Thomas Schröder

Thassos Reiseführer Michael Müller Verlag


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Alltag allerdings nicht. Zu Haupt­stadt­eh­ren, wie bereits in der Antike, kam Liménas erst wieder 1870. Im Mittelalter hatte sich die Bevöl­ke­rung, der permanenten Piratenüberfälle überdrüs­sig, in den Bergen des Insel­inneren versteckt - die einst blühende Metropole verödete, ihre Ruinen über­wu­cherte Macchia. Erst nachdem man Mitte des 19. Jh. den Pi­ra­ten weitge­hend den Garaus gemacht hatte, zogen vie­le Bewohner des Bergdorfes Pana­gía, das damals die Hauptstadtfunktion ausübte, wieder an die Küste zurück. Ihre Zahl war bald so groß, dass es sich lohnte, auch den Sitz der Verwal­tung zu ver­le­gen.

      Für Touristen ist Liménas ein gu­ter Standort, bietet die Stadt doch die beste Infrastruktur auf der Insel, jede Menge Unterhaltung, viel Kultur und auch recht ordentliche Strände.

      Viele Liménas-Besucher kennen das Fotomotiv Nr. 1 der Stadt schon vor ihrer Anreise aus Prospekten und Ka­ta­lo­gen: das lang gestreckte Walm­dach­ge­bäude, Kalo­gé­riko genannt, ein ehe­ma­liges Metóchi (Klos­ter­gut) des Áthos­klosters Va­to­pédi. Der Fischer­ha­fen mit den bunten Booten kommt auch noch als schö­nes Motiv in Be­tracht, an­sons­ten gibt Liménas in die­ser Hinsicht, sieht man von den anti­ken Aus­gra­bun­gen ab, nicht viel her. „Kunterbunt baut hier jeder durch­ein­an­der“, schimpft der Töpfer Kostís, Äs­thet von Berufs wegen. „Der ei­ne hat einen Balkon aus Holz, der an­de­re aus Plas­tik. Ein Haus ist schie­fer­gedeckt, das nächste mit Ziegeln, das dritte be­sitzt ein Flachdach. Wie sieht das aus!“ Recht hat er, aber an­de­rer­seits spiegelt sich in dem Durch­ein­an­der der typisch griechische Indi­vi­dua­lis­mus wider und der hat doch gerade für uns Mittel­euro­pä­er viel Lie­bens­wer­tes.

      Antike Agorá: Mitten in der modernen Stadt liegen die Ruinen des antiken Stadt­zentrums. Mit ein bisschen Fan­ta­sie gelingt es, sich die damals pracht­vollen Gebäude vorzu­stel­len.

      Archäologisches Museum: Sehens­wer­te Funde wie ein widdertragender Koú­ros oder die auf einem Delfin rei­ten­de Aphro­dite werden in dem klei­nen, emp­fehlenswerten Museum an­spre­chend präsentiert.

      Spaziergang in die Oberstadt: Etwas be­schwerlich, aber sehr reizvoll ist die zwei- bis dreistündige Tour vom alten Fischerhafen mit dem wunderschönen Gebäude des Kalogérikos über das Kap Evraió­kastro, vorbei an Teilen der mäch­tigen einstigen Stadtmauer auf die alte Akrópolis hinauf.

      Stadtstrände: Zwei kleine, aber zumin­dest in der Nebensaison recht angeneh­me Strände sind vom Zentrum zu Fuß gut erreichbar.

      Strände westlich der Stadt: Zwischen Li­ménas und dem Kap Pachís findet je­der einen Badeplatz nach seinem Ge­schmack: Eher still sind die z. T. kiese­li­gen Strände von Nistéri, Glifáda und Papalimáni, während in der Agía-Iríni-Bucht seit der Eröffnung der edlen La-Scala-Beachbar der Bär los ist.

      Strände östlich der Stadt: Die reizvolle Bucht Makríammos sowie die sog. Mar­ble Beaches gehören zu den beliebtes­ten Badezielen auf der Insel.

      Am alten Fischerhafen: Schlendern Sie bei Sonnenuntergang am Hafenbecken entlang und sehen Sie den Anglern auf den Molen zu, nehmen anschließend einen Drink in einer der Bars direkt am Wasser und kehren dann in einer der Tavernen ein.

      Am neuen Fährhafen: Hier haben sich in den letzten Jahren auf engstem Raum einige hervorragende Tavernen an­gesiedelt - ausprobieren lohnt sich.

      Einkaufsgasse: In der Odós 18. Okto­v­ríou reihen sich zahllose Läden mit viel Kitsch, aber auch Kunst aneinander. Insbesondere am Abend, wenn die hier ebenfalls ansässigen Fast-Food-Lokale gut besucht sind, ist hier kaum ein Durchkommen.

      Wie wohl in keinem Inselstädtchen der Ägäis sind in Liménas Antike und Ge­gen­wart baulich miteinander ver­wo­ben. Nahezu auf Schritt und Tritt stößt man auf Ruinen zwischen den Häusern der modernen Stadt, etwa auf ein 2500 Jahre altes Stadttor in einem Vorgarten, auf ein ehemaliges Kultheiligtum an einer der Haupt­straßen, auf eine früh­christliche Basilika mitten auf einer be­leb­ten Platía etc. Und der antike Kriegs­hafen wird sogar heute noch von den Fischern genutzt - Antike zum An­fas­sen also.

      Abendstimmung am Fischerhafen

      Nicht zu Unrecht hat man Liménas als ein einzigartiges antikes „Freilicht­mu­seum“ bezeichnet. Zu verdanken ist dies in erster Linie der Französischen Ar­chäologi­schen Schule Athen, die seit 1911 bis in die Gegenwart hinein Aus­gra­bungsarbeiten durchführt. Beson­ders sehenswert sind neben dem wun­der­schön gelegenen Thea­ter in der an­ti­ken Oberstadt die Agorá und das Mu­seum, vor allem aber die teil­weise noch sehr gut erhaltene, einst etwa 3,5 km lan­ge, gewaltige Stadtmauer mit ihren schö­nen und mächtigen Toren, die die da­malige Unter- und Oberstadt halb­kreis­förmig umgab. Auch die mittel­al­ter­li­che Festung auf der Akrópolis ist einen Besuch wert. Wer unsere drei Rund­gänge mit­einander kombinieren möchte, soll­te einen ganzen Tag dafür ein­planen.

      Der Spaziergang, für den Sie etwa eine Stu­nde benötigen, beginnt am alten Fähr­ha­fen an der Mole, wo man vor einigen Jahren eine aus dem blendend weißen thas­siti­schen Marmor gefer­tig­te Delfinskulptur aufgestellt hat.

      Gegenüber der Mole geht man die Odós Gallikís Arch. Scolís leicht auf­wärts und erreicht nach insgesamt 150 m einen Platz. An dessen Ostseite be­finden sich die Reste einer früh­christ­lichen Basilika vom Beginn des 6. Jh. Zwei der auffallend schlanken Säu­len hat man wieder aufgerichtet, am Boden liegen die verbliebenen zahl­rei­chen Säu­lentrümmer, z. T. kann man in Kapi­tel­len noch eingravierte lateini­sche Kreu­ze erkennen. Zu sehen sind auch die Mauerreste der halbrunden Apsis.

      Geht man die Straße weiter auf­wärts, kommt man nach wenigen Me­tern an einer riesigen ummauerten Pla­ta­ne vorbei, deren Stamm unten an einer Seite so tief ausgehöhlt ist, dass man sich bei Regen bequem darin un­ter­stellen könnte. An der übernächsten Abzweigung hält man sich an dem klei­nen Hotel Akrópolis rechts, dann an der folgenden T-Kreuzung links. Nach­dem man kurz darauf eine Bäckerei pas­siert hat, kommt man zu einer wei­teren Kreuzung. Hier stehen rechts Res­te der alten Stadtmauer bzw. das Zeus-Hera-Tor, ein wichtiger Zugang zur antiken Stadt. Dieser war etwa 4 m breit und wurde seit dem 5. Jh. v. Chr. zu beiden Seiten von je einem hohen Mar­morpfeiler mit den Reliefs des Göt­ter­vaters bzw. seiner Frau begrenzt. Nur der Hera-Pfeiler ist noch vor­han­den und zeigt die Göttin mit dem Zep­ter in der Hand auf ihrem Thron sit­zend, die Füße auf einen Schemel ge­stellt. Die geflügelte Gestalt vor ihr ist die Götterbotin Iris, die Aufträge von ihrer Herrin entgegennimmt.

      Folgt man der Odós Pierre Vambez ca. 50 m stadtauswärts, sieht man rechts unter einem Olivenbaum einen großen steinernen Sarkophag aus dem 3. Jh. n. Chr. In ihm wurde laut der ein­ge­meißelten Inschrift ein gewisser Po­liá­dis bestattet. Dieser römische Sar­ko­phag ist das letzte Überbleibsel eines an­tiken Friedhofs.

      Um