Patricia Vandenberg

Dr. Norden Staffel 4 – Arztroman


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in den Nacken. »Das kann ich auch ohne Doktortitel.« Noch immer brannte die erlittene Schmach wie Feuer in seiner Seele, und sowohl Wendy und Janine als auch Daniel lächelten verständnisvoll.

      »Das wissen wir doch!«, versicherte Janine innig und hielt ihm den Telefonhörer hin, damit er sein Versprechen gleich in die Tat umsetzen und Marion Körber über die notwendigen Schritte informieren konnte.

      *

      Am Anfang ihrer Beziehung hatten Danny und Tatjana viel Zeit in Tatjanas Studentenbude verbracht. Seit der junge Arzt aber in sein erstes eigenes Reich gezogen war, war die geschmackvoll eingerichtete Drei-Zimmer-Wohnung zum Hauptdomizil des jungen Paares geworden. Aufgeben wollte Tatjana ihr kleines Apartment trotzdem nicht, garantierte es ihr doch ein Mindestmaß an Unabhängigkeit, falls die Beziehung zu Danny schief gehen sollte oder sie einfach ihre Ruhe haben wollte. Manchmal, wie an diesem Abend, machte sie sich auch einen Spaß daraus, ihn zum Essen einzuladen und ihn zu bekochen wie am Anfang ihrer Beziehung. Umso mehr wunderte sie sich daher über den Vorschlag, den er ihr, beeinflusst von den Ereignissen dieses Tages, an diesem Abend beim Abendessen unterbreitete.

      »Sag mal, was hältst du davon, wenn du das Apartment aufgibst und ganz zu mir ziehst?«, fragte er und ließ den Rotwein im Glas kreisen. Dabei hielt er den Blick gesenkt, als wagte er es nicht, Tatjana in die Augen zu sehen.

      Die hatte eben kunstvoll Spaghetti im Teller aufgedreht. Nun sie ließ die Gabel sinken und sah ihn verdutzt an.

      »Ich dachte, wir sind uns einig darüber, dass ich das nicht tun werde.«

      »Es ist schon eine Weile her, dass wir darüber gesprochen haben. Die Zeiten ändern sich …«, gab er zu bedenken und trank einen Schluck Wein.

      »Und was sollte sich zwischen uns geändert haben, das diesen Schritt nötig macht?«, erkundigte sich Tatjana misstrauisch und schob die Gabel in den Mund. Während sie kaute, ließ sie ihren Freund nicht aus den Augen. Obwohl sie ihn nicht richtig sehen konnte, ahnte sie, dass etwas im Busch war. Etwas, womit er nicht recht herausrücken wollte. »Oder ist mir irgendwas entgangen? Hast du mir womöglich einen Heiratsantrag gemacht und dich per Ehevertrag zur Zahlung einer monatlichen Apanage von 10.000 Euro im Falle einer Scheidung verpflichtet, falls das zwischen uns schief geht?«, fragte sie scherzhaft und wischte sich die vollen, mit Tomatensauce beklecksten Lippen mit der Serviette ab.

      Dankbar fing Danny den Ball auf, den sie ihm mit dieser Bemerkung unbewusst zugespielt hatte.

      »10.000 sind wahrscheinlich nicht drin. Aber wenn ich meinen Doktor in der Tasche habe, verdiene ich mehr. Wir könnten uns auf … sagen wir mal … ein Zehntel davon einigen«, ging er auf Tatjanas scherzhaften Tonfall ein und grinste sie an.

      »Dann besteht ja keine Eile«, winkte die beruhigt ab und griff nach ihrem Weinglas. »Zuerst muss ich mal meine Ausbildung fertig machen. Und dann bist du mit deiner Promotion dran. Oder hast du schon vergessen, was wir besprochen haben?«, erinnerte sie ihn an die Vereinbarung, die sie getroffen hatten.

      Um ihre Beziehung nicht zu sehr zu belasten, sollte immer einer für den anderen Zeit haben.

      »Natürlich nicht«, widersprach Danny heftiger als nötig und legte das Besteck ihn den halbvollen Teller. Vor Aufregung war ihm der Appetit vergangen. Das Gespräch mit Tatjana entpuppte sich als genauso schwierig, wie er sich das vorgestellt hatte und er musste sich räuspern, bevor er weitersprechen konnte.

      »Deshalb dachte ich ja, dass es eine gute Idee ist, wenn du zu mir ziehst. Dann könntest du deine Lehre fertig machen und ich gleichzeitig promovieren. Du müsstest dich nicht mehr um die Bude hier kümmern, nicht mehr aufräumen und putzen. Mal abgesehen von der Fahrerei. Wir wären jeden Abend zusammen, könnten gemeinsam lernen, uns abfragen, gegenseitig bei der Hausarbeit entla …« Weiter kam er nicht.

      In diesem Augenblick stellte Tatjana das Weinglas so hart auf den Tisch, dass es klirrte.

      »Ich glaub, ich hör nicht recht«, fauchte sie. Ihr schmaler Körper bebte vor unterdrücktem Zorn. »Wann hast du dir das denn ausgedacht, Daniel Norden junior?«

      Im diesem Moment begriff der junge Mann, dass er dieses Gespräch völlig falsch angefangen hatte. Doch diese Erkenntnis wurde überlagert von dem Ärger, der auch in ihm zu brodeln begann.

      »Hast du schon mal darüber nachgedacht, dass ich irgendwann mal meine Zukunft planen muss?«, schnappte er ärgerlich zurück. Schlagartig sah er wieder die Szene des vergangenen Tages vor sich, fühlte die brennende Scham in sich, als Else Unterholzner ihn vor allen anderen bloß gestellt hatte. Dabei konnte er ihr noch nicht einmal die Schuld in die Schuhe schieben. Schließlich hatte sie recht mit dem, was sie gesagt hatte. Doch davon wusste Tatjana nichts und er war in diesem Moment so wütend, dass er auch nicht daran dachte, es zu tun. »Was ist denn bitteschön ein Arzt ohne Doktortitel? Es wird höchste Zeit, dass ich dieses leidige Thema endlich vom Tisch bekomme«, verteidigte er sich vehement. War es denn zu viel verlangt, dass sie ihn unterstützte?

      Um sich zu beruhigen, atmete Tatjana tief ein und aus. Sie hatte den Stuhl zurückgeschoben und die Arme vor dem Oberkörper verschränkt. Ihre sonst so großen, bestechend blauen Augen waren nur noch schmale Schlitze. So erkannte sie Danny kaum mehr. Aber das war auch nicht nötig. Sie wusste genau, welches Gesicht er machte.

      »Eigentlich dachte ich ja, dass wir eine gleichwertige Partnerschaft führen, in der wir alle Beschlüsse gemeinsam fassen.« Ihre Stimme war völlig verändert, kühl und reserviert. »Aber offenbar habe ich mich getäuscht. Natürlich kannst du deine Promotion schreiben, wann immer du es für nötig hältst. Dann werde ich aber auch das tun, was ich richtig finde, ohne mich groß mit dir abzustimmen.«

      Es war ihr Tonfall, der Danny beunruhigte.

      »Tatjana, bitte, das war eine spontane Idee heute«, erklärte er und beugte sich ein Stück über den Tisch. »Sie ist im Gespräch mit meinem Vater entstanden …«

      Doch das waren wieder die falschen Worte. Sie verletzten Tatjana nur noch mehr.

      »Weißt du, dass ich manchmal den Verdacht habe, dass du mit jedem mehr sprichst als mit mir?«, klagte sie bitter und schob den Stuhl zurück. Sie stand auf und zog ihm den Teller so forsch unter dem Gesicht fort, dass Danny erschrocken zurückzuckte. »Wenn du mich jetzt bitte entschuldigst«, sagte sie noch, bevor sie sich umdrehte und einen großen Schritt in Richtung Küchenzeile machte. Mehr war nicht nötig, um die Teller in die Spüle zu stellen. »Ich habe übernächste Woche Berufsschule und schreibe ein paar wichtige Arbeiten. Dafür muss ich noch eine Menge lernen.«

      Es dauerte einen Moment, bis Danny die Bedeutung ihrer Worte erfasste.

      »Ist das etwa ein Rausschmiss?« Obwohl er Tatjanas Ärger tief drinnen verstand, schnappte er empört nach Luft. Das hatte sich noch niemand erlaubt!

      Tatjana drehte sich zu ihm um und lächelte kühl. Wenn sie sich ärgerte, versteckte sie es perfekt vor ihm.

      »Sei nicht albern! Ich habe lediglich gesagt, dass ich noch lernen muss. Das wirst du doch verstehen.« Und ehe er eine Antwort fand, fügte sie hinzu: »Genauso wie ich verstehe, dass du deine Promotion schreiben musst. Deine Eltern sind bestimmt stolz auf dich.« Damit schlängelte sie sich am Tisch vorbei und ging durch das kleine Wohnzimmer hinüber zum Schlafzimmer. Als die Tür ins Schloss fiel, zuckte Danny zusammen. Wutentbrannt sprang er auf und schleuderte die Papierserviette auf den Tisch. Dann rauschte er aus der Wohnung, zutiefst gekränkt in seiner Eitelkeit und verletzt in seiner männlichen Ehre, während Tatjana auf ihrem Bett saß und vor Zorn schnaubte wie ihr Freund.

      *

      »Wo hast du denn Tatjana heute gelassen?«, erkundigte sich Lenni, als sie Danny am nächsten Morgen die Tür öffnete.

      Er wirkte unausgeschlafen und war unrasiert. Und auch die Tüte der Bäckerei, die er ihr in die Hand drückte, sah anders aus als sonst.

      »Sie muss für Prüfungen lernen«, antwortete Danny laut und deutlich, damit es auch die anderen Familienmitglieder hörten, die schon im Esszimmer auf ihn warteten. Wenigstens musste er nicht lügen und setzte sich an den großen Tisch. Mit großem Hallo wurde