Friedrich Resch

13 Jahre


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für geflohene und versprengte Soldaten, die nach Deutschland wollten, und unterstützten auch untergetauchte Volksdeutsche. Andere leisteten Hilfsdienste im Rahmen eines in Rumänien funktionierenden deutschen Nachrichtendienstes, wobei es im Wesentlichen um Beschaffung von Informationen, aber auch um die Organisierung eines neuen Umsturzes, diesmal gegen die Sowjets, ging. In diesem Netzwerk wirkte Frau Katharina Mildt, die Mutter meines besten Freundes Harry, ebenso mit wie Anton Brössner, der Vater meines Freundes Dietmar. Dietmars Onkel Wilhelm Brössner leitete die Gruppe. Im Jahre 1952 wurden alle im Zusammenhang mit diesen Tätigkeiten verurteilt, Frau Mildt etwa erhielt eine Haftstrafe von zwei Jahren. Die Anklage lautete in ihrem Fall auf unterlassene Anzeige (nedenunţare) einer laut Securitate staatsfeindlichen Organisation. Frau Mildt verbrachte ihre Haft in Temeschburg und in der berüchtigten Haftanstalt für Frauen Mislea, von wo sie 1954 schwer krank entlassen wurde.

      Je weiter die Front nach Westen rückte, umso einschneidender wurden die gegen die Deutschen eingeleiteten Maßnahmen. Die neuen linken Medien überboten sich in ihrer Hetze gegen alles, was deutsch war. Aber auch die nationalistische rumänische Presse hatte für uns nur Schmähungen und Hetztiraden übrig. Ende Oktober verbreitete sich dann ein Gerücht, welches Anlass zu besonderer Sorge gab. Es hieß, die Behörden würden Listen mit allen Volksdeutschen für deren Deportation in die Sowjetunion erstellen. Der letzte diesbezügliche „Warnschuss“ erfolgte für uns im Dezember, als im Nachbarland Ungarn die Deportation der dortigen Deutschen nach Russland begann. Die Aushebung der Volksdeutschen aus Rumänien begann dann im Sathmarer Gebiet, also in Nordsiebenbürgen, am 2. Januar 1945 und im Banat ab dem 14. Januar, einem Sonnabend. Überall tauchten Gruppen von rumänischen und sowjetischen Soldaten mit je einem Polizisten oder einem Zivilbegleiter auf. Das Ausheben erfolgte anhand von Listen mit Namen und Adressen. Es handelte sich laut Forderungen des sowjetischen Oberkommandos um Männer im Alter zwischen 16 und 45 Jahren und Frauen zwischen 18 und 30 Jahren. Ausgenommen waren Mütter mit Kindern unter einem Jahr. Gegen diese Grundsatzregel wurde freilich oft genug verstoßen.

      So wurden oft noch jüngere oder auch ältere Personen in Haft genommen, zuweilen anstelle untergetauchter Angehöriger. Wenn freilich die untergetauchte Person sich nachträglich stellte, so wurde der „Stellvertreter“ deswegen noch lange nicht freigelassen. Für die Russen, die mit der Festnahme oder der Bewachung von Gefangenen zu tun hatten, war in aller Regel nur die Anzahl der Leute maßgeblich, die auf ihrer Liste stand und somit abgeliefert werden musste. Daher kam es häufig vor, dass völlig unbeteiligte Nichtdeutsche verschleppt wurden. Ich habe zum Beispiel Jahre später in der Haftanstalt Gherla einen Rumänen, mit mir fast gleich alt, kennengelernt. Er hieß Petrică Mustăcilă und stammte aus Reschitza im Südbanat. Zu der Zeit, als die ausgehobenen Deutschen aus der Umgebung zum Transport in die Sowjetunion in bereitgestellte Waggons gepfercht wurden, war Petrică zufällig am Bahnhof. Er blieb nur kurz stehen, ein laut schreiender Soldat hatte seine Aufmerksamkeit erregt. Plötzlich näherte sich ihm ein Russe, packte ihn am Arm, und bevor er die Absicht des Russen erkannte, fand er sich zwischen lauter Deutschen in einem Waggon wieder. Sein Protestieren nutzte nichts, er wurde anstelle eines entflohenen Deutschen zur Zwangsarbeit nach Russland gebracht. Nach fünf Jahren wurden die letzten überlebenden Rumäniendeutschen nach Hause entlassen. Petrică jedoch wurde, aus welchen Gründen auch immer, nicht entlassen. Nach einem weiteren Jahr gelang ihm die Flucht aus dem Lager und mit viel Mühe sogar über die Grenze nach Rumänien. Er fuhr mit der Eisenbahn quer durchs Land, erreichte unbehelligt Orschowa, war also schon nahe seiner Heimatstadt, als er in eine von Grenzsoldaten durchgeführte Personenkontrolle geriet und, weil ohne Papiere angetroffen, verhaftet wurde. Daraufhin wurde er wegen illegalen Grenzübertritts (!) zu mehreren Jahren Haft verurteilt. Wegen aktiver Teilnahme an der Revolte im Juni 1958 in Gefängnis Gherla wurde er noch einmal zu mehreren Jahren Haft verurteilt. Schließlich wurde er erst 1964 mit der Generalamnestie für politische Häftlinge entlassen. Das geschah im 20. Jahr, nachdem er vom Bahnhof seiner Heimatstadt „schanghait“ worden war.

      Als meine Eltern am 14. Januar von der begonnenen Verschleppung hörten, bezogen sie vorerst bei der rumänischen Nachbarfamilie Curta „Wartestellung“. Diese Vorsichtsmaßnahme sollte sich als äußerst vorteilhaft erweisen, denn etwa um Mitternacht wurde sehr heftig am Haustor geklopft, und ein Aushebungskommando bestehend aus mehreren russischen und rumänischen Soldaten und einem Polizisten kam ins Haus. Unsere Wohnung wurde durchsucht. Der Polizist überprüfte die Identität meiner Großmutter, meiner Tante Elsa und von mir. Dann erklärte er dem Russen, dass ich der Sohn der verschwundenen Eheleute Resch sei. Der Russe fasste mich am Arm, so als ob er meine Muskeln prüfen wollte, und sagte nur ein einziges mir unverständliches Wort, das sich anhörte, als hätte er mich für zu klein befunden. Offensichtlich hatte der rumänische Polizist mich als „Ersatz“ für meinen verschwundenen Vater angeboten. Anschließend wurden alle unsere Mieter überprüft und sogar ihre Wohnungen kontrolliert, auch die der Familie Curta. Aber da waren meine Eltern schon aus der Wohnung verschwunden. Sie saßen bei frostigen minus 10 Grad auf dem verschneiten Hausdach. Zum Glück dauerte ihr luftiger Aufenthalt jedoch nicht sehr lange, nach weniger als einer halben Stunde konnten sie herunterkommen. Wir waren Herrn Curta für seine Hilfsbereitschaft und seinem Mut sehr dankbar. Es gab damals nur sehr wenige Menschen, die ihre Freiheit und die ihrer Familie für die Rettung von Deutschen aufs Spiel setzten.

      Während der folgenden Wochen der Verschleppungsaktion hatte mein Vater noch einmal Glück, denn ein mit ihm befreundeter Oberleutnant beorderte ihn und einen weiteren Bekannten mittels gefälschter „Ordine de serviciu“ (Marschbefehle) zu seiner Einheit nach Lippa, wo sie die nächsten Wochen bis zur Beendigung der Verschleppungsaktion unbeschadet überstehen konnten. Meine Mutter blieb derweilen daheim und musste sich weiter bei Familie Curta verborgen halten. In den folgenden Tagen sah man noch immer Militärstreifen auf den Straßen, die Jagd nach Flüchtigen machten. Wohin man die Inhaftierten gebracht hatte, wussten wir zu dieser Zeit noch nicht.

      Im gleichen Zusammenhang erfuhren wir Ende Januar per Brief, dass Onkel und Tante Barth, als sie am Tage, bevor die Verschleppung begann, hörten, dass sie auch auf der Liste standen, beschlossen hatten, mittels Morphium aus dem Leben zu scheiden. Als die Häscher nach Mitternacht zu ihnen kamen und an Tor und Fenster polterten, öffnete niemand. Auf den Lärm hin kam aus dem Nachbarhaus der Notar, der die Tür öffnete und das Ehepaar in bewusstlosem Zustand vorfand. Ein aus dem Werkskrankenhaus herbeigerufener Arzt konnte sie beide retten, und sie entkamen sogar der Verschleppung. Später erfuhren sie auch, wer sie seinerzeit trotz der überschrittenen Altersgrenze auf die Verschleppungsliste gesetzt hatte.

      Nach dem 23. August 1944 begannen die Kommunisten, schrittweise die politische Macht im Lande an sich zu reißen. Zwar wurden anfangs auch bürgerliche oder sozialdemokratische Politiker mit Regierungsämtern betraut, doch von einer Regierung zur nächsten wurde der Anteil der Kommunisten größer und jener der anderen Parteien geringer. In der Regierung des Jahres 1946, die schon zum Großteil aus Kommunisten bestand, war außer Teohari Georgescu und Gheorghe Gheorghiu-Dej zum Beispiel auch noch Lothar Radaceanu als Vertreter jener Sozialdemokraten dabei, die nunmehr mit sowjetischer Hilfe den Weg der „Roten“ zur absoluten Machtübernahme ebneten. Dies führte zur Groza-Regierung, welche – nach anfänglichen Vorbehalten – am 04. 02. 1946 auch von den Regierungen Großbritanniens und der USA anerkannt wurde. Nach dieser Quasi-„Absegnung“ durch den Westen begannen die Kommunisten – von Moskau angeleitet –, sich der „nützlichen Idioten“ zu entledigen, die sie vorher zum Zwecke der Tarnung gebraucht hatten. So wurde Ana Pauker anstelle von Gheorghe Tătărescu Außenministerin und Emil Bodnăras an Stelle von General Răscanu Kriegsminister.

      Seit dem Umsturz waren bloß sechs Monate vergangen, aber die Verwandlung Rumäniens von einer konstitutionellen Monarchie in eine kommunistische Vasallenrepublik schritt mit beschleunigtem Tempo voran. Der letzte Akt sollte dann Ende 1947 folgen, als man die demokratischen Politiker mit politischen Prozessen überzog und ihre Parteien verbot. Die erzwungene Abdankung des Königs im gleichen Jahr war nur noch eine symbolische Handlung, denn entmachtet war das Königshaus faktisch schon seit dem Umsturz. Die Regierungsbezeichnung „Frontul National Democratic“ (Demokratische Nationale Front) vom 30. 12. 1947 konnte nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Kommunisten sowjetischer Prägung an der Macht waren. Dieses schnelle Abgleiten des Landes in eine linke Diktatur und vor allem die Art und Weise, wie dies geschah, gab Anlass