des indes mit einiger Besorgnis. Wahrscheinlich würde Sibylle sich nicht von einem Tag auf den anderen einleben. Sie nahm sich vor, dem verwaisten Mädchen, das von der eigenen Tante verleugnet wurde, besonders viel Zuwendung zu schenken, damit es eines Tages genauso unbeschwert lachen konnte wie die übrigen Kinder von Sophienlust.
*
Anita Germersheim kehrte in Begleitung von Frederik Mintow nach Deutschland zurück. Sie freute sich über die glückliche Fügung, dass er ausgerechnet in ihrer Heimatstadt einige Wochen lang geschäftliche Verhandlungen zu führen hatte.
»Meine Reise steht unter einem guten Stern«, sagte sie strahlend, als sie Plätze in einer Lufthansa-Maschine für den Rückflug buchten. »Allein bin ich abgereist, und gemeinsam mit dir komme ich heim.«
Frederik zog sie rasch an sich und küsste sie. »Als meine Braut, Liebling. In Deutschland bekommst du mein Verlobungsgeschenk. Das Schönste ist eben gut genug für dich.«
»Ich brauche keine Geschenke, nur deine Liebe, Frederik. Dass man so wahnsinnig glücklich sein kann, habe ich nicht gewusst. Ich muss mich erst langsam daran gewöhnen.«
»Dies ist erst der Anfang, Anita. Hab’ noch ein wenig Geduld, dann wirst du sehen, wie phantastisch das Leben ist. Ich werde dir Schätze zu Füßen legen. Das ist keine leere Versprechung, sondern die reine Wahrheit. Vorläufig bleiben meine Pläne noch mein Geheimnis, aber wenn ich die Abschlüsse getätigt habe, wirst du Augen machen.«
»Ich bin zufrieden, wenn wir beisammen sein können und wenn unsere Liebe ein Leben lang anhält, Frederik«, gab Anita zurück. »Geld ist eine angenehme Sache, aber innere Werte zählen mehr. Oder bist du anderer Meinung?«
Er küsste sie noch einmal. »Selbstverständlich nicht, mein Schatz. Trotzdem ist es nun mal Sache des Mannes, für das nötige Kleingeld zu sorgen. Das musst du mir wohl oder übel überlassen.« Er lächelte überlegen.
»Du hast recht«, räumte sie ein wenig beschämt ein. »Ich habe mir um finanzielle Angelegenheiten noch nie Gedanken machen müssen. Unser guter Vater hat uns so viel hinterlassen, dass wir weit mehr haben, als wir brauchen.«
»Wir?«, fragte Frederik. »Wen meinst du außer dir?«
Anita wurde rot. »Ich dachte an meine verstorbene Schwester. Sie ist seit sechs Jahren tot. Barbara, unsere Haushälterin, hat uns beide betreut, seit wir die Eltern verloren haben. Gewiss, wir waren Waisen. Doch wir kannten keine Geldsorgen.«
Frederik Mintows Mund wurde schmal und hart. »Ich habe es nicht so leicht gehabt. Alles, was ich besitze, verdanke ich mir selbst.«
Das, was mir gehört, kommt jetzt dazu«, begütigte Anita sanft. »So wirst du auch etwas vom Vermögen meines Vaters haben.«
»Ist es denn wirklich so viel?«
»Ganz genau weiß ich über die einzelnen Vermögenswerte nicht Bescheid. Diese Dinge werden von einem zuverlässigen Anwalt betreut. Aber bei der letzten Bestandsaufnahme hatte ich einen Nominalwert von anderthalb Millionen. Dazu kommt mein Anteil an der Villa und dem wertvollen Grundstück.« Es klang ein bisschen trotzig. Anita wusste recht gut, dass sie ein reiches Mädchen war.
»Wenn wir verheiratet sind, werde ich mit dir gemeinsam alles kontrollieren. Anwälte sind zwar ehrlich und gewissenhaft, aber sie verstehen es im Allgemeinen nicht, ein Vermögen zu vermehren. Möglicherweise könnten wir dein Geld in meinem Unternehmen arbeiten lassen. Aber das hat noch Zeit.«
»Ich verstehe von diesen Dingen nichts. Aber vielleicht kann ich es von dir lernen.«
Die Tickets wurden gebracht. Anita bezahlte mit einem Reisescheck. Frederik mit Bargeld, wie er es immer tat.
Vierundzwanzig Stunden später setzte der Düsenriese in Frankfurt auf.
»Schade, dass unsere Reise zu Ende ist«, seufzte Anita.
»Aber das Glück fängt erst an«, erwiderte Frederik. Er kümmerte sich um Anitas Gepäck, war ihr bei den Zollformalitäten behilflich und sorgte dafür, dass sie ein Taxi bekamen.
Im Auto hielt er Anitas Hand und sprach kein einziges Wort. Sie ließ die Erinnerungen in sich nachklingen und gab sich ganz ihrem glücklichen Gefühl hin.
Barbara empfing Anita mit herzlicher Freude. Sie hatte die Villa mit Hilfe von zwei tüchtigen Putzfrauen bis in den letzten Winkel auf Hochglanz gebracht und alles, was an Sibyllchens Vorhandensein erinnern konnte, unbarmherzig auf den Speicher verbannt.
»Frederik, dies ist unsere liebe Barbara. Ich habe dir von ihr erzählt.«
Frederik Mintow verbeugte sich und küsste der Haushälterin die Hand, worüber die gute Barbara gewaltig erschrak.
»Sie sind wie eine Mutter zu Anita gewesen«, sagte er und lächelte dazu. »Deshalb verehre ich Sie. Ich selbst habe meine Mutter nie gekannt.«
»Ja, Barb, er hat eine schwere Kindheit gehabt. Aber das müssen wir jetzt wirklich nicht besprechen. Hast du etwas zu essen für uns vorbereitet? Ist mein Telegramm rechtzeitig angekommen?«
»Aber ja. Es ist alles fertig. Ich freue mich, dass du wieder im Land bist, mein Kind.«
Barbara trug eigenhändig einen Imbiss auf. Dazu gab es einen guten Wein. »Ich trinke auf unsere Heimkehr und auf unser Glück«, sagte Frederik feierlich. »Sie müssen auch mit uns anstoßen, Barbara.«
Die Haushälterin schüttelte den Kopf. »Ich trinke nicht, Herr Mintow. Seien Sie mir nicht böse.«
»Es stimmt«, fiel Anita ein. »Barbara trinkt keinen Tropfen Alkohol. Davon werden wir sie auch heute nicht abbringen.«
»Trotzdem wünsche ich viel Glück«, kam es leise und ein wenig zögernd über Barbaras Lippen. »Alles Glück dieser Erde«, fügte sie hinzu.
»Danke, Barb.« Anita warf ihr einen dankbaren und liebevollen Blick zu. Dabei erkannte sie, dass Barbara mit ihrer Wahl nicht völlig einverstanden war. Deutlich las sie Zweifel, ja, sogar ein wenig Missbilligung in ihrem faltenreichen Gesicht.
Dumme Barb, dachte Anita liebevoll. Du kennst Frederik doch kaum. Bist du etwa eifersüchtig, weil du selbst niemals einen Mann gefunden hast, der dich heiraten wollte?
Frederik verabschiedete sich bald. Er wollte sich ein Hotelzimmer nehmen und einige wichtige Telefongespräche führen. Er versprach, sich spätestens am nächsten Tag zu melden.
Barbara bestellte ihm ein Taxi.
»Hast du es dir auch gründlich überlegt, Kindchen?«, fragte sie, sobald sich die schwere Haustür hinter Frederik geschlossen hatte.
»Sehr gründlich, Barb. Frederik ist ein aufrichtiger, guter Mensch. Du wirst ihn schnell liebgewinnen. Ein klein wenig kommst du mir wie eine Glucke vor, die ihr Küklein nicht fortlaufen lassen möchte.«
Barbara schüttelte den Kopf. »Ich freue mich über dein Glück, Anita. Aber Herr Mintow wirkt so fremd, Kind. Ich hatte mir deinen Verlobten anders vorgestellt.«
»Wie denn?« Anita legte die Hände auf Barbaras Schultern und lachte sie an. »Soll er wie ein Filmstar aussehen? Muss er eine Grafenkrone mitbringen? Was verlangst du nur?«
»Ich weiß es wohl selbst nicht, Anita. Es sind vielleicht seine Augen, die mir nicht gefallen.«
»Ich mag diese unbestimmbare Farbe besonders gern.«
»Nicht die Farbe der Augen stört mich, sondern dass sie recht eng zusammenstehen.«
»Dafür kann er nichts, Barb. Nicht jeder Mensch kann bildschön sein. Ich finde, dass Frederik männlich und gut aussieht.«
»Schon recht, Anita. Jetzt will ich deine Koffer auspacken. Da wird allerlei in Ordnung zu bringen sein.«
»Nicht viel, Barb. Ich habe mir unterwegs neue Kleider gekauft. Die alten Sachen habe ich verschenkt. Sie gefielen mir nicht mehr.«
»Dabei war fast jedes Stück neu.«
»Macht