Lisbeth Bischoff

Udo Jürgens - "Merci"


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gerade wieder in seinen Mercedes einsteigen, als ich zu ihm ging und um ein Autogramm bat. Er sagte: ›Bitte sehr, Fräulein!‹ Dann setzte er sich ins Auto und fuhr ab. Er drehte sich um und winkte. Ich natürlich zurück. Der ist so nett, ja wahnsinnig. Und vor allem er hat so schöne gepflegte Hände und Fingernägel.«

      Ich bin vierzehn und begeistert von diesem ersten Treffen mit Udo!

      So reist ein Star: Das Mercedes-Werk hat ihm den 600er Pullman für die Dauer der Tournee zur Verfügung gestellt: eine Original-Staatskarosse, in der er arbeiten, telefonieren und fernsehen kann. Auch eine eingebaute Bar fehlt nicht, wie ich der Yellow Press entnehmen kann. Hans R. Beierlein sorgte für ein besonders originelles Zubehör des Pullman: Er schenkte Udo zum 35. Geburtstag ein Piano, das in den Fond passt und auf dem der Sänger sogar während der Fahrt spielen kann.

      Es ist die »Tournee der Tourneen«. Sie dauert genau zehn Monate: Vom 4. September 1969 (im Markgräflichen Opernhaus Bayreuth) bis 4. Juli 1970 (in der Berliner Deutschlandhalle).

      In 153 Städten in Deutschland, Österreich, der Schweiz, Holland, Belgien, Luxemburg, Polen, der Tschechoslowakei, Ungarn, Rumänien, Bulgarien fanden insgesamt 222 Konzerte statt, darunter 69 Wiederholungen.

      Mit Udo stehen fünf Künstler von Weltklasse auf der Bühne: Pianist Heinz Allhoff, Schlagzeuger Bob Blumenhofen, Gitarrist Walter Graegel, Bassgitarrist Siggi Uebelherr und an der Orgel Willy Uebelherr. Diese sechs Herren bilden die »Udo Jürgens-Band«. Sie sind mehr als Kollegen, mehr als Chef und Mitarbeiter – sie sind gute Freunde. Diese Freundschaft bildet die Grundlage für eine perfekte Show, bei der jeder einzelne Musiker dokumentiert, dass er seinen Beruf liebt und ernst nimmt. Das kommt beim Publikum an. »Ich war und bin ein Mensch, der überzeugen will«, sagt Udo.

      Die Statistik dieser Tournee spricht Bände: Über eine halbe Million Besucher kamen zu den Konzerten. 23 000 mussten sich mit Stehplätzen begnügen. Nur 22 Konzerte waren nicht ganz ausverkauft.

      Der Damenanteil im Publikum lag Schätzungen zufolge bei 60 Prozent.

      70 000 Kilometer legte Udo zurück, davon 60 000 im Wagen, den Rest im Flugzeug. Der Sänger übernachtete in 108 Hotels. Pro Konzert wurden von Udo durchschnittlich 34 Lieder gesungen. Hinzu kamen meistens sieben Zugaben. Unterm Schlussstrich heißt das, während der Tournee sang Udo 9102 Lieder. Unter ihnen Hits wie »Anuschka«, »Was wirklich zählt auf dieser Welt«, »Mary Ann«, »Babuschkin«, »He’s got the whole world«, »Ich glaube« und »Mein Freund, der Clown«.

      1332 Tassen Kamillentee flossen durch Udos Kehle. Der Troubadour schüttelte rund 100 000 Hände. Er gab etwa 200 000 Autogramme – auf Programmhefte, Eintrittskarten, Postkarten, Geldscheine, Schallplattenhüllen, Poster, Zeitschriften, Handtaschen, Reisepässe, Kennkarten, Stirnbänder, Blusen, Busen, Stirnen, Arme, Beine und Schenkel. Der Verbrauch an Schreibutensilien war enorm: 238 Filzstifte und 1867 Kugelschreiber.

      Jedes Konzert dauerte durchschnittlich zwei Stunden und 20 Minuten. Udo stand demnach 518 Stunden auf der Bühne. 30 000 Geschenke wurden dem Tournee-Rekordler verehrt, darunter rund 24 000 Blumen, hauptsächlich Rosen, Nelken, Tulpen, Flieder, Vergissmeinnicht, Narzissen, Orchideen, Geranien, Primeln, Feldblumen, Kleeblätter – und vierzehn Kakteen. Von Blumen abgesehen waren es Hunde, Katzen, Goldfische, Singvögel und Hamster, ferner Uhren, Teller, Zeichnungen, Zinnwaren, Bilder, Schlüsselanhänger, Armbänder, Ketten, Feuerzeuge, Aschenbecher, Amulette, Stofftiere, Puppen, Fotoalben, Kämme, Spiegel, Porzellan, Nippes, Fotorahmen, ein Kleinklavier, selbstgebackene Torten und Kuchen, Fußbälle, Sportgeräte, Teppiche, Vasen, Leuchter, Kerzen, Bestecke, Tassen, Wein und Schnaps – sowie fast ein Zentner Tee! Und eine bisher unbekannte Großtante Udos soll aufgetaucht sein.

      Auf der Verlustliste stehen, neben Filzstiften und Kugelschreibern, drei Mercedes-Sterne, sieben Radkappen, eine Telefonantenne, 23 Teegläser samt Inhalt, 412 Einstecktücher und vier Smokings samt 43 zerschlissenen Hemden.

      Amateurkomponisten und -dichter überhäuften Udo mit Noten, Texten und Tonbändern im Gesamtgewicht von 21 Kilo. Ferner konnte er sich vor Einladungen zum Tee, Kaffee, Mittagessen, Abendessen, zum Schäferstündchen und zum Gruppensex kaum retten!

      »Von Udos Absagen können zwei deutsche Schlagersänger ein paar Jahre leben!« Dieser beinahe zum geflügelten Wort gewordene Spruch hat seine Berechtigung, denn wegen der zehnmonatigen Tournee hatte Udo mehrere Angebote vorläufig ablehnen müssen: ein sechzehntägiges Gastspiel im »Olympia«, Paris; die Mitwirkung als Stargast beim Olympiade-Ball zur Unterstützung der Olympischen Spiele 1972; die Teilnahme als Stargast bei »Midem« in Cannes, der größten Musikfachmesse der Welt; eine Drei-Wochen-Tournee durch Südafrika mit der höchsten Gage, die in diesem Land je für einen kontinentalen Sänger angeboten wurde; die Teilnahme als Stargast auf der Weltausstellung in Osaka; die Mitwirkung in der von 42 Fernsehstationen in aller Welt übertragenen Gala der Französischen Schauspieler-Union; eine mehrwöchige Tournee durch Japan und ein Dutzend Fernsehauftritte im selben Land; eine mehrwöchige Tournee durch Südamerika und ein Dutzend Fernsehauftritte in Brasilien, Argentinien und Mexiko; die Mitwirkung als Stargast beim exklusiven »Bal paré« der »BUNTEN«; die Mitwirkung in 21 Fernsehshows in Deutschland, Österreich, Frankreich, Holland, Belgien, der Schweiz, England, Italien und Spanien, darunter der Nana Mouskouri/Harry Belafonte-Show.

      Über eineinhalb Millionen Mark (767000 Euro) hätte Udo Jürgens für diese Engagements bekommen – aber seine Mammut-Tournee war auch sehr ertragreich. Wäre er nicht bereits vorher Millionär gewesen (wir sprechen von DM-Millionär), hätte er es spätestens jetzt erreicht. Die Tournee ließ Udos Stern im bisher hellsten Licht erstrahlen.

      Während des an sich reibungslosen Ablaufs gab es doch zwei Zwischenfälle: Unbekannte drohten Udo umzubringen, wenn er nicht 24 000 Mark zahlen würde. Und bei einem Konzert in Meppen im deutschen Niedersachsen explodierte eine Tränengasbombe – bei dem Lied »Dann kann es sein, dass ein Mann auch einmal weint«.

      Bei dieser größten Tournee, die es bis dahin gab, musste Udo allerdings für ein paar Tage pausieren. Er hatte Grippe.

      Der – nach Tom Jones – teuerste Star Europas brachte es auf ein Monatseinkommen von 500 000 Mark (255 645,94 Euro), so munkelt man. Sein »Apparat« verschlang davon allerdings die Hälfte. Nichts verdienten die Plakatanschlagfirmen: Man brauchte sie nicht. Udos Konzerte waren im Voraus ausverkauft.

      »Angst habe ich keine, wenn ich auf die Bühne gehe«, resümiert Udo Jürgens, als ich ihn auf diese Erfolgstournee anspreche. »Das ist auch etwas ganz Falsches, Angst zu haben, wenn man auf die Bühne geht, dann hat man schlechte Voraussetzungen. Aber eine gewisse Spannung ist natürlich immer da. Zudem ist es nicht eine Frage der Eitelkeit, dass ich auf die Bühne gehe, es ist eine Frage, ob die Menschen mich wollen oder nicht.«

      »Udo ’70 – der beste Udo, den es je gab!« Udo Jürgens ist das Idol der deutschen Jugend, die ihm zu Füßen liegt. Für die Zehnjährigen ist der »König des deutschen Schlagers« der zweitbeliebteste Mann der Welt, er kommt gleich nach Mao und noch vor John F. Kennedy. Udo hat einen Bekanntheitsgrad von 93 Prozent, den in Deutschland nur der verstorbene Exkanzler Konrad Adenauer mit 97 Prozent übertrifft. Auch bei Popularitätsumfragen