Anthony Weston

Die Kunst des guten Arguments


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den Weg für den nächsten, an den der wiederum nächste nahtlos anschließt. Das Argument beginnt mit der Formulierung seiner Konklusion bzw. der Aussage, die begründet werden soll. Das wiederum lädt zur Darlegung der Prämissen ein, und das Argument kommt dem nach, indem es sofort eine Hauptprämisse anführt und dann wiederum einen kurzen Grund für diese angibt und erklärt, warum Bohnen gesund sind. Dann führt es die andere Hauptprämisse und ihre Beispiele an. Man könnte das Argument dabei auf unterschiedliche Weisen anlegen: Zum Beispiel könnte die zweite Hauptprämisse zuerst genannt werden, und/oder die Konklusion könnte, statt als zu begründende Aussage am Anfang zu stehen, erst am Ende gezogen werden – doch in beiden Fällen befindet sich jedes Glied an einer passenden Stelle.

      Ein Argument in dieser nahtlosen Weise zu entfalten, ist eine Leistung, besonders wenn die Argumentationen ausführlicher und komplexer werden. Es ist nicht einfach herauszufinden, welcher Platz für jedes Glied der richtige ist – und für gewöhnlich sind viele falsche Stellen möglich. Nehmen wir beispielsweise an, wir würden das Argument stattdessen folgendermaßen formulieren:

      Denken Sie an scharfe Tacofüllungen mit schwarzen Bohnen oder Hummus. Bohnen enthalten mehr Ballaststoffe und Eiweiß und haben einen geringeren Fett- und Cholesteringehalt als das, was die meisten Menschen heutzutage essen. Bohnengerichte können ziemlich abwechslungsreich und spannend sein. Wir sollten mehr Bohnen essen. Bohnen sind gesund.

      Die Prämissen und die Konklusion sind dieselben, doch die Reihenfolge ist anders, und die Passage lässt die Orientierungs- und Verbindungswörter aus, die den Leser*innen helfen, Prämissen und Konklusionen zu erkennen (wie etwa »Zum einen … Zum anderen …«). Das führt dazu, dass das Argument völlig durcheinandergewürfelt ist. Die Beispiele für die Hauptprämissen, etwa wie lecker Bohnengerichte sein können, finden sich über die Passage verstreut, statt direkt bei der Formulierung dieser Prämissen angeführt zu werden. Man muss die Passage zweimal lesen, nur um sich zu vergewissern, was die Konklusion ist. Rechnen Sie nicht damit, dass Ihre Leser*innen so geduldig sind.

      Stellen Sie sich darauf ein, dass Sie Ihre Argumentation mehrmals neu anordnen müssen, um die natürlichste Reihenfolge zu finden. Auch dabei wiederum sollten die Regeln, die dieses Buch Ihnen bietet, helfen. Sie können sie nicht nur dazu verwenden, herauszufinden, welche Arten von Prämissen Sie benötigen, sondern auch, wie Sie sie in die beste Reihenfolge bringen.

      3. Gehen Sie von verlässlichen Prämissen aus

      Sie können noch so gut von Prämissen zur Konklusion argumentieren: Sind Ihre Prämissen schwach, wird auch Ihre Konklusion schwach sein.

      Niemand auf der Welt ist heute wirklich glücklich. Also scheint es, dass Menschen einfach nicht dafür geschaffen sind, glücklich zu sein. Warum sollten wir etwas erwarten, das wir niemals erreichen können?

      Die Prämisse dieses Arguments besteht in der Aussage, dass niemand auf der Welt heute wirklich glücklich ist. Manchmal, an bestimmten verregneten Nachmittagen oder in bestimmten Stimmungslagen, mag das beinahe wahr erscheinen. Doch fragen Sie sich selbst, ob diese Prämisse wirklich plausibel ist. Ist niemand auf der Welt heute wirklich glücklich? Nie? Was ist mit der alljährlichen kostenlosen Fahrt um die Sonne?

      Diese Prämisse benötigt allermindestens eine sehr gute Verteidigung, und höchstwahrscheinlich ist sie schlicht nicht wahr. Dieses Argument kann daher nicht zeigen, dass Menschen nicht dafür geschaffen sind, glücklich zu sein oder dass Sie oder ich nicht erwarten sollten, glücklich zu sein.

      Manchmal ist es einfach, von verlässlichen Prämissen auszugehen. Sie haben vielleicht bekannte Beispiele zur Hand oder verlässliche Quellen, die sich eindeutig miteinander decken. Andere Male ist es schwieriger. Wenn Sie sich hinsichtlich der Verlässlichkeit einer Prämisse nicht sicher sind, müssen Sie unter Umständen etwas recherchieren und/oder ein Argument für die Prämisse selbst vorbringen (vgl. mehr zu diesem Punkt unter Regel 31). Sollten Sie feststellen, dass Sie nicht angemessen für Ihre Prämisse(n) argumentieren können, müssen Sie natürlich eine andere Prämisse ausprobieren!

      4. Seien Sie konkret, kurz und prägnant

      Vermeiden Sie abstrakte, vage und allgemeine Begriffe. »Wir sind stundenlang in der prallen Sonne gewandert« ist tausendmal besser als »Es handelte sich um eine längere Zeitspanne der mühevollen Anstrengungen«. Seien Sie auch kurz und prägnant. Durch aufgeblasene Ausführungen verliert man einfach jeden in einem Schleier von Worten.

      SCHLECHT:

      Sich abends regelmäßig zu einer Stunde schlafen zu legen, die der Zeit voraufgeht, zu der die meisten Ihrer Landsleute sich zu Bett begeben, gepaart mit der Gepflogenheit, zu früherer Stunde zu erwachen als jener, zu der die meisten anderen sich erheben, wird tendenziell zum Erwerb so wünschenswerter persönlicher Eigenschaften wie einer robusten körperlichen Verfassung, einer angenehm wohletablierten finanziellen Lage sowie intellektuellen Fähigkeiten und Vermögen der scharfsinnigen Einsicht und des Urteils führen, die der Erlangung des Respekts der anderen dienlich zu sein pflegen.

      GUT:

      Früh ins Bett und früh wieder auf, bringt Gesundheit, Wohlstand und Weisheit zuhauf! [Early to bed and early to rise makes a man healthy, wealthy, and wise.]

      Die »Schlecht«-Version übertreibt es vielleicht ein kleines bisschen (finden Sie nicht?), doch Sie verstehen, was gemeint ist. Benjamin Franklins Reim und Rhythmus helfen ebenfalls, doch das Wichtigste ist, dass er wenige, klare und einfache Worte verwendet.

      5. Setzen Sie auf Inhalt statt auf emotionale Untertöne

      Führen Sie echte Gründe an. Spielen Sie nicht nur mit den Untertönen von Wörtern.

      SCHLECHT:

      Die USA haben es schändlicherweise zugelassen, dass ihr einst so stolzer Personenschienenverkehr in der Versenkung verschwunden ist. Nun ist es eine Frage der Ehre, ihn wiederaufzubauen!

      Das soll ein Argument für den Wiederaufbau des Personenschienenverkehrs sein. Doch es liefert keinerlei Belege für diese Konklusion, sondern nur einige emotional aufgeladene – und auch abgegriffene – Wörter, wie von Politiker*innen auf Autopilot. »Verschwanden« die Personenzüge aufgrund von Dingen, die die »USA« taten oder unterließen? Was war »schändlich« daran? Schließlich gelten viele »einst so stolze« Einrichtungen mittlerweile als überholt – wir sind nicht dazu verpflichtet, sie alle wiederaufzubauen. Und was soll es heißen, es sei eine »Frage der Ehre« für die USA, dies zu tun? Wurden Versprechen gegeben und dann gebrochen? Von wem?

      Es lässt sich vieles zugunsten des Wiederaufbaus des Personenschienenverkehrs sagen, besonders in der heutigen Zeit, in der die ökologischen und ökonomischen Kosten von Autobahnen gewaltig steigen. Das Problem ist, dass nichts davon in diesem Argument steht. Es vertraut ganz auf die emotionale Aufladung der Wörter und leistet in Wirklichkeit selbst überhaupt nichts. Wir stehen immer noch dort, wo wir am Anfang standen. Natürlich können Untertöne manchmal selbst dann überzeugen, wenn sie es nicht sollten – doch vergessen Sie nicht: Wir suchen hier nach tatsächlichen, konkreten Belegen.

      Ebenso wenig sollten Sie versuchen, Ihr Argument gut aussehen zu lassen, indem Sie die Gegenposition mit emotional aufgeladenen Wörtern abstempeln. Im Allgemeinen vertreten Menschen aus ernsthaften und aufrichtigen Gründen eine Position. Versuchen Sie, sich über ihre Ansicht klarzuwerden – versuchen Sie, ihre Gründe zu verstehen –, auch wenn Sie gänzlich anderer Meinung sind. Zum Beispiel sind Leute, die eine neue Technologie in Frage stellen, wahrscheinlich nicht für ein »Zurück zur Steinzeit«. (Wofür sind sie? Vielleicht müssen Sie sie danach fragen.) Ebenso wenig behauptet eine Person, die an die Evolution glaubt, dass ihre Großeltern Affen waren. (Und wiederum: Was denkt sie genau?) Im Allgemeinen gilt: Wenn Sie sich nicht vorstellen können, wie jemand überhaupt die Ansicht vertreten kann, die Sie angreifen, haben Sie sie wahrscheinlich einfach noch nicht verstanden.

      6. Verwenden Sie einheitliche Begriffe