Stimmen ist wirklich so etwas von ergreifend.«
1965 nahm Udo Jürgens wieder am Eurovision Song Contest, diesmal in Neapel, teil und erreichte mit »Sag ihr, ich lass sie grüßen« Platz vier.
Udo wollte unter gar keinen Umständen ein drittes Mal beim Grand Prix Eurovision de la Chanson mitmachen. Er hatte schon zwei Mal hintereinander teilgenommen, und bis dahin war noch kein Sänger zwei Mal in diese Arena gegangen. Dazu kam, dass er beim Grand Prix 1965 nervlich am Ende war. Der klimatische Umschwung, die Hochspannung nahmen ihn so mit, dass er nach der Veranstaltung zusammenbrach. Und er fasste den Entschluss: Nie mehr Grand Prix! Doch sein Manager war ein kühler Rechner und daher für ein Dacapo: Bei beiden Grand-Prix-Auftritten haben jeweils weltweit 200 Millionen Zuseher Udo Jürgens gesehen. Diese Menschen bewundern den Troubadour, wenn er zum dritten Mal an dieser Veranstaltung teilnimmt. Es gab einen Kampf Udo gegen Beierlein, der zugunsten des Managers entschieden wurde. Udo fuhr nach Luxemburg.
Da die Vorjahressiegerin France Gall für Luxemburg angetreten war, fand der 11. Eurovision Song Contest am 5. März 1966 in diesem Land statt. Als neue Regel wurde in diesem Jahr erstmals eingeführt, dass jedes Land nur Texte in seiner eigenen Sprache vortragen dürfe. Dies war aufgrund des schwedischen Beitrages 1965, als der Interpret ausschließlich auf Englisch sang, beschlossen worden. Sieger wurde Udo Jürgens mit dem Lied »Merci Chérie« (Musik: Udo Jürgens, Text: Thomas Hörbiger und Udo Jürgens). Er erhielt mit 31 Punkten fast doppelt so viel wie das zweitplatzierte Schweden.
Wer von den 750 000 Fernsehteilnehmern in Österreich Udo den Daumen drückte, blieb im Verborgenen.
Beierlein meint: »Wäre nun sein Auftreten in Luxemburg schiefgelaufen, so hätte Udo natürlich Oberwasser bekommen und gesagt: ›Siehst du, ich habe es ja gleich gesagt, das tut man nicht!‹ Aber so hat er den ersten Platz belegt. Von diesem Moment an war ein Jahr lang keinerlei Debattierstoff mehr da.«
Als Udo Jürgens in Österreich zurück ist, hat sich die politische Landschaft völlig verändert. Die Nationalratswahl am 6. März 1966 – einen Tag nach dem Song Contest – war die elfte in der Geschichte der Republik Österreich.
Unter Bundeskanzler Josef Klaus wurde die ÖVP stimmen- und mandatsstärkste Partei. Erstmals seit 1945 konnte sie wieder eine absolute Mandatsmehrheit erringen. Auch wenn die SPÖ unter Bruno Pittermann Stimmen und Mandate verlor, wurde sie dennoch zur zweitstärksten Partei. Mit dem ehemaligen SS-Obersturmführer Friedrich Peter als Spitzenkandidat musste auch die FPÖ einen Verlust von Stimmen und Mandaten hinnehmen.
Wahlberechtigt waren 4 886 818 Menschen. Die Wahlbeteiligung betrug 92,74 Prozent (1962: 92, 73%).
Udo Jürgens wird bei seiner Rückkehr aus Luxemburg am Donnerstag, dem 10. März, ein fulminanter Empfang in Wien bereitet.
Sein Bruder Manfred beendet gerade das Studium »Fresco, Fotografie und Grafik« in Graz und beginnt als freischaffender Fotograf in München zu arbeiten.
1966 erscheinen die ersten Berichte über den bis dahin nur im Ausland als Komponist erfolgreichen österreichischen Sänger Udo Jürgens. Schlagzeilen wie »Nun hat auch unser Sprachraum ein Export-Idol« oder »Ein deutschsprachiger Schlagermacher und -interpret dazu, der auch im Ausland reüssiert, ist etwas so Seltenes« zieren Betrachtungen über den Künstler in den Printmedien.
Udo gelingt nun endgültig der Durchbruch zum Weltstar. Da kommt es gerade recht, dass am 4. September 1966 die Gesellschaftsberichterstattung aus der Taufe gehoben wird. Die Figur des »Adabei« wird von der »Kronen Zeitung« nach ihrer Neugründung wieder aufgegriffen. (Der Zeichner und Illustrator Ladislaus Tuszynski belebte 1903 die Alt-Wiener Figur des Adabei – ein Wiener Genießer, der überall dabei sein muss – zu neuem Leben.) Adabei wurde in Wien zu einer Berühmtheit. Allerdings ist der neue Adabei kein Illustrator, sondern ein umtriebiger Gesellschaftsreporter, in diesem Fall: Roman Schließer.
Udo Jürgens liefert genug Material für die Gesellschaftsspalten. Denn es folgen Hit auf Hit, Tournee auf Tournee, Auszeichnung auf Auszeichnung. Am 6. April 1967 überreicht ihm der französische Sänger Charles Aznavour die Goldene Schallplatte für »Merci Chérie« im Büro der französischen Fluglinie »Air France« gegenüber der Wiener Staatsoper.
Der Mann, der vor wenigen Jahren kaum Geld für ein warmes Abendessen hatte, ist nun Millionär. Auch für Panja bringt der Erfolg eine Umstellung mit sich. Udo war früher immer zuhause. Und wenn er einmal weggefahren ist, war sie mit dabei, denn sie hatten noch keine Kinder.
Am 22. Jänner 1967 kommt Tochter Jenny zur Welt. Es ist eine dramatische Geburt, bei der Panja fast ums Leben gekommen wäre. Udo auf seinen Tourneen zu begleiten, ist mit zwei Kindern nicht mehr möglich. Auch Johnny fällt auf, dass sein Vater nie zuhause ist und immer nur mit ihm telefoniert. Panja versucht, Johnny zu erklären, dass Udo eben einen außergewöhnlichen Beruf habe. Zum besseren Verständnis nimmt Panja ihn in ein Konzert mit. Aufmerksam und mit großer Begeisterung sieht Johnny seinen Vater auf der Bühne.
1969 zieht die Familie von München ins Landhaus »Santa Barbara« nach Kitzbühel. Wenn Udo da ist, vollzieht sich immer der gleiche Tagesablauf: Udo steht um elf Uhr auf – er ist ein Spät-zu-Bett-Geher und steht spät auf. Panja ist eine Früh-zu-Bett-Geherin. Wenn die Kinder mit Panja mittagessen, frühstückt Udo gerade. Meistens liest er dann Zeitung – das läuft bei ihm ganz genau nach Plan ab und ist auch noch heute so. Nach dem Essen machen die Kinder Mittagsschlaf, und danach spielt Udo mit ihnen noch ein halbes Stündchen. Dann macht er einen Spaziergang von mindestens zwei Stunden. Meistens wandert er allein mit dem Hund. Dabei schaltet er ab, da kommen ihm seine Einfälle. Wieder zuhause, isst er meistens noch eine Kleinigkeit, ehe er sich an den Flügel setzt und spielt, bis das Abendessen um 18 Uhr 30 fertig ist. Nach dem Essen widmet sich Vater Udo noch eine Stunde seinen Kindern.
Im Freundeskreis erzählt Udo gern von seiner speziellen Art der Kindererziehung: Zuhause macht er vor den Kindern bewusst so ziemlich alles falsch, was man falsch machen kann. Er legt die Füße auf den Tisch oder schmatzt beim Essen. Der knapp sechsjährige Johnny macht ihn dann auf seine Fehler aufmerksam. Udo bleibt dann immer ganz ernst und ist voll des Lobes für den aufmerksamen Johnny. Eine besondere Art der Kindererziehung. So lernen die Kinder spielerisch, wie man sich benimmt.
In Kitzbühel bleibt Udo meistens zuhause, denn er ist eigentlich ein häuslicher Mensch. Weil er so viel auf Reisen ist, hat er kein Interesse daran, abends auszugehen. Unterwegs, nach einem Konzert, ist das anders. Wenn er von der Bühne kommt, kann er nicht gleich abschalten und im Hotelzimmer zu Bett gehen – er muss noch irgendwo hin.
Die Marathon-Tournee »Udo ’70«
Udo Jürgens bereitet sich seit Anfang 1969 auf sein bisher größtes Abenteuer vor: eine Marathon-Tournee, die Udo ’70-Tour.
Warum geht ein Künstler auf Reisen? Es liegt eine besondere Kraft darin, dass sich die Fans ihrem bisher unerreichten Idol nähern können. Es besteht Hoffnung, auch wenn es nicht jedem gelingt, ihm nahe zu kommen. Es entsteht zwischen Star und Fan eine stärkere Bindung, was für den Plattenverkauf nicht unerheblich ist. »Sich das Publikum erobern gehört zum Schwierigsten in unserem Beruf«, erklärt Jürgens. Der Star schüttelt von der Bühne herab Hände, gibt brav Autogramme, sozusagen als Dank für allerlei Liebesbezeugungen wie Maskottchen, Briefe, Blumensträuße oder ganz persönliche Kleidungsstücke, die er vom Publikum unten im Saal entgegennehmen kann. Die Vertrautheit mit dem Star wird schlussendlich durch das Autogramm dokumentiert: je persönlicher gestaltet, desto größer die Nähe.
In meinem Tagebuch ist unter dem Datum 6. April 1970 folgende Aufzeichnung nachzulesen: »Heute ein Udo ’70-Plakat bekommen. Udo Jürgens kommt im Rahmen der Udo ’70-Tournee am 17. April 1970 nach Dornbirn.«
Und am Tag des Konzerts geht meine Tagebuchaufzeichnung über drei Seiten: »Heute ist UDO JÜRGENS in Dornbirn. Ich hatte um 15 Uhr die Schule aus. Mit meinen Freundinnen Inge, Erna, Anni und Elke ging ich ins Parkhotel, das wohl nobelste Hotel der Stadt. Jeder Star residiert hier. Udo ist noch nicht da. Man sagte uns (ein dicker Mann)« – Es ist Udos Manager, Hans R. Beierlein möge mir meine jugendliche Ausdrucksweise verzeihen! –, »dass er um 16 Uhr 30 kommt. Er bezahlte uns allen eine