Aaron Koenig

Krisenfest


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einem „europäischen Patriotismus“ ist nichts zu spüren. Stattdessen gewinnen nationalistische Parteien überall in Europa an Zulauf, was sich besonders bei den Wahlen zum machtlosen EU-Scheinparlament ausdrückt. Es ist kein Wunder, dass die Briten keine Lust mehr auf den undemokratischen Brüsseler Zentralstaat verspüren und die EU verlassen haben. Sie werden sicher nicht die letzten sein. EU-Mitglieder wie Polen, Ungarn, Tschechien oder Dänemark, die ihre nationalen Währungen behalten haben, mögen zwar noch nicht bereit für einen EU-Austritt sein, doch sie denken gar nicht daran, ihre Währungen für den Euro aufzugeben.

      Es gab in der Geschichte noch kein erfolgreiches Beispiel einer supranationalen Währungsunion. So scheiterte die Lateinische Münzunion, die von 1865 bis 1926 zwischen Frankreich, Belgien, Italien, der Schweiz und später auch Griechenland bestand, aufgrund der unterschiedlichen wirtschaftlichen Entwicklungen der Mitgliedsstaaten. Auch die ab 1873 geschlossene Skandinavische Münzunion zwischen Schweden, Norwegen und Dänemark war nur von kurzer Dauer, sie wurde 1924 aufgelöst.

      Zurück zu nationalen Währungen?

      Ich sehe keinen Grund dafür, warum die Euro-Währungsunion einen anderen Verlauf nehmen sollte. Vielleicht „retten“ Angela Merkel und Co den Euro noch ein paar Jahre mit deutschen Steuergeldern, was den Zusammenbruch nur noch teurer machen würde. Vielleicht geht es aber auch schneller, als man denkt. Welche Auswirkungen ein Kollaps des Eurosystems haben wird, kann man sich kaum ausmalen. Die Schulden der Eurostaaten sind viel zu hoch, um sie jemals zurückzuzahlen. Der beste Ausweg aus Sicht der Regierungen wäre eine Währungsreform, die jedoch mit einer deutlichen Abwertung aller in Euro gehaltenen Ersparnisse einhergehen würde. Sie sollten Ihr Geld also auf keinen Fall in Euro anlegen, denn die Wahrscheinlichkeit, dass es zumindest teilweise verloren geht, ist groß.

      Die Münzunionen des 19. und frühen 20. Jahrhunderts beruhten immerhin noch auf einem Goldstandard. Beim Euro haben wir es hingegen mit einem rein virtuellen Scheingeldsystem ohne jede Deckung zu tun. Eine Rückkehr zu nationalen Geldmonopolen wie der D-Mark, was von einigen nationalistischen Politikern gefordert wird, ist daher keine nachhaltige Lösung, denn auch die D-Mark war ungedecktes staatliches Geld. Ein künstlicher Verbund wie die Euro-Währungsunion führt im Vergleich zu nationalen Währungen zwar zu besonders starken wirtschaftlichen Verzerrungen. Doch das eigentliche Grundübel liegt viel tiefer: in dem auf einem staatlichen Monopol beruhenden Geldsystem.

      1.2Das Monopolgeldsystem

      Viele Leute glauben, dass die Geldproduktion eine ureigene Aufgabe des Staates sei, doch das ist nicht der Fall. Im Gegenteil, dem Staat die Herrschaft über das Geld zu überlassen, ist eine denkbar schlechte Idee. Die Mächtigen nutzen ihr Monopol über das Geld stets zu ihrem eigenen Vorteil aus, der höchst selten mit den Interessen der Bürger übereinstimmt. Monopole sind immer nur gut für diejenigen, die sie innehaben, aber schädlich für alle anderen. Das staatliche Geldmonopol bildet da keine Ausnahme. Es hat in der Geschichte immer wieder zu Wirtschaftskrisen, Hyperinflationen, dem Verlust von Ersparnissen und gesellschaftlichen Erschütterungen geführt.

      Geld ist ein Produkt des Marktes

      Geld ist keineswegs eine Erfindung des Staates. Es ist auf dem freien Markt entstanden, aus dem Bedürfnis der Menschen, ein allgemeines Tauschmittel zu nutzen. Man kann dies gut in informellen Ökonomien sehen, zum Beispiel unter den Insassen von Gefängnissen. Dort nehmen Zigaretten, Fischkonserven oder andere knappe Güter eine Geldfunktion ein, ohne dass dies von der Gefängnisleitung so beschlossen wurde.5 Auch im Deutschland zwischen Kriegsende und Währungsreform von 1948 fungierten „Ami-Zigaretten“ wie Marlboro oder Lucky Strike als allgemeine Währung, was keineswegs der Plan der Besatzungsmächte war.

      Zigaretten sind natürlich nicht gerade das perfekte Geld, zu leicht sind sie weggeraucht oder vom Regen aufgeweicht. Auch andere Güter wie Vieh, Salz, Muscheln oder Pfeilspitzen, die im Lauf der Zeit als Geld verwendet wurden, weisen diverse Nachteile auf. Unabhängig voneinander sind die Menschen überall auf der Welt daraufgekommen, Edelmetalle wie Gold oder Silber als Geld zu nutzen, denn sie verfügen über die Eigenschaften, die gutes Geld ausmachen.

       Edelmetalle sind:

      imageselten

      imagehaltbar

      imageteilbar

      imagefungibel (d. h.: jede Einheit ist gleichwertig)

      imageidentifizierbar

      imageprägbar

      imagegut transportierbar

      imageschwer zu fälschen

      Vom Goldstandard bis Bretton Woods

      Über viele Tausend Jahre haben daher Gold und Silber als Geld gedient. Als Reserve der Zentralbanken tun sie dies nach wie vor. Im 19. Jahrhundert waren alle bedeutenden Währungen über den Goldstandard aneinandergekoppelt, was den Welthandel erleichterte und in Kombination mit der industriellen Revolution zu einem beispiellosen wirtschaftlichen Aufschwung führte. Erst der Ausbruch des Ersten Weltkriegs zwang die Staaten zur Abkehr vom Goldstandard, denn mit goldgedeckten Währungen wäre der Krieg nicht bezahlbar gewesen. Die Finanzierung des Kriegs durch Schuldgeld führte nach Kriegsende insbesondere bei den Verliererstaaten Deutschland und Österreich zu Hyperinflationen nie gekannten Ausmaßes.

      Noch bis Anfang der 1970er-Jahre gab es eine Art Rest-Goldstandard. Der US-Dollar als Leitwährung der Welt war durch Gold gedeckt, alle anderen wichtigen Währungen standen zum Dollar in einem festen Umtauschverhältnis. Im Unterschied zu einem echten Goldstandard hatten jedoch nicht alle Bürger, sondern nur noch die Zentralbanken das Recht, Dollar bei der US Federal Reserve in Gold umzutauschen. Diese im Abkommen von Bretton Woods 1944 vereinbarte Weltwährungsordnung funktionierte einige Zeit recht gut. Doch als die USA in den 1960er-Jahren immer mehr Dollar druckten, um den Vietnamkrieg und kostspielige Sozialreformen zu finanzieren, misstrauten viele Zentralbanken der Stabilität der Weltleitwährung und machten von ihrem Recht Gebrauch, Dollar gegen Gold einzutauschen. Den USA drohten die Goldreserven auszugehen. Am 15. August 1971 kündigte Präsident Nixon daher das Bretton-Woods-Abkommen einseitig auf und beendete den Umtausch von US-Dollar in Gold. Erst seitdem sind bis auf wenige Ausnahmen die Währungen der Welt nicht mehr durch Edelmetalle gedeckt. Das seit den 1970er-Jahren bestehende Geldsystem nennt man auch Fiat-Geldsystem, vom lateinischen fiat = „es werde“. Es bezeichnet ein System, in dem Geld willkürlich erzeugt wird und durch kein reales Gut gedeckt ist.

      Geld aus dem Nichts

      Im heutigen Finanzsystem entsteht Geld auf zweierlei Weise. Einerseits durch die Zentralbanken, die das exklusive Recht haben, nach Belieben Geldscheine zu drucken und Münzen zu prägen. Außerdem können sie den Geschäftsbanken per Kredit Geld zukommen lassen. Der dafür fällige Zins ist der Leitzins, von dem sich alle anderen Zinssätze ableiten. Ein Großteil der Geldmenge wird jedoch nicht von den Zentralbanken geschöpft, sondern von den Geschäftsbanken, nämlich jedes Mal, wenn sie einen Kredit vergeben. Sie müssen im Fall des Euro nur ein Prozent der vergebenen Kreditmenge als Reserve bei der Zentralbank vorhalten, die restlichen 99 Prozent können sie quasi aus dem Nichts erzeugen. Es wird dem Kreditnehmer gutgeschrieben, die Bank bucht es als Forderung.