Ulrike Barow

Baltrumer Maskerade


Скачать книгу

schön auf. Obwohl – ich glaube, sie ist liiert. Aber was heißt das schon?«

      »Genau. Wir könnten sie mal auf die Insel einladen«, schlug Röder vor. »Rein dienstlich natürlich. Wäre eine gute Idee, oder?«

      In diesem Moment steckte seine Frau ihren Kopf zur Tür herein. »Soll ich euch einen Kaffee machen?«

      »Mit Apfelkuchen?«, fragte ihr Mann voller Vorfreude.

      Sie nickte. »Natürlich.«

      »Immer gerne.« Die beiden Männer antworteten fast gleichzeitig.

      »In fünf Minuten sind wir fertig. Ich muss noch mit Birgit Ahlers telefonieren und Geerd das letzte Fenster putzen«, fügte Röder hinzu.

      »Zur Not geht’s auch umgekehrt. Geerd telefoniert und du lernst endlich, wie man Fenster streifenfrei sauber bekommt.« Sandra Röder lachte und verschwand.

      »Na, da hat dich deine Frau punktgenau geerdet. Aber was soll’s: Besser ein Apfelkuchen auf dem Teller als eine Marlene in Esens«, raunte ihm Ulferts zu, als sie dem Kaffeeduft ins Wohnzimmer folgten. Im schmalen Flur, der den Dienstraum mit der Wohnung des Inselpolizisten verband, empfing Amir sie mit lautem Bellen.

      *

      Inselfee: Hat jemand von euch Erfahrung, ob jemand von der Insel abends Musik machen könnte?

      Dalia: Das fält dir aber spät ein. Als wir da geheiratet haben, waren wir am Strand. Da haben die eiländers gespielt. Frag mal, ob die dass auch drinnen machen. Die sind echt klasse.

      Inselfee: Danke für den Tipp.

      Dubius: Gar nicht so einfach, alles auf die Reihe zu bekommen, oder?

      Inselfee: Das stimmt. Besonders, wenn der Zukünftige später kommt als geplant.

      Dalia: Sei nicht sauer. Du wirst dehn dein ganzes Leben an der Backe haben, da kommt das auf ein par Stunden nicht an. Grins.

      Petra loggte sich ohne Kommentar aus. Diese Dalia mit ihren Rechtschreibfehlern und den dummen Sprüchen ging ihr gehörig auf den Keks. Aber man konnte sich seine Gesprächspartner in einem offenen Forum eben nicht aussuchen. Sie war froh gewesen, als sie auf baltrum-online das Forum Heiraten auf Baltrum gefunden hatte. Viele wichtige Tipps hatte sie schon daraus entnehmen können. Zum Beispiel, wo sie eine Kutsche herbekam.

      Natürlich hätte sie das auch die Standesbeamtin fragen können. Aber so war es eben viel gemütlicher. Außerdem waren ihr die meisten Fragen nach Feierabend eingefallen, da war eine Standesbeamtin nicht mehr ansprechbar. Aber Petras Freunde im Internet schon. Wie Dalia. Doof, aber hilfreich. Die hatte ihr gepostet, dass man heutzutage keine Trauzeugen mehr brauchte. Ein goldener Ratschlag. Denn Jörg und sie hatten gleich drei Personen auf der Liste, die sich um dieses Amt gestritten hatten. Mit bösen Anrufen und allem Drum und Dran.

      Dem hatte Petra kurz und schmerzlos einen Riegel vorgeschoben. Zwei von ihnen hatten daraufhin die Teilnahme an ihrer Hochzeit abgesagt: ihr Mitarbeiter Max aus dem Antiquitätengeschäft und Amelie.

      Amelie hatte zunächst verzückt auf die Einladung zur Hochzeit reagiert. Das Provinzielle ziehe sie nahezu an, hatte sie erklärt. Doch als ihr von Petra untersagt worden war, ihren Status als Brautführerin für unkontrollierte und überraschende Spielchen und Aktionen zu nutzen, hatte sie bereits sehr verschnupft reagiert. Als sie dann nicht einmal mehr Brautjungfer sein durfte, hatte sie sich geweigert, ›auch nur einen Fuß auf diesen öden Sandhaufen zu setzen‹.

      Nur Petras Schwester Inka hatte die Entscheidung mit einem Schulterzucken hingenommen. »Ist vielleicht besser so. Zumal die Trauzeugen alle aus deinem Dunstkreis kamen. Das hätte Jörgs Familie bestimmt nicht gepasst.«

      Neun Uhr. Petra musste sich fertig machen, wollte sie rechtzeitig am Schiff sein. Es hatte sich ein wenig abgekühlt. Sie zog zum ersten Mal, seit sie auf der Insel angekommen war, eine lange Hose an. Dazu ihre roten Sneakers. Über ihr T-Shirt warf sie eine leichte Windjacke.

      Es war noch hell, als sie den Anleger erreichte. Das Schiff schob genau in diesem Moment seinen weißen, platten Bug um die Hafenmole. Bald darauf lag es fest an der Pier. Ein Mitglied der Besatzung ließ die breite Gangway am Heck herunter, bevor er anfing, die Fahrkarten zu kontrollieren.

      Ein Passagier nach dem anderen verließ das Schiff, doch von Jörg keine Spur. Petra schaute sich um. Fast alle Vermieter hatten ihre Gäste bereits gefunden. Langsam leerte sich die Baltrum I. Gäste und Insulaner sammelten sich vor dem Metallgitter, das sie von den Containern mit dem Gepäck trennte. Dann, einige Minuten nachdem der letzte Gast das Schiff verlassen hatte, sah sie, wie sich die Tür der Herrentoilette öffnete, Jörg herauskam und langsam die Treppe zum Ausgang hochstieg.

      »Jetzt wird es aber Zeit«, hörte Petra eine energische Stimme vom Oberdeck. »Die Fahrkarte bitte.«

      Es wurde wirklich Zeit, wollte sich ihr Zukünftiger nicht einen einfangen, der sich gewaschen hatte, stimmte Petra dem Mann innerlich zu.

      Gleich nachdem Jörg die Gangway verlassen hatte, wurde sie eingefahren.

      »Hallo, Schatz, sei gegrüßt.« Er lächelte verhalten und stellte seine Tasche ab.

      Als er ihr einen Kuss geben wollte, wich sie zurück. Erst einmal hätte sie gern eine Erklärung gehabt, warum sie bei der Ankunft der Nachmittagsfähre vergeblich auf ihn hatte warten müssen. Warum er ausgerechnet als Letzter diese Fähre verlassen hatte. Und warum er den ganzen Tag nicht ans Telefon gegangen war.

      »Ich bin mir nicht sicher, ob du im Hotel noch etwas zu essen bekommst«, sagte sie, als sie endlich auch Jörgs Koffer in den Handwagen umgeladen hatten, den sie sich bei Frau Ahlers ausgeborgt hatte.

      Jörg schüttelte den Kopf, als er ihr den Griff der Wippe aus der Hand nahm. »Ich möchte nichts essen. Ich habe mir an Bord eine Bockwurst gekauft.«

      »Ich dagegen habe mit meiner Mutter das Hochzeitsessen probiert. Zumindest das, was an Zutaten im Hotel bereits vorhanden war. Soll ich dir erzählen, wie es geschmeckt hat?« Petra merkte, wie ihr bei diesem Thema schon wieder die Galle hochstieg.

      »Lass mich doch erst einmal ankommen«, bat Jörg und atmete tief durch.

      Okay. Das konnte er haben. Würde sie eben warten, bis sie auf dem Zimmer waren.

      »Möchtest du gar nicht wissen, wie meine Vorstellungen waren?«, fragte er nach einer kurzen Pause.

      »Und – wie waren sie?«

      »Richtig schön. Die Kinder waren wieder einmal großartig. Wir haben gemeinsam die Welt erforscht und alle Probleme ganz einfach gelöst.« In Jörgs Stimme lag große Freude.

      Petra war hin- und hergerissen. Auf der einen Seite hätte sie ihm am liebsten seine kindliche Welt um die Ohren gehauen, auf der anderen Seite liebte sie ihn genau dafür. Bei ihm zu sein, hieß eine Auszeit zu nehmen aus der irrealen Welt der Computer, den realen Staus auf den Straße, wenn sie ihre Kunden besuchte, und den Schlangen vor Supermarktkassen, wenn sie nur eine Kleinigkeit zum Frühstück brauchte. Bei ihm zu sein, hieß, sich selber nicht so wichtig zu nehmen, andere Blickwinkel auf das Leben zu erfahren und zu lachen.

      Es hieß aber auch, selber einen Nagel in die Wand zu hauen, wenn man ein Bild aufhängen wollte. Oder das Auto zum TÜV zu fahren. Dafür war er nämlich ganz und gar ungeeignet.

      Sie stimmte in sein Lachen ein. »So hast du also wieder einmal viel Glück verbreitet.«

      »Ich denke schon«, überlegte er. »Da war ein kleiner blonder Stups in Bennis Abenteuerland …«

      »Warte, bis wir auf dem Zimmer sind. Ich habe eine Flasche Wein oben. Dann können wir es uns gemütlich machen«, schlug sie vor, als sie die Wippe vor dem Hotel­eingang abstellten. »Ich habe ebenfalls viel zu erzählen. Schließlich heiraten wir in einer knappen Woche.«

      Petra hob einen von Jörgs Koffern aus der Wippe und merkte nicht, dass sich sein Gesicht für einen Moment verdüsterte. Gleich darauf lachte Jörg freundlich, als Henning Ahlers, der Chef des Hotels, ihm seine Hand zur Begrüßung entgegenstreckte.