und Staunen. Er hatte es sich in dem einfachen Hotelzimmer so gemütlich wie möglich gemacht und war eben dabei, einen Brief zu schreiben.
»Hoffentlich störe ich nicht.«
»Wie könnten Sie, Frau von Schoenecker! Darf ich etwas für Sie bestellen? Sie kochen recht guten Kaffee hier, und der Käsekuchen ist hausgebacken.«
»Nur eine Tasse Kaffee, bitte. Dabei plaudert es sich netter.«
Der Künstler klingelte und gab die Bestellung auf.
Denise trug ihr Anliegen ohne besondere Umschweife vor. Sie wollte wissen, was Thilo Bach von den geschäftlichen Plänen Frederik Mintows hielt.
»Ich hatte bereits die Absicht, mit Ihnen und Ihrem Mann darüber zu sprechen«, erwiderte Thilo lebhaft. »Anita ist verliebt und verblendet, fürchte ich. Jahrelang hat sie zurückgezogen gelebt und kaum Umgang mit anderen Leuten gehabt. Sie ist jetzt Wachs in den Händen dieses Mannes. Offenbar zögert ihr Anwalt, den wundervollen Familiensitz zu veräußern. So etwas ist später nicht mehr rückgängig zu machen. Man sollte sich über Herrn Mintow erkundigen. Ich bin misstrauisch. Das klingt alles gar zu großartig. Vor allem stimmt es mich nachdenklich, dass Sibylle ihn nicht mag. Kinder besitzen einen untrüglichen Instinkt.«
»Ja, manchmal trifft das zu.«
»Ich kann und darf nicht zusehen, wie mein Kind ins Unglück gestürzt wird. Auch Anita ist zu schade, um einem Mitgiftjäger auf den Leim zu gehen.« Thilo hatte sich heiß geredet. Die Sache ging ihm nahe.
»Mein Mann ist mit einem hervorragenden Juristen befreundet. Ob wir uns dort Rat holen sollten?«
»Wenn das möglich wäre? Auf jeden Fall habe ich bei Anitas Anwalt ein Vorkaufsrecht für das Anwesen mit der Villa angemeldet und einen Betrag als Sicherheit hinterlegt.«
»Soviel liegt Ihnen daran?«
Thilo erwiderte ihren Blick freimütig. »Ja, Frau von Schoenecker. Es gibt nichts, was mir wichtiger wäre.«
Sie telefonierten mit Alexander von Schoenecker, der versprach, sich sofort mit seinem Freund in Verbindung zu setzen. Es war dabei eine Hilfe, dass Thilo Namen und Anschrift von Anitas Rechtsbeistand angeben konnte.
*
An einem stürmischen Tag Anfang Oktober stand Thilo Bach vor dem hohen Eisentor der Villa Germersheim und läutete. Der Wind zerrte an seinem leichten Mantel, ein paar Tropfen schlugen ihm ins Gesicht.
Barbara öffnete. Sie stellte keine Fragen und zeigte nicht einmal Überraschung. »Ich rufe Anita«, sagte sie nur.
Anita ließ ihn kaum zwei Minuten warten. »Ist etwas passiert?«, rief sie leise aus. »Ich will morgen nach Sophienlust. Geht es Sibylle gut?«
»Billchen geht es ausgezeichnet., Anita. Sie brauchen sich um das Kind keine Sorgen zu machen.«
Sein ernstes Gesicht beunruhigte sie. Nervös drehte sie an ihrem kostbaren Ring.
»Es fällt mir nicht leicht, Anita, das zu sagen, was notwendig ist. War Herr Mintow kürzlich bei Ihnen?«
»Gestern erst. In der Nacht ist er nach Amsterdam geflogen. Er hat dort zu tun. Worum handelt es sich?« Anitas Augen waren forschend auf Thilo Bach gerichtet.
»Frederik Mintow heißt mit seinem richtigen Namen Fritz Mintowsky und hat bereits mehrmals im Gefängnis gesessen, Anita.«
»Nein, das … das muss eine Verwechslung sein.« Die Stimme wollte ihr kaum gehorchen.
»Seine Delikte waren Betrug, Juwelendiebstahl und Hehlerei beim Verkauf von geraubtem Schmuck. Erst vor einem Jahr war er wieder wegen eines Schmuckraubes angeklagt, doch konnte man ihm nichts nachweisen. Es handelte sich um besonders wertvolle Stücke, die einer Engländerin gehörten. Er scheint seinen aufwendigen Lebensstil vom Verkauf dieser Juwelen zu finanzieren. Dabei hat er es bis jetzt so geschickt angefangen, dass ihm nie etwas zu beweisen war. Einige Stücke aus dem Schmuckschatz tauchten an den verschiedensten Plätzen der Welt auf. Kein einziges Mal schien Mintowsky die Hand im Spiel zu haben.«
»Thilo, das sind bösartige Verleumdungen. Fritz Mintowsky und Frederik sind zwei verschiedene Personen.«
»Leider nicht, Anita. Schauen Sie sich das an.« Er zog eine Fotografie aus seiner Brieftasche, die unverkennbar den Rubinreif zeigte, den Anita am Finger trug. »Der Ring ist geraubt. Mintowsky muss sich sehr sicher gefühlt haben. Wahrscheinlich rechnete er damit, dass niemand bei einer Anita Germersheim gestohlenen Schmuck vermuten würde.«
»Aber …« Anita war so blass geworden, dass Thilo erschrak.
»Es hilft nichts, Anita«, flüsterte er und legte dabei den Arm um sie, als wolle er sie behüten und beschützen. »Die Wahrheit ist, dass die Geschichte mit der Mine auf Ceylon frei erfunden ist. Er wollte ins Ausland, um sich allen polizeilichen Nachforschungen zu entziehen. Durch die Heirat, die ebenfalls ins Ausland verlegt werden sollte, wäre er auf bequeme und legale Weise in den Besitz Ihres gesamten Vermögens gekommen. Die Adoption, die er anstrebte, hätte ihm außerdem Sibylles Erbteil in die Hand gegeben.«
Anita fasste sich allmählich. »Mit diesem Ring wird man ihm den Schmuckraub nachweisen können«, flüsterte sie und zog den Rubin hastig vom Finger.
»Ja, ein Glück, dass Ihr gewissenhafter Anwalt mit dem Verkauf des Hauses gezögert hat. Er beauftragte auf eigene Verantwortung einen Privatdetektiv mit Nachforschungen. Das erfuhren wir, als Herr von Schoenecker sich über einen befreundeten Juristen einschaltete.«
»Herr von Schoenecker?«, stammelte Anita.
»Ja, ich habe ihn um Hilfe gebeten. Es erschien mir unverantwortlich, weiterhin tatenlos zuzusehen, wie Sie diesem Menschen Ihr und Sibylles Schicksal blindlings anvertrauten.«
»Seit das Kind sich immer mehr gegen ihn stellte, war ich meiner eigenen Gefühle nicht mehr sicher, Thilo«, gestand Anita kaum vernehmbar. »Wie dumm und leichtgläubig bin ich doch gewesen. Es hätte mir längst auffallen müssen, dass er meist von meinem Vermögen sprach und nur selten von Liebe. Ich schäme mich.«
»Das sollen Sie nicht, Anita. Habe nicht auch ich allen Grund, mich dessen zu schämen, was ich in der Vergangenheit getan habe? Sie wurden bewusst betrogen. Es ist keine Schande, wenn man sich mit verbrecherischen Machenschaften nicht auskennt.«
»Warum tun Sie das für – für mich?«
»Ich habe Carola gegenüber genug versäumt. Jetzt möchte ich für Sie und Sibylle das tun, was ich für meine Pflicht halte. Zum ersten Mal in meinem Leben habe ich eine Pflicht. Das bedeutet unendlich viel für mich.«
Sie blickte ihn an und konnte nun schon lächeln. »Danke, Thilo.«
»Ich werde mich um die Angelegenheit kümmern und dafür sorgen, dass der Name Germersheim nicht in Zusammenhang mit dem geraubten Schmuck genannt wird, Anita. Wir werden den Ring noch heute hinterlegen. Wenn Mintowsky tatsächlich in Amsterdam ist, wird er auf der Rückreise verhaftet werden.«
Anita erschauerte. »Ich war in Gefahr. Manchmal habe ich mich vor ihm ein wenig gefürchtet, zum Beispiel im Auto. Er fuhr grundsätzlich schneller, als erlaubt war.«
»Wir wollen nicht mehr daran denken. Diese Episode ist vorüber.«
»Es kommt mir vor, als sei es schon lange, lange her«, flüsterte Anita.
Thilo neigte sich über sie und legte seine Lippen auf ihren zitternden Mund. »Hilf mir, Anita«, bat er und liebkoste ihr verwirrtes Haar mit seinen Händen. »Ich brauche dich, um den Glauben an mich selbst wiederzugewinnen. So wie Carola und Bel habe ich vielen Mädchen Herzeleid zugefügt. Jetzt habe ich fast nicht den Mut, dich zu fragen, ob du das Wagnis auf dich nehmen willst, meine Frau zu werden. Aber es ist die einzige Möglichkeit, Sibylle glücklich zu machen.«
»Nur wegen Sibylle?«
»Nein, Anita – nicht nur wegen Sibylle. Es ist etwas mit mir geschehen, das mir wie ein Wunder erscheint. Ich habe Angst um dich gehabt. Daran erkannte ich, dass ich