Aaron Koenig

Krisenfest


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Wunsch nach einem neuen Goldstandard ja in Form einer goldgedeckten, dezentralen Kryptowährung umgesetzt.

      1.3Das Ende des China-Booms

      China hat in den letzten Jahrzehnten eine erstaunliche wirtschaftliche Entwicklung genommen. Vom kommunistischen Armenhaus, in dem Millionen von Menschen verhungerten, ist das „Reich der Mitte“ seit den Reformen, die Deng Xiaoping in den späten 1970er-Jahren einleitete, zur wirtschaftlichen Großmacht aufgestiegen. Dies wurde möglich, weil die formell immer noch kommunistische Regierung deutlich mehr Marktwirtschaft und privates Unternehmertum zugelassen hat. Viele Jahre lang wuchs die chinesische Wirtschaft mit Steigerungsraten zwischen 10 und 15 Prozent pro Jahr. Westliche Unternehmen haben sehr davon profitiert, dass der Wohlstand in China stark zunahm und sich über eine Milliarde Chinesen mehr leisten konnten – von deutschen Autos bis zu italienischen Modeartikeln. Ohne die Erschließung des riesigen chinesischen Marktes wäre der anhaltende Exporterfolg der deutschen Industrie wohl nicht möglich gewesen.

      Wachstum auf Pump

      Doch es deutet sich an, dass dieser jahrzehntelang anhaltende Boom allmählich – oder vielleicht auch schlagartig – zu Ende geht. Ein Großteil des chinesischen Wachstums ist nämlich durch billige Kredite finanziert. Wenn man sich Geld für vier Prozent leiht und zum Beispiel in chinesische Immobilien investiert, die jedes Jahr um 20 Prozent im Preis steigen, ist die Rechnung einfach. Selbst wenn die Immobilie unvermietet bleibt und keine Einnahmen erzielt – solange man sie nach einem Jahr mit Gewinn verkaufen kann, hat sich das Geschäft gelohnt. Doch was passiert, wenn sich die Wachstumsraten, was in letzter Zeit zu beobachten ist, abflachen? Was geschieht, wenn die Zinsen angehoben werden?

      Dann rechnet sich das Spiel nicht mehr, die Investoren ziehen ihr Geld ab und das Kartenhaus fällt in sich zusammen. Zwar kommt nur ein geringer Teil der chinesischen Kredite aus dem Ausland, doch wenn die US Federal Reserve ihren Leitzins erhöht, wird das auch die chinesische Wirtschaft hart treffen. Der chinesische Analyst Niu Dau sagt dazu: „China ist die größte Blase der Weltwirtschaftsgeschichte, und steigende amerikanische Zinsen werden sie zum Platzen bringen.“8

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       Boomtown Schanghai

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       Geisterstadt Kangbashi

      Verschwendung durch Planwirtschaft

      So eindrucksvoll das chinesische Wirtschaftswunder sein mag, Chinas Wirtschaft ist höchst verwundbar. Viele chinesische Unternehmen machen operative Verluste und überleben nur, weil sie von den Banken immer wieder zinsgünstige Kredite erhalten – natürlich auf Geheiß der Regierung, die kein Interesse an Firmenpleiten hat. China ist zwar in den letzten Jahren wesentlich marktwirtschaftlicher geworden als früher, doch es gibt immer noch 5-Jahres-Pläne und staatliche Eingriffe in die Wirtschaft. Wenn die KP Chinas beschließt, dass nicht nur im Südosten des Landes, sondern auch im armen Norden mehr Wachstum entstehen soll, dann werden kurzerhand für Milliardenbeträge Großstädte ins Nichts gesetzt. Für rund eine Million Menschen wurde zum Beispiel an der Grenze zur Mongolei die Stadt Kangbashi hochgezogen. Doch kaum jemand will dort leben, die Stadt steht größtenteils leer – eine gigantische Verschwendung von Ressourcen, die in einem marktwirtschaftlichen System unmöglich wäre.9

      Die japanische Blase

      Geschichte wiederholt sich nicht, doch oft reimt sie sich. Ein Blick auf Japan zeigt, was China bevorstehen könnte. In den 1980er-Jahren galt Japan als die kommende Wirtschaftsmacht Nummer 1. Japanische Firmen nahmen ihren Konkurrenten in den USA und Europa immer mehr Marktanteile ab. Das „Reich der aufgehenden Sonne“ erlebte ein Feuerwerk der Börsenkurse und Immobilienpreise. Japanische Immobilien waren Mitte der 1980er-Jahre um ein Vielfaches teurer als vergleichbare US-amerikanische. Auf dem Gipfel des Booms hatte allein das Gebiet des Kaiserpalastes in Tokio einen höheren Marktwert als der gesamte Bundesstaat Kalifornien. Doch das japanische Wachstum beruhte auf niedrigen Zinsen und leichtfertig vergebenen Krediten. Ende der 1980er-Jahre hob die US Federal Reserve ihre Leitzinsen mehrfach an, das rapide Wachstum der japanischen Wirtschaft ließ nach. 1990 stürzte der japanische Aktienindex Nikkei 225 um rund die Hälfte ab. In der Folgezeit brachen auch die völlig überhöhten Immobilienpreise ein. Bis heute hat sich die japanische Wirtschaft vom Platzen dieser Blase nicht erholt. Der Nikkei 225 ist immer noch weit von seinen Höchstständen entfernt. Die japanische Staatsverschuldung liegt mit über 200 Prozent des Bruttoinlandsprodukts deutlich höher als die aller anderen Industrieländer.10

      Zombie-Unternehmen

      Die Verschuldung chinesischer Unternehmen beträgt etwa 19 Billionen US-Dollar, also rund 160 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. In den USA liegt diese Kennzahl bei nur rund 75 Prozent. Doch während japanische oder US-amerikanische Unternehmen in der Regel mit Gewinn arbeiten, besteht ein erschreckend hoher Anteil der chinesischen Wirtschaft aus Zombie-Unternehmen, die ohne günstige Kredite und den Willen der Staatsführung, sie am Leben zu halten, insolvent wären. Die ersten chinesischen Unternehmen können ihre Schulden bereits nicht mehr zurückzahlen.11 Das kann eine Kreditkrise in China auslösen, die eine internationale Lawine in Gang setzt, die mit nichts vergleichbar ist, was die Welt bisher gesehen hat. Die Weltwirtschaft ist heute deutlich stärker vernetzt als noch zu Beginn der 1990er-Jahre, als die japanische Wirtschaft abstürzte. Wenn die ungleich größere chinesische Blase platzt, dürften die globalen Folgewirkungen um ein Vielfaches größer sein.

      1.4Vom Negativzins zum Staatsbankrott

      Die 2007/2008 ihren Höhepunkt findende Finanzkrise begann damit, dass in den USA Immobilienkredite an Menschen vergeben wurden, die sich eigentlich kein Wohneigentum leisten konnten. Gesetzliche Grundlage dafür war der Housing and Community Development Act of 1992, der die US-Banken verpflichtete, Immobilienkredite an sozial Schwache zu vergeben, die sich sonst kein eigenes Haus hätten kaufen können. Eine wichtige Rolle spielten dabei die staatlichen Kreditinstitute Fannie Mae und Freddie Mac, die einen großen Teil dieser Immobilien finanzierten. Die scheinbar sicheren, weil durch Immobilien gedeckten Kredite, wurden in immer komplizierter verschachtelten Finanzprodukten wie Credit Default Swaps oder Collateralized Loan Obligations verpackt. Diese Derivate wurden von den Ratingagenturen wie Moody’s oder Standard & Poor’s mit der Bestnote AAA versehen, schienen also ein sehr sicheres Investment zu sein.

      Doch als sich zeigte, dass viele der ihnen zugrunde liegenden Kredite nicht mehr bedient werden konnten, verloren die scheinbar risikolosen Derivate massiv an Wert. Dadurch litten viele Banken an Zahlungsschwierigkeiten und liehen sich untereinander kein Geld mehr. Es kam zu einer Kreditklemme. Das weltweite Finanzsystem drohte zusammenzubrechen. Um dies zu verhindern, wurden viele Banken und Versicherungen mit Steuergeldern gerettet und teilweise verstaatlicht, denn sie waren angeblich „systemrelevant“ und „too big to fail“. Nur bei der Investmentbank Lehman Brothers machte man eine Ausnahme und ließ sie pleitegehen – vermutlich, weil in der Regierung der USA damals viele ehemalige Mitarbeiter des Lehman-Konkurrenten Goldman Sachs saßen. Die Finanzkrise von 2007/2008 wurde also nicht etwa durch den angeblich „unregulierten Turbokapitalismus“ ausgelöst, sondern durch Eingriffe des Staates in die Wirtschaft.

      Maßnahmen aus der Mottenkiste

      Um die 2008 weltweit in eine Rezession schlitternde Wirtschaft „anzukurbeln“, wurden von vielen Regierungen und Zentralbanken die von John Maynard Keynes in den 1930er-Jahren vorgeschlagenen Instrumente eingesetzt: Die Zinsen wurden massiv gesenkt und der Markt mit billigem, aus dem Nichts erzeugten Geld überschwemmt. Zudem gab es in einigen Ländern aus Steuergeldern finanzierte Kaufanreize, um „den Konsum anzuregen“,