sonst hätte ich von Popinot die Summe eintragen lassen«, sagte Ferdinand.
»Jawohl,« meinte Birotteau, der über den kühlen Gleichmut des Normannen außer Fassung geriet, welcher die guten Leute, zu denen er gekommen war, um ein Vermögen zu erwerben, recht gut kannte.
Der Parfümhändler und sein Kommis verbrachten die Nacht mit Nachforschungen, von denen der ehrenhafte Kaufmann wußte, daß sie überflüssig waren. Im Aufundabgehen steckte Cäsar schließlich drei Banknoten von tausend Franken, indem er sie zwischen die Leisten der Schublade klemmte, in die Kasse, stellte sich darauf sehr müde, tat, als ob er schliefe, und schnarchte. Dann weckte ihn du Tillet triumphierend auf und äußerte die größte Freude, daß sich der Irrtum aufgeklärt habe. Am nächsten Tage schalt Birotteau vor allem mit dem kleinen Popinot und seiner Frau und äußerte sich zornig über ihre Nachlässigkeit. Vierzehn Tage später trat Ferdinand du Tillet bei einem Wechselmakler in Stellung. Das Parfümeriegeschäft sage ihm nicht zu, meinte er, er wolle das Bankfach kennenlernen. Als er Birotteau verließ, äußerte sich du Tillet über Frau Konstanze so, als ob er glauben machen wollte, daß sein Chef ihn aus Eifersucht entlassen habe. Einige Monate später erschien du Tillet wieder bei seinem früheren Prinzipal und verlangte von ihm eine Bürgschaft für zwanzigtausend Franken, um genügend Unterlagen für ein Geschäft geben zu können, das ihm den Weg zur Erlangung eines Vermögens eröffnen sollte. Als er die Überraschung wahrnahm, die sich auf Birotteaus Gesicht bei dieser Unverschämtheit malte, runzelte er die Stirn und fragte ihn, ob er kein Vertrauen zu ihm hätte. Matifat und zwei andere Kaufleute, die mit Birotteau in Geschäften verhandelten, bemerkten seinen Unwillen, obwohl er seinen Zorn in ihrer Gegenwart unterdrückte. Aber vielleicht war du Tillet wieder ein anständiger Mensch geworden, vielleicht war sein Vergehen damals durch eine verzweifelte Geliebte oder durch zu gewagtes Spielen veranlaßt worden; eine öffentliche Ablehnung seitens eines ehrenhaften Mannes könnte einen noch jungen Menschen auf den Weg des Verbrechens und Unglücks bringen, einen Menschen, der vielleicht schon Reue empfand. Und so ergriff dieser Engel von Mensch die Feder, unterzeichnete die Bürgschaft für die Wechsel du Tillets und sagte, er leiste diesen Dienst von Herzen gern einem jungen Manne, der ihm sehr von Nutzen gewesen sei. Das Blut stieg ihm ins Gesicht, als er diese bewußte Lüge aussprach. Du Tillet konnte dabei den Blick dieses Mannes nicht aushalten und gelobte ihm zweifellos in diesem Augenblick jenen schonungslosen Haß, wie ihn die Engel der Finsternis gegen die Engel des Lichts hegen. Du Tillet verstand es, sich so gut auf dem schwanken Seil der Finanzspekulationen im Gleichgewicht zu halten, daß er nach außen hin immer elegant und reich erschien, bevor er es in Wirklichkeit war. Sobald er sich ein Kabriolett angeschafft hatte, gab er es auch nicht wieder auf; er bewegte sich ständig in der hohen Sphäre der Leute, die Vergnügen und Geschäft miteinander verbinden, indem sie, als die Turcarets ihrer Zeit, aus dem Foyer der Oper eine Filiale der Börse machen. Dank Frau Roguin, die er bei Birotteau kennengelernt hatte, setzte er sich schnell bei den höchstgestellten Finanzleuten fest. Und jetzt war Ferdinand du Tillet zu einem Wohlstand gelangt, an dem nichts erlogen war. Er stand vorzüglich mit dem Hause Nucingen, bei dem Roguin ihn eingeführt hatte, er hatte sich schnell mit den Gebrüdern Keller und mit der Hochfinanz liiert. Niemand wußte, woher diesem jungen Menschen die riesigen Kapitalien zuflossen, die er arbeiten ließ, man schrieb sein Glück seiner Intelligenz und seiner Ehrlichkeit zu.
Die Restauration machte Cäsar zu einer Persönlichkeit, die natürlich in dem Sturm der politischen Krisen jene beiden häuslichen Zwischenfälle aus dem Gedächtnis verlor. Seine unveränderte royalistische Gesinnung, die ihm seit seiner Verwundung sehr gleichgültig geworden war, in der er aber anstandshalber verharrte, und die Erinnerung an seine Aufopferung im Vendémiaire verschafften ihm hohe Protektionen, und zwar gerade deshalb, weil er nichts für sich verlangte. So wurde er zum Bataillonschef bei der Nationalgarde ernannt, obwohl er nicht imstande war, das einfachste Kommando zu geben. Im Jahre 1815 setzte ihn Napoleon, immer noch Birotteaus Feind, ab. Während der Hundert Tage wurde Birotteau die Bête noire der Liberalen in seinem Viertel; denn gerade im Jahre 1815 begannen die politischen Spaltungen innerhalb der Kaufmannschaft, die bis dahin in ihrem Verlangen nach Ruhe, die sie für die Geschäfte brauchte, einhellig gewesen war. Bei der zweiten Restauration mußte die königliche Regierung den Munizipalrat umgestalten. Der Präfekt wollte Birotteau zum Bürgermeister ernennen. Dank seiner Frau nahm der Parfümhändler aber nur die Stelle eines Beigeordneten an, wo er weniger der Öffentlichkeit ausgesetzt war. Diese Bescheidenheit erhöhte noch bedeutend die Achtung, die er schon allgemein genoß, und verschaffte ihm die Freundschaft des Bürgermeisters, des Herrn Flamet de la Billardière. Birotteau, der ihn zur Zeit, da die Rosenkönigin als Sammelplatz für die royalistischen Verschwörungen diente, dort hatte verkehren sehen, schlug ihn selbst dem Seinepräfekten vor, der ihn über die zu treffende Wahl konsultiert hatte. Herr und Frau Birotteau wurden auch niemals bei den Einladungen des Bürgermeisters übergangen. Schließlich sammelte Frau Cäsar häufig für die Armen Almosen in Saint-Roch. La Billardière trat warm für Birotteau ein, als es sich darum handelte, die für den Munizipalrat bewilligten Kreuze der Ehrenlegion zu verteilen, indem er seine Verwundung von Saint-Roch, seine Anhänglichkeit an die Bourbonen und die Achtung, die er genoß, hervorhob. Das Ministerium, das verschwenderisch das Kreuz der Ehrenlegion verteilte, um Napoleons Werk zu zerstören, sich gefügige Kreaturen zu schaffen und die verschiedenen Zweige des Handels, die Künstler und die Gelehrten den Bourbonen zu verbinden, setzte daher Birotteau auf die nächste Liste. Diese Auszeichnung, im Verein mit dem Glanz, den Birotteau seinem ganzen Arrondissement verlieh, brachte ihn in eine Lage, in der sich die Gedanken eines Mannes, dem bis dahin alles geglückt war, ins Große versteigen mußten. Die Nachricht von seiner Ernennung, die der Bürgermeister ihm mitgeteilt hatte, gab den letzten entscheidenden Anstoß für den Parfümhändler, sich auf das Spekulationsgeschäft, das er eben seiner Frau auseinandergesetzt hatte, einzulassen, um so schnell als möglich den Ladenhandel aufzugeben und Mitglied der höheren Bourgeoisie von Paris zu werden.
Cäsar war damals vierzig Jahre alt. Das Arbeiten in seiner Fabrik hatte ihm einige frühzeitige Runzeln aufgedrückt und sein langes dichtes Haar leicht übersilbert, in das sich durch den Druck des Hutes ein glänzender Kreis eingeprägt hatte. Seine Stirn, in die das Haar so hineingewachsen war,