Friedrich Kirchner

Wörterbuch der philosophischen Grundbegriffe


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durch Beweise ableitet. So verfährt die Mathematik. Als Methode ist der Dogmatismus ( = Rationalismus) dem Empirismus, der in der wissenschaftlichen Forschung von Beobachtung und Experimenten ausgeht, entgegengesetzt. – Unter Dogmatismus versteht man ferner nicht nur ein methodisches Verfahren, sondern eine bestimmte Stellungnahme im Streite über die Grenzen der menschlichen Vernunfttätigkeit, und, so genommen, ist der Dogmatismus jede Philosophie, die den Erfahrungskreis überschreitet, ohne die Überschreitung vorher durch eine Prüfung der Erkenntniskraft gerechtfertigt zu haben. So heißt Dogmatiker oder Dogmatist derjenige Philosoph, welcher ein unbedingtes Vertrauen auf die Leistungsfähigkeit der menschlichen Vernunft besitzt und ohne Prüfung und Beweis gewisse allgemeine Sätze als Grundlage seines Systems aufstellt. Er gebraucht die Vernunft, ohne erst ihre Fähigkeit und ihre Grenze zu untersuchen, zu metaphysischen Behauptungen. Den Dogmatikern unter den Philosophen stehen die Skeptiker und Kritiker gegenüber. Die ersten zweifeln an der Leistungsfähigkeit der menschlichen Vernunft überhaupt ohne Prüfung der menschlichen Erkenntniskraft, die zweiten fordern vor jedem Aufbau einer Erkenntnis erst die Aufstellung einer Erkenntnistheorie, welche die Natur und Grenzen unserer Vernunft zu prüfen hat. Dogmatiker sind Cartesius, Spinoza, Leibniz, Wolf und die Aufklärungsphilosophen des XVIII. Jahrhunderts, ferner Fichte, Schelling, Hegel gewesen. (Vgl. Kant Kr. d. r. V. 2. Aufl. Vorrede S. XXXV. »Dogmatismus ist – das dogmatische Verfahren der reinen Vernunft ohne vorangehende Kritik ihres eigenen Vermögens.«) Skeptiker war Hume, Kritiker waren Locke und Kant.

      Dolus (lat. dolus) heißt der widerrechtliche Wille, das wissentlich rechtswidrige Handeln im Gegensatz zur Fahrlässigkeit. Man unterscheidet noch praemeditatio, absichtliche, und dolus impetus, im Affekt geschehene Tat. Jene bedingt bei der Tötung eines Menschen den Mord, dieses den Totschlag. Siehe culpos.

      Drama (gr. drama) ist die poetische Darstellung einer Handlung, d.h. einer solchen Begebenheit, die aus inneren Antrieben der menschlichen Seele hervorgeht, Menschen in Bewegung setzt, als Vorgang in der Außenwelt verläuft und auf den inneren Menschen wieder zurückwirkt. Während das Gebiet des epischen Dichters vor allem die Außenwelt, das des lyrischen Dichters die Innenwelt ist, stellt der dramatische Dichter die Außen- und Innenwelt in ihrem Zusammenhange und ihrer Wechselwirkung dar, so daß das Drama relativ die vollständigste aller Dichtungen und damit überhaupt die höchste Leistung der Kunst ist. Das Drama ist ein Gesamtbild des menschlichen Daseins und Könnens. Seine Entstehungszeit fällt daher erst hinter die des Epos und der Lyrik, deren Wesen es vereinigt; es setzt vorgeschrittene Kulturzustände und höhere Kunstformen voraus. Das Drama stellt die Handlung als gegenwärtig dar. Es gebraucht zur Darstellung einer sich gegenwärtig abspielenden Handlung als Form den Dialog, die Wechselrede, in der sich das Innenleben der Personen offenbart, und in Verbindung mit der sich die äußere Tätigkeit derselben abspielt. Die im Drama dargestellte Handlung muß in sich geschlossen und vollständig sein, d.h. sie muß einen solchen Umfang haben, daß ihre Entstehung aus den natürlichen Anfangen begreiflich gemacht, ihr Verlauf dargestellt und zu einem Abschluß gebracht wird, mit dem das menschliche Interesse an dem Vorgange von selbst aufhört. Die Handlung gliedert sich in natürliche Teile, die Vorfabel, den Konflikt und die Lösung des Konfliktes; spezieller angegeben, pflegt man dem Drama folgende Teile zuzuweisen: die Exposition, d.h. die Einführung in die Situation und in die Vorfabel, das erregende Moment, d.h. diejenige Begebenheit, durch welche die Personen zu Entschlüssen und Taten angeregt werden, die steigende Handlung, d.h. den sich entwickelnden Konflikt, den Höhepunkt, d.h. den Akt der größten Kraftanstrengung der gegeneinander ringenden Menschen und den Eintritt des den Ausgang bestimmenden Ereignisses, die sinkende Handlung, d.h. die Reihe von Begebenheiten, die uns dem Ausgang nahe führen, die Momente der letzten Spannung, d.h. die aufhaltenden Ereignisse, welche die Lösung noch für Augenblicke in andere Wege zu leiten scheinen, und die Lösung, d.h. den natürlichen Ausgang der Handlung. – Die in der Handlung liegende Einheit muß eine innere sein; Einheit des Ortes und der Zeit sind nur Nebensachen und keineswegs unbedingt notwendig; aber der innere pragmatische Zusammenhang der Teil-Begebenheiten, der aus ihnen eine einzige abgeschlossene Handlung macht, und die stetige Entwicklung darf nicht fehlen. Diese Einheit kann sich auch zuweilen zu der eines sittlichen Grundgedankens, der Idee, steigern. In jedem Falle muß alles Episodenhafte vom Drama ausgeschlossen sein. Das Drama eignet sich am wenigsten zum Extravagieren der Dichtung. – Mit der Handlung verbindet sich im Drama die Charakteristik der Personen, die Darstellung der geistigen Welt, aus welcher die Motive des Handelns fließen und das äußere Getriebe des Lebens verständlich wird. Die Charakteristik kann indirekt gegeben werden, indem die Personen wesentlich nur handelnd und in Beziehung zu den mitwirkenden Personen dargestellt werden, dem Zuschauenden also die Aufgabe zufallt, sich ihr Wesen zurechtzulegen; oder sie kann direkt, durch die eigenen Reden der Person selbst, durch die Urteile der anderen, durch Kontrastfiguren gegeben sein. Auch steht dem dramatischen Dichter das Mittel zu Gebote, uns in Monologen der wichtigeren Personen in ihr Herz hineinschauen zu lassen. Die Charakteristik der Personen stuft sich naturgemäß nach der Bedeutung derselben für die Handlung ab. Die uns am meisten interessierenden, deren Schicksal der Kern der Gesamthandlung ist, die Helden oder Hauptpersonen, verlangen die sorgfältigste Charakteristik; um sie gruppiert sich eine Reihe mehr oder minder wichtiger Nebenpersonen, die Partei des Helden; andere treten dem Helden in den Weg, durchkreuzen seinen Willen, suchen ihm das Gelingen zu vereiteln; sie bilden die Gegenpartei, und so entwickelt sich Spiel und Gegenspiel; auch hier verteilt sich das Interesse des Zuschauenden und demgemäß die Charakteristik stufenmäßig. – Zu scheiden ist zwischen dem antiken und modernen Drama. Jenes hat sich namentlich bei den Athenern vom 6. Jahrhundert ab entwickelt. Die Athener besaßen im 6. Jahrhundert ein ernstes Götter- und Heldendrama mit glücklichem oder unglücklichem Ausgange, die Tragödie (s. d.), ein heiteres mythologisches und politischsatirisches Drama voll übermütiger Scherze, die Komödie (s. d.), und ein Drama mit ernsten Personen, die geneckt und umscherzt waren von den Satyrn, den heiteren Genossen des Bakchos, das Satyrdrama. Das griechische Drama war aus dem Dionysoskult hervorgegangen, bewahrte im allgemeinen seinen mythischen Schicksalsinhalt, stellte die Handlung über die Charakteristik und brachte es zu keiner einheitlichen Form, indem Dialoge und Chorlieder wechselten; nur die Komödie entwickelte sich allmählich zu reiner Kunstform und zu rein menschlichem Inhalte. – Das moderne Drama, das mit den kirchlichen Spielen (Oster-, Passions-, Weihnachtsspielen), den Moralitäten und Fastnachtsspielen gegen Ende des Mittelalters beginnt, erleidet bald eine eingreifende Veränderung durch den Einfluß der antiken Vorbilder. Es entwickelt sich so ein Drama, in dem mehr und mehr die Charakteristik der Personen an Bedeutung gewinnt, dessen psychologischer Gehalt stetig wächst, das das Ringen der menschlichen Geisteskraft mit den Schranken des Daseins darstellt. Im modernen Drama scheiden sich das Trauerspiel, ein ernstes Drama mit unglücklichem Ausgang (auch Tragödie genannt), das Schauspiel, ein ernstes Drama mit glücklichem Ausgang, und das Lustspiel, ein heiteres Drama mit glücklichem Ausgang. An der Pflege des Dramas haben in der Neuzeit alle gebildeten Völker Europas teilgenommen. Vgl. Aristoteles, Poetik (peri poiêtikês. In der Ausgabe des Aristoteles, Berlin 1831, p. 1447-1462). G. E. Lessing, Hamburgische Dramaturgie 1767 ff. Fr. Schiller, Über den Grund des Vergnügens an trag. Gegenständen. 1792. A. W. Schlegel, Vorlesungen über dramatische Kunst und Literatur. 1809-1811. G. Freytag, Technik des Dramas. 1864. J. L. Klein, Geschichte des Dramas. Leipzig 1865ff. 15. Bd. – O. Ludwig, Shakspearestudien und daraus: Die dramatischen Aufgaben der Zeit. Mein Wille und Weg.

      Druckempfindung ist eine Art der Empfindung des allgemeinen Sinnes, welche nicht an einen bestimmten Nerv gebunden, sondern allen Teilen der Begrenzung des Körpers eigen ist. Die Druckempfindung bildet ein System für sich. Man kann zwischen Tast-und eigentlicher Druckempfindung unterscheiden. Jene bringt uns den aktiv gegen das Objekt gerichteten, diese den vom Objekt gegen die Hautfläche ausgebenden passiv empfundenen Druck zum Bewußtsein. Der Hautsinn ist überwiegend als Ganzes tätig, während der Tastsinn in einzelnen Gliedern besonders zur Funktion kommt. Bei der eigentlichen Druckempfindung werden die leise Berührung mit Hartem und die kräftige Berührung mit Weichem gleich wahrgenommen; bei gleicher