übernehmen. Zu den ersten Mitgliedern unserer Gruppe gehörten Fredi Prack, Franz Bayer und später Harry (Engelhard) Mildt, mein verlässlichster und aktivster Mitstreiter.
Das Sammeln von pyrotechnischen Materialien hatte – wie bereits geschildert – bei uns „Tradition“. Von den seinerzeit gesammelten Materialien hatten wir einen ganz ansehnlichen Haufen gelagert, vor allem Elektron aus Stabbrandbomben, Thermitpulver (ebenfalls aus Brandbomben), militärisches Schießpulver aus Artilleriegranaten und einige Kilogramm TNT in Form von Stangen, Würfeln und Bruchstücken. Dazu ein 0,5-Kilogramm-Würfel Nitrozellulose aus Wehrmachtsbeständen. Wir sammelten auch fleißig deutsche Granatwerfer- und Artilleriegeschosse, manche ohne Zünder, was besonders günstig war, weil man dann gefahrlos an die Sprengstoffladung gelangen konnte. Von meinem Bekannten Hans Portscheller erfuhren wir zum Beispiel von einem aufgegebenen Munitionslager außerhalb der Stadt. Wir begaben uns hin, sammelten etwa 20 Sprengkörper und vergruben sie in einem Granattrichter, von welchen es viele in der Umgebung gab. Geplant war, später den gesamten Munitionsbestand nach und nach in die Stadt zu schaffen. Vorläufig nahmen wir jedoch nur zwei oder drei Geschosse mit, aus welchen ich fast zwei Kilogramm TNT gewinnen konnte.
Eine heiklere Aufgabe war die Fertigung von brauchbaren Brandsätzen, Nebeltöpfen, Zündkapseln, Zündschnüren und der Kleinkalibermunition für Schießübungen. Als Material für Brandsätze besaß ich noch die erwähnten unverbrannten Wandungsstücke der Brandbomben, doch konnten wir deren Bearbeitung nur während der Abwesenheit meines Vaters in dessen Werkstatt vornehmen. Das war meistens sonntags möglich, und zwar im Sommer, wenn meine Eltern beim Angeln waren. Ich blieb an solchen günstigen Tagen daheim, für gewöhnlich mit der Ausrede, dass ich zu einer sportlichen Veranstaltung müsse. Dann wurden meine Kameraden schnell zur Arbeit zusammengetrommelt und es wurden aus Stabbrandbombenresten zylindrische Körper gedreht, aus denen Brandsätze gefertigt werden sollten. Wir haben nach und nach etwa ein Dutzend hergestellt und gelagert. Die Erprobungen dieser von mir entwickelten Brandsätze wurden im Gelände an der Temesch durchgeführt. Im letzten Jahr unserer geheimen Tätigkeit wurde Herbert Winkler zu unserem Chemiker. Die von ihm geschaffenen Zündschnüre brannten verlässlich, sogar unter Wasser, und nachdem es ihm gelungen war, auch Füllungsmaterial für Nebelgranaten zu mischen, bauten wir auch solche.
Die Beschaffung von Waffen und Munition war ebenso ein permanentes Ziel unserer Tätigkeit. Neben meinen bereits erwähnten Schusswaffen besaß Franzi noch zwei Taschenpistolen, eine Sauer & Sohn und eine französische FN, beide im Kaliber 6,35, sowie eine halbautomatische sechsschüssige KK-Büchse. Außerdem hoffte ich, eine beschädigte, nicht komplette russische Schpagina-Maschinenpistole einsatzbereit machen zu können. An KK-Munition besaß ich damals noch einige Dutzend originale „Geco“-Patronen, die ich aber zu Übungszwecken nicht vergeuden wollte, denn im Handel gab es diese nicht mehr. Da wir für unsere Übungen jedoch so viel Munition als nur möglich brauchten, begannen wir, verschossene Patronenhülsen neu zu befüllen, was uns auch mit Erfolg gelang. Das notwendige militärische Schießpulver war in Mengen vorhanden und die passenden Bleigeschosse wurden in Serie gegossen. Einen guten Teil dieser Patronen verschossen wir aus meinem Flaubert, als Übungswaffe zum Pistolenschießen diente die Frommer-Baby.
Seit ich im Herbst 1950 auf die Sportschule gewechselt war, durfte ich an den dort vorgesehenen Schießübungen und Wettbewerben mit KK-Gewehr und Pistole teilnehmen. Eines Tages sprach mich unser Schießlehrer, Professor Silviu Bejan, an und fragte mich, ob ich eine kleinere Reparatur an einem der KK-Gewehre der Schule vornehmen könne. Ich bejahte und wurde ab da der „Waffenmeister“ der Schule. Dass er sich mit dieser Frage an mich wandte, war kein Zufall, denn er kannte als Kunde unserer Firma meinen Vater als guten Feinmechaniker. Vielleicht dachte er auch, dass mein Vater schon einspringen würde, wenn es zu Schwierigkeiten käme, und damit würde die Instandsetzung auf jeden Fall kostenlos erfolgen. Es gab aber keine Probleme, denn ich konnte die Waffe gut allein reparieren. Weil wir für einen der folgenden Tage eine Geländeübung eingeplant hatten – wir nannten sie etwas großspurig Frühjahrsmanöver –, brachte ich die reparierte Waffe jedoch nicht umgehend zum Schießstand zurück. Wir nahmen das Gewehr eingewickelt in eine Decke und aufs Fahrrad gebunden wie ein unauffälliges Gepäckstück mit. Draußen im Gelände an der Temesch konnten wir ungestört unsere Übungen durchführen. Wir fühlten uns dort sicher, zumal abwechselnd je einer von uns auf einem Weidenbaum sitzend die Umgebung beobachtete. Hier hatten wir die Möglichkeit, Ziele weit über 100 Meter anzuvisieren und zu beschießen, was im Schießstand der Schule nicht möglich gewesen wäre. Es wurden an diesem Tag mehr als 200 Schuss unserer selbstgefertigten KK-Munition verschossen, ohne dass es dabei einen einzigen Versager gegeben hätte, was schon bemerkenswert war. Auch die damals von uns probeweise gezündeten Brandsätze und Rauchgranaten funktionierten einwandfrei.
Ein anderes Areal, in welchem wir uns auch einige Mal aufhielten, war eigentlich ein richtiges militärisches Übungsgelände und wurde von der Armee sporadisch genutzt. Harry und ich hatten hier schon in unserer Jugendzeit gespielt. Hier gab es immer wieder neu angelegte Schützengräben und auch Stellungen für leichte Artillerie und Granatwerfer. Wenn das Militär nicht übte, war das Gelände für jedermann frei zugänglich. Wir nutzten das Areal, um die militärischen Anlagen zu studieren und um – meist unter Harrys Anleitung – Geländeübungen wie etwa Anschleichen und Orientieren zu veranstalten.
Im Rahmen der theoretischen Kampfausbildung betrachteten wir es auch als nützlich, einschlägige Filme zu gucken und zu analysieren. Es waren ausnahmslos ausländische Filme, die zumeist den Widerstand gegen die deutschen Besatzer zum Thema hatten. Viele dieser Streifen kamen aus Frankreich und waren ziemlich gut gemacht. Die Methoden der Untergrundtätigkeit wurden darin zum Teil sehr ausführlich und plastisch dargestellt. Einer der besten damals gesehenen Filme war der holländische Streifen „Kämpfer im Schatten“. Ebenfalls als eine Art der theoretischen Vorbereitung betrachtete ich die Gespräche, die ich damals mit verschiedenen Kriegsteilnehmern führen konnte.
Zum Beispiel wohnte seit Kurzem bei uns im Haus der junge Ernst Höhr mit seiner Frau. In Ernst, mit welchem ich mich schnell anfreundete, fand ich einen guten Erzähler, der bereitwillig von seinen Fronterlebnissen bei der Division „Florian Geyer“ berichtete. Er war einer der vielen volksdeutschen Jungen, die ihren Dienst ab 1941 in der rumänischen Armee an der Ostfront taten. Unzufrieden mit der rüden Behandlung durch die Vorgesetzten und die miserable Verpflegung nutzte er eine Gelegenheit, die sich bei einer chaotischen Situation ergab, und türmte zu den verbündeten deutschen Truppen. Als er sich dort bei einem Offizier meldete, wollte dieser ihn, um Ärger zu vermeiden, zu den Rumänen zurückschicken. Es bestand in dieser Hinsicht ein Abkommen zwischen beiden Mächten, wonach jede Seite verpflichtet war, Deserteure des anderen auszuliefern. So gab es mit der Zeit mehr als hundert Fälle volksdeutscher Soldaten, die aus den geschilderten Gründen zu den Deutschen desertierten, aber entsprechend dem Abkommen an die Rumänen ausgeliefert wurden. Diese „Fahnenflüchtigen“ wurden in Rumänien zu sehr schweren Strafen verurteilt, es wurden zur Abschreckung sogar einige Todesstrafen verhängt. Trotzdem mehrten sich im Sommer 1942 die Fälle dieser Art Fahnenflucht, und nach Intervention der deutschen Volksgruppe unter Führung von Andreas Schmidt, der forderte, dass die Praxis der Auslieferung eingestellt werde, überstellte man die desertierten Volksdeutschen nicht mehr den rumänischen Behörden, was natürlich zu Ärger mit den Rumänen führte. Letzten Endes gelang es den deutschen Verhandlungsführern, ein Abkommen mit der rumänischen Seite zu schließen, aufgrund dessen ab dem 12. Mai 1943 fast alle rumäniendeutschen Männer in der Wehrmacht dienen konnten. Ausgenommen waren nur jene, die durch ihre Ausbildung oder ihren Beruf als Spezialisten galten, wie Lkw-Fahrer, Elektriker, Ärzte oder Ingenieure. Ernst Höhr entkam mit Glück der Auslieferung und diente später in der Kavallerie-Division „Florian Geyer“. Von ihm erfuhr ich viel über den modernen Kampf der Infanterie, besonders über das Verhalten der kleinen Kampfgruppen, aber auch über die Spezialausbildung als Scharfschütze und als Einzelkämpfer. Ich hatte später noch Gelegenheit, ähnliche Themen auch mit anderen gewesenen Kriegsteilnehmern zu besprechen.
Im Rahmen der von uns geplanten Gegenpropaganda sollten politische Vorhaben der Kommunisten gestört werden. Eine gute Gelegenheit zu solch einem Einsatz bot sich, als Sowjetsoldaten den Strandclub ihrer Offiziere am Begaufer, den gewesenen Deutschen Ruderklub, zur Feier des 9. Mai herausputzten. Da gab es eine Bühne,