? Habe ich etwa hier in Louisiana zu fürchten, woran ich in England nie gedacht habe? Sprich, Mädchen, was habe ich zu fürchten?«

      »Arthur, liebst du mich wahrhaftig?«

      »Arabella«, fuhr der Dandy auf, »du hast ein Geheimnis auf dem Herzen – was habe ich hier