d’Uxelles, eine Verwandte des Herrn Herzogs und der Frau Herzogin von Lenoncourt, die unsre Kunden sind. Dafür habe ich auch jeden Sonntag für sie und ihre ganze Familie gebetet; wir schicken in die Touraine an ihre Nichte, die Frau von Mortsauf, alle ihre Parfümerien. Ich bekomme immer neue Kundschaft durch sie, zum Beispiel den Herrn von Vandenesse, der jährlich für zwölfhundert Franken kauft. Wenn man ihnen nicht schon von Herzen dankbar wäre, so müßte man es aus Berechnung sein. Dir aber bin ich ohne jeden Hintergedanken gut und um deiner selbst willen.«
»Ach, Herr Birotteau, Sie haben, wenn ich mir erlauben darf, Ihnen so etwas zu sagen, einen höllischen Kopf.«
»Nein, mein Junge, nein, damit allein hätte ich es nicht geschafft. Ich will nicht behaupten, daß ich nicht einen ebenso guten Kopf hätte wie andere, aber ich besaß auch noch Ehrlichkeit, so wahr Gott lebt, ich verstand, mich zu benehmen, und ich habe nie eine andere Frau geliebt als meine. Und die Liebe, die ist ein großartiges Vehikel, ein sehr glücklicher Ausdruck, den gestern Herr von Villèle auf der Tribüne gebraucht hat.«
»Die Liebe!« sagte Popinot. »Ach, Herr Birotteau, sollte ich …«
»Sieh mal, da kommt der alte Roguin zu Fuß dort hinten von der Place Louis XV., früh um acht Uhr. Was macht der Mann denn hier?« sagte Cäsar und vergaß Anselm Popinot und das Nußöl vollständig.
Er erinnerte sich an den Verdacht seiner Frau, und statt in den Garten der Tuilerien hineinzugehen, schritt Birotteau auf den Notar zu. Anselm folgte seinem Prinzipal in einiger Entfernung, ohne sich erklären zu können, welches Interesse dieser an einer anscheinend so unwichtigen Sache haben könnte; aber er war glücklich, weil er in dem, was Cäsar über seine eisenbeschlagenen Schuhe, seinen Louisdor und die Liebe gesagt hatte, eine Ermutigung sah.
Roguin, ein großer dicker Mann mit finnigem Gesicht, sehr weit hinaufreichender Stirn und schwarzem Haar, hatte früher kein übles Äußeres; jung und hochstrebend, hatte er sich vom kleinen Schreiber bis zum Notar hinaufgearbeitet; aber jetzt zeigte sein Gesicht dem scharfen Beobachter deutlich die verzerrenden und erschlaffenden Spuren raffinierter Genüsse. Wenn ein Mann in den Schlamm geschlechtlicher Exzesse taucht, wird man fast immer etwas von diesem Schlamm an irgendeiner Stelle seines Antlitzes finden; so hatte auch bei Roguin die Zeichnung der Falten und die Gesichtsfärbung einen gemeinen Ausdruck bekommen. An Stelle des reinen Glanzes, der unter der Haut enthaltsamer Männer hervorleuchtet und eine blühende Gesundheit anzeigt, verriet sich bei diesem das unreine, von Gelüsten, gegen die der Körper sich wehrt, aufgepeitschte Blut. Er hatte eine widerwärtig aufgestülpte Nase, wie man sie bei Leuten findet, bei denen der Schleim, wenn er dieses Organ durchzieht, ein verstecktes Übel verursacht, das eine tugendhafte französische Königin naiv für ein dem andern Geschlecht gemeinsames Übel hielt, da sie andern Männern als dem Könige niemals nahe genug gekommen war, um ihren Irrtum zu erkennen. Roguin hatte gehofft, durch starkes Schnupfen von Spaniol diese Unannehmlichkeit verbergen zu können, aber er hatte damit die nachteiligen Folgen nur verschlimmert, die die Hauptursache seines Unglücks wurden.
Ist es nicht eine soziale Beschönigung, die schon allzu lange gedauert hat, wenn die Menschen immer wieder mit falschen Farben abgebildet und die wahren Ursachen ihrer Laster nicht enthüllt werden, die so häufig in einer Krankheit wurzeln? Die Sittenschilderer haben bis jetzt wohl allzusehr unterlassen, das physische Übel in seinen Verheerungen auf moralischem Gebiet und in seinem Einfluß auf den ganzen Mechanismus des Lebens darzustellen. Das Geheimnis dieser Ehe hatte Frau Konstanze richtig erkannt.
Seit ihrer Hochzeitsnacht hatte die reizende einzige Tochter des Bankiers Chevrel gegen den armen Notar eine unüberwindliche Abneigung gefaßt und wollte sich sofort scheiden lassen. Da Roguin das Glück des Besitzes einer Frau mit einem Vermögen von fünfhunderttausend Franken, nicht gerechnet, was sie noch zu erwarten hatte, nicht fahren lassen wollte, so hatte er seine Frau angefleht, die Scheidungsklage nicht anzustrengen, indem er ihr völlige Freiheit zusagte und sich allen Konsequenzen dieses Versprechens unterwarf. Frau Roguin benahm sich nun als unumschränkte Herrin gegen ihren Mann, wie eine Kurtisane gegen einen alten Liebhaber. Roguin merkte bald, daß ihm seine Frau zu teuer wurde, und schaffte sich, wie viele Pariser Ehemänner, einen zweiten Haushalt in der Stadt an. Da sich die Ausgabe dafür anfangs in mäßigen Grenzen hielt, so kam sie nicht sehr in Betracht.
Zunächst fand Roguin ohne große Kosten Grisetten, die sehr glücklich waren, daß er sie protegierte; aber seit drei Jahren wurde er von einer jener unbezähmbaren Leidenschaften verzehrt, von denen Männer zwischen fünfzig und sechzig Jahren manchmal befallen werden und die ihm von einem der entzückendsten Wesen dieser Zeit eingeflößt wurde, die in den Annalen der Prostitution unter dem Namen der schönen Holländerin bekannt wurde, als sie in den Abgrund versank und ihr Tod sie berühmt machte. Sie war einst von einem Klienten Roguins von Brüssel nach Paris gebracht worden, der sie, als er infolge der politischen Ereignisse genötigt war, sich zu entfernen, im Jahre 1815 an Roguin abtrat. Der Notar hatte seiner Schönen ein kleines Haus in den Champs-Elysées gekauft, es reich möbliert und sich zu immer weiteren Ausgaben hinreißen lassen, ohne die kostspieligen Launen dieses Weibes befriedigen zu können, dessen Verschwendung sein Vermögen aufzehrte.
Das bedrückte Gesicht Roguins, das sich erst aufhellte, als er seinen Klienten erblickte, hing mit geheimnisvollen Ereignissen zusammen, die den verborgenen Grund von du Tillets so schnell erworbenem Vermögen bildeten. Du Tillets ursprünglicher Plan wurde schon am ersten Sonntag geändert, als er das Verhältnis zwischen Herrn und Frau Roguin beobachten konnte. Er war zu Birotteau gegangen, weniger um seine Frau zu verführen, als um sich Cäsarines Hand als Entschädigung für eine zurückgedrängte Leidenschaft anbieten zu lassen; aber es wurde ihm um so leichter, auf diese Heirat zu verzichten, als er Cäsar für reich gehalten hatte und ihn nur mäßig begütert fand. Nun spionierte er den Notar aus, wußte sich in sein Vertrauen einzuschleichen, ließ sich der schönen Holländerin vorstellen, bekam heraus, wie sie mit Roguin stand und daß sie damit drohte, ihren Liebhaber zu verabschieden, wenn er ihr ihren Luxus beschneiden wollte. Die schöne Holländerin war eins jener tollen Weiber, die sich niemals darum kümmern, woher das Geld kommt und wie es erworben ist, und die mit den Talern eines Vatermörders ein Fest geben würden. Niemals dachte sie am Abend an den nächsten Tag. Die Zukunft bedeutete für sie soviel wie der Nachmittag, und das Ende des Monats