Friedrich Resch

13 Jahre


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der von Woche zu Woche penetranter werdenden linken Propaganda zu erkennen. Die Plakate und Schmierereien an den Hauswänden waren nicht zu übersehen. Wenn an den zahlreichen Kundgebungen auch bürgerliche Parteieăn teilzunehmen wagten, kam es häufig zu wüsten Schlägereien, die in aller Regel von der Linken provoziert wurden. Auch die Gewerkschaften waren zu jener Zeit bereits vollkommen unterwandert. Die kommunistischen Zellen in den Unternehmen waren sehr aktiv und verhinderten in ihrem Wirkungsbereich durch Gewalt und Terror jegliche Einflussnahme anderer Parteien. Wenn es zu Schlägereien kam, hielt sich die Ordnungspolizei für gewöhnlich raus, man wollte es sich ja nicht – erst recht nicht, solange die Sowjets im Lande waren – mit den voraussichtlichen neuen Machthabern verscherzen. So wurde zum Beispiel während der Wahlkämpfe von 1946 in Arad der bürgerliche Politiker Professor Constantin Teodorescu von kommunistischen Schlägern ermordet. Studenten, die sich für nicht-linke Parteien engagierten, wurden von roten Schlägertrupps regelrecht gejagt und häufig krankenhausreif geschlagen. Täter wurden so gut wie nie ermittelt.

      Vor dem Hintergrund dieser ganzen Entwicklung und natürlich nicht unmaßgeblich beflügelt von jugendlicher Abenteuerlust beschloss ich, im Rahmen meiner Möglichkeiten Widerstand zu leisten. Ich wollte den Russen, die ich wie fast alle Leute meines Bekanntenkreises unabhängig von ihrer Volkszugehörigkeit als fremde Besatzer empfand, schaden. Als erstes wollte ich, dass schien am ehesten machbar, ihre Telefonleitungen kappen. Die Idee stammte ironischerweise aus einem sowjetischen Propagandafilm, den ich als ersten dieser Art in einem Kino der Stadt gesehen hatte. Dort wurde unter anderem gezeigt, wie Partisanen Fernsprechleitungen der Wehrmacht zerschnitten und so deutsche Angriffspläne vereitelten.

      Die Gelegenheit, eine erste spontane Sabotageaktion durchzuführen, bot sich, als ich eines Abends von einem Besuch bei meinem Freund Stefan Winkler zurückkehrte. Die Winklers wohnten ganz in der Nähe der sowjetischen Kommandantur, die im ehemaligen deutschen Konsulatsgebäude und der schon erwähnten Rieger-Villa untergebracht war. Von dort führten zahlreiche Telefonleitungen durch den Eminescu-Park zu verschiedenen Dienststellen der Russen in der Stadt. Ich näherte mich von der Parkseite aus der Kommandantur und zerschnitt ein ganzes Bündel von Fernsprechleitungen an zwei verschiedenen Stellen. Die so herausgetrennten Drähte schleifte ich ein gutes Stück mit und warf sie anschließend in den Bega-Kanal. Solange ich mich noch in der Nähe der Kommandantur befand, gab es keinen Alarm. Daraus schloss ich, dass man meine Tat noch nicht entdeckt hatte. Am nächsten Tag stellte ich fest, dass ab sofort an der Kommandantur nicht nur an der Vorderseite wie bisher, sondern auch hinten, also an der Parkseite ein Posten stand und dass zusätzlich nunmehr auch eine Patrouille im Park ihre Runden drehte. Heute muss ich zugeben, dass meine damalige Aktion kaum einen Sinn gehabt hat, aber für mich und meine Familie eine große Gefahr darstellte. Wenn die Russen mich damals geschnappt hätten, wäre ich wahrscheinlich ohne viel Federlesens an die Wand gestellt worden, und meinen Eltern wäre es vermutlich auch nicht gut ergangen.

      Dennoch habe ich nach einigen Monaten eine weitere, ebenfalls spontan geplante Aktion durchgeführt. Auch diesmal war ich im Park unterwegs, als ich eine tief hängende Telefonleitung erspähte. Ich schaute mich flüchtig um, bemerkte dabei jedoch nicht, dass zwei russische Soldaten nur etwa 50 Meter von mir entfernt von Büschen verdeckt auf einer Bank saßen. Ich war vollständig überrascht, als ich, nachdem ich die Leitung an einer Reparaturstelle geöffnet hatte und wieder fallen ließ, sofort Schreie hörte und die zwei Russen hinter dem Busch hervorsprangen. Ich rannte los, hörte das „Stoj, stoj!“ und fast gleichzeitig das Rattern einer MPi-Salve. Die Kugeln rauschten gut hörbar in den Baumblättern. Ich wetzte in einem Affentempo in das nächste Gebüsch und weiter fort, bis die Russen mich nicht mehr zu sehen vermochten. Nach diesem Abenteuer hatte ich für eine Weile genug – der Schrecken war zu groß gewesen.

      Wie bei vielen Jungs meines Alters gehörte es damals zu meinen „Hobbys“, heimlich das überall noch reichlich vorhandene Kriegsgerät zu sammeln. So war ich bereits im Herbst 1944 nach meiner Rückkehr aus Ferdinandsberg wiederholt in den von den Bombenangriffen heimgesuchten Stadtvierteln unterwegs, um nach nicht verbrannten Teilen angloamerikanischer Stabbrandbomben, deren überwiegender Anteil aus Elektron, einer Legierung aus Aluminium, Zink und Phosphor, bestand, zu suchen. Wozu dies dienen sollte, darüber hatte ich vorerst allerdings noch keine genaue Vorstellung. Jedenfalls wurde ich fündig und versteckte etliche der Brandbomben daheim. Wenn mein Vater dann nicht zu Hause war, zerlegte ich die Dinger in seiner Werkstatt und entnahm die verschiedenen Brand- und Explosivfüllungen, die ich sorgfältig aufbewahrte. Die Außenwand der Bomben konnte ich auf der Drehbank meines Vaters zu Spänen zerkleinern. Diese Späne waren leicht entzündbar und brannten mit einer blendend weißen Flamme bei einer dabei entstehenden Temperatur von bis zu 3000 Grad.

      Fast aufgeflogen wäre eine Aktion ähnlicher Art, die ich etwa um Weihnachten 1944 herum mit Stefan Winkler, einem guten Freund, unternahm. Stefan war genau wie ich ein eifriger „Sammler“ und unter anderem bereits stolzer Besitzer einer sowjetischen Panzergranate. Es handelte sich um eines der berüchtigten „Ratsch-Bumm“-Geschosse im Kaliber 76,2. Zu jener Zeit erhielt Stefan von einem anderen Bekannten den Tipp, dass in der Nähe des Jagdwaldes, einem Forst am nordöstlichen Stadtrand, große Munitionsmengen zu finden seien. Ausgerüstet mit Säcken und einem Schlitten fuhren wir hin und fanden hunderte nicht abgebrannte Stabbrandbomben mit und ohne Sprengkopf. Etwa 20 Stück nahmen wir mit, dazu eine deutsche 50-Kilogramm-Bombe ohne Zünder. Wir wickelten die ganze brisante Ladung in einen Teppich und banden das Paket fest auf den mitgebrachten Schlitten. Daheim bei Stefan angekommen schafften wir die Brandbomben vorläufig in den Holzkeller und die Sprengbombe in einen wenige Meter vom Haus entfernten öffentlichen Luftschutzbunker. Als ich am kommenden Tag Stefan besuchte, stellten wir entsetzt fest, dass ein Bautrupp „unsere“ Bombe entdeckt und das Militär verständigt hatte. Sie wurde weggeschafft. Glücklicherweise wurde aber keiner von uns mit dem Bombenfund in Verbindung gebracht.

      Später fasste ich dann mit Stefan und Mischi, einem anderen Freund, den abenteuerlichen Plan, aus dem gehorteten Material einen Brandsatz zu bauen und mit diesem eine Sabotage-Aktion durchzuführen. Das Wichtigste daran war eine sicher funktionierende Lunte. Diese fertigte ich aus dem gelben Pulver des Bombeninneren, welches ich in Papier einrollte. Den Brandsatzkörper formte ich auf der Drehbank aus dem Rumpfstück einer nur zum Teil abgebrannten Bombe. Es wurde ein etwa zehn Zentimeter langer Zylinder mit einer Wandstärke von drei Millimeter. Beide Enden des Körpers waren mit flachen Holzscheiben verschlossen. Durch eine der Scheiben ragte die Lunte in das Innere des Brandsatzes. Gefüllt war der Zylinder mit den vom Bombenkörper abgefrästen Spänen. Das System funktionierte bei allen Tests, die ich später durchführte, absolut zuverlässig.

      Auf den Gedanken, einen größeren Sabotageakt durchzuführen, waren wir ebenfalls durch einen sowjetischen Kriegsfilm gekommen, den wir im Kino gesehen hatten. Dort sprengten in einer Szene Partisanen einen deutschen Eisenbahnzug in die Luft. Also dachten wir, dass wir das Gleiche mit einem der vielen russischen Nachschubzüge tun könnten, die zu jener Zeit über Temeschburg in Richtung Westen zur Front fuhren. Es war an einem Werktag knapp vor Ostern bei wunderschönem, schon recht warmem Wetter, als wir zu dritt zum Josefstädter Bahnhof fuhren. Ich hatte den Brandsatz in eine Zeitung gewickelt einfach unter dem Arm. Am Bahnhof herrschte großes Gedränge, Zivilund Militärzüge kamen an und fuhren ab. Sehr viele russische Soldaten waren damit beschäftigt, Waggons zu be- oder zu entladen. Wir streiften zwischen den stehenden Garnituren umher und suchten ein lohnendes und für uns erreichbares Ziel. Eine Garnitur mit Tankwagen wäre ein lohnendes Ziel gewesen, war auch kaum bewacht, jedoch bezweifelten wir, dass unser Brandsatz zum Entzünden eines Tankwagens ausreichen würde. Mir schien es fraglich und wir verzichteten deshalb. An einer anderen Stelle vermuteten wir Waggons mit Munition, aber nur einer der Wagen war offen und ermöglichte einen Einblick. Ich war wie elektrisiert: Drinnen lagerten mindestens 50 Stück Katjuscha-Raketen und weitere Kisten, vermutlich ebenfalls mit Munition. Das wäre ein „Bombenziel“ gewesen, nur leider saß ein russischer Unteroffizier im Wagen und schrieb irgendetwas, und es waren noch weitere zwei oder drei Soldaten zugegen. Es war klar, hier konnten wir auch nichts machen. Wir suchten weiter, fanden aber keinen passenden Zug mehr. Auch bei dem Munitionswagen kamen wir noch zweimal vorbei, als dieser schon verschlossen war und Posten neben der Garnitur patrouillierten. Schweren Herzens verließen wir den Bahnhof. Heute sage ich: Gott sei Dank, dass wir damals nicht zum Zuge gekommen sind.