Honore de Balzac

Honoré de Balzac – Gesammelte Werke


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nicht zu ant­wor­ten, so er­regt war er, aber sei­ne Au­gen, die voll Trä­nen wa­ren, ant­wor­te­ten für ihn. Das Aner­bie­ten schi­en ihm von vä­ter­li­cher Nach­gie­big­keit dik­tiert zu sein und zu sa­gen: Ver­die­ne dir Cäsa­ri­ne, in­dem du reich und an­ge­se­hen wirst.

      »Herr Bi­rot­teau,« er­wi­der­te er end­lich, wo­bei er des­sen Er­re­gung für Er­stau­nen hielt, »auch ich wer­de Er­folg ha­ben!«

      »Genau so war ich,« rief der Par­füm­händ­ler aus, »ge­nau so habe ich ge­spro­chen. Wenn du auch mei­ne Toch­ter nicht er­rin­gen soll­test, so wirst du je­den­falls ein Ver­mö­gen er­wer­ben. Nun, mein Jun­ge, was hast du denn?«

      »Las­sen Sie mich we­nigs­tens hof­fen, daß, wenn ich das eine er­wer­be, ich auch die an­de­re er­hal­ten wer­de.«

      »Zu hof­fen kann ich dir nicht ver­bie­ten«, sag­te Bi­rot­teau, ge­rührt von dem Ton, in dem An­selm sprach.

      »Also, Herr Bi­rot­teau, darf ich schon heu­te alle Schrit­te tun, um ein Ge­schäfts­lo­kal zu fin­den und so schnell als mög­lich an­zu­fan­gen?«

      »Ja­wohl, mein Kind. Mor­gen wol­len wir bei­de uns in der Fa­brik ein­schlie­ßen. Be­vor du nach der Rue des Lom­bards gehst, frag doch mal bei Li­ving­ston an, ob mei­ne hy­drau­li­sche Pres­se mor­gen in Gang ge­setzt wer­den kann. Heu­te abend wol­len wir um die Es­sens­stun­de zu dem be­rühm­ten lie­ben Herrn Vau­que­lin ge­hen und ihn um Rat bit­ten. Die­ser Ge­lehr­te stu­diert au­gen­blick­lich die Zu­sam­men­set­zung des Haars und un­ter­sucht, wel­ches die far­be­ge­ben­de Sub­stanz ist, wo sie her­kommt und wor­aus das Ge­we­be des Haars be­steht. Da­rauf be­ruht al­les, Po­pi­not. Mei­ne Er­fin­dung wirst du ken­nen ler­nen, und es han­delt sich nur noch dar­um, sie klug aus­zu­beu­ten. Be­vor du zu Li­ving­ston gehst, mußt du dich üb­ri­gens noch zu Pie­ri Bérard be­ge­ben. Die Unei­gen­nüt­zig­keit des Herrn Vau­que­lin ist ei­ner der großen Schmer­zen mei­nes Le­bens, mein Kind: er will durch­aus nichts von mir an­neh­men. Glück­li­cher­wei­se habe ich von Chif­fre­ville er­fah­ren, daß er eine hei­li­ge Jung­frau der Dres­de­ner Gal­le­rie, und zwar den Stich ei­nes ge­wis­sen Mül­ler, gern ha­ben möch­te, und nach zwei­jäh­ri­ger Kor­re­spon­denz mit Deutsch­land hat Bérard end­lich ein Exem­plar auf­ge­trie­ben, ein Avant la lettre auf chi­ne­si­schem Pa­pier; es kos­tet fünf­zehn­hun­dert Fran­ken, mein Jun­ge. Das soll un­ser Wohl­tä­ter heu­te in sei­nem Vor­zim­mer, wenn er uns hin­aus­be­glei­tet, vor­fin­den; über­zeu­ge dich auch, daß es ge­rahmt ist. Wir, mei­ne Frau und ich, wer­den auf die­se Wei­se in sei­ner Erin­ne­rung blei­ben; was die Dank­bar­keit an­langt, so be­ten wir seit sech­zehn Jah­ren täg­lich für ihn zum lie­ben Gott. Ich selbst, ich wer­de sei­ner nie­mals ver­ges­sen; aber die­se in die Wis­sen­schaft ver­gra­be­nen Ge­lehr­ten, Po­pi­not, ver­ges­sen al­les, ihre Frau­en, ihre Freun­de und die ih­nen zu Dank Ver­pflich­te­ten. Wir, mit un­se­rer schwa­chen In­tel­li­genz, wir kön­nen we­nigs­tens ein war­mes Herz ha­ben. Aber die­se Her­ren von der Aka­de­mie, bei de­nen ist al­les Ge­hirn, du wirst dich da­von über­zeu­gen; in der Kir­che sind sie nie­mals zu tref­fen. Herr Vau­que­lin ist be­stän­dig in sei­nem Ar­beits­zim­mer oder in sei­nem La­bo­ra­to­ri­um, ich hof­fe, daß er bei sei­nen Ana­ly­sen we­nigs­tens an Gott denkt. Also das ist ab­ge­macht, ich gebe dir das Geld, du be­kommst das Re­zept mei­ner Er­fin­dung und ich bin zur Hälf­te be­tei­ligt, ei­nes Ver­tra­ges be­darf es zwi­schen uns nicht. Und nun wol­len wir auf den Er­folg hof­fen! Wir wer­den uns­re Flö­ten schon stim­men. Also lauf, mein Jun­ge, ich gehe jetzt ins Ge­schäft. Hör mal, Po­pi­not, ich gebe in drei Wo­chen einen großen Ball, laß dir einen Frack ma­chen, da­mit du schon als selb­stän­di­ger Kauf­mann auf­tre­ten kannst …«

      Die­ser Zug von Güte rühr­te Po­pi­not der­art, daß er die di­cke Hand Cäsars er­griff und sie küß­te. Der gute Mann hat­te den Lie­ben­den durch die­se Äu­ße­rung glück­lich ge­macht, und Ver­lieb­te sind zu al­lem fä­hig.

      »Ar­mer Kerl,« sag­te Bi­rot­teau, als er ihn quer durch den Tui­le­ri­en­gar­ten we­gei­len sah, »wenn ihn Cäsa­ri­ne viel­leicht doch lieb hat­te? Aber er hin­kt doch und hat rote Haa­re, und die jun­gen Mäd­chen sind doch so emp­find­lich; nein, ich glau­be nicht, daß Cäsa­ri­ne … Und dann die Mut­ter, die sie an einen No­tar ver­hei­ra­ten will. Alex­an­der Crot­tat wür­de sie zu ei­ner rei­chen Frau ma­chen, und Reich­tum macht al­les er­träg­lich, dem Elend aber hält kein Lie­bes­glück stand. Na, ich bin ja ent­schlos­sen, mei­ne Toch­ter selbst über ihre Hand ver­fü­gen zu las­sen, wenn sie nicht ge­ra­de eine un­sin­ni­ge Sa­che will.«

      Bi­rot­te­aus Nach­bar war ein klei­ner Kauf­mann, der mit Re­gen­schir­men, Son­nen­schir­men und Stö­cken han­del­te; er hieß Cay­ron, stamm­te aus dem Langue­doc, mach­te schlech­te Ge­schäf­te und hat­te sich schon mehr­mals von Bi­rot­teau hel­fen las­sen. Es war ihm sehr lieb, sei­nen La­den ver­klei­nern und dem rei­chen Par­füm­händ­ler die bei­den Zim­mer im ers­ten Stock ab­tre­ten und sei­nen Miet­zins ent­spre­chend ver­rin­gern zu kön­nen.

      »Also, lie­ber Nach­bar«, sag­te Bi­rot­teau in fa­mi­li­ärem Tone, als er bei dem Schirm­händ­ler ein­trat, »mei­ne Frau ist mit der Ver­grö­ße­rung un­se­res Ge­schäfts­lo­kals ein­ver­stan­den! Wenn Sie wol­len, kön­nen wir um elf Uhr zu Herrn Mo­li­neux ge­hen.«

      »Mein ver­ehr­ter Herr Bi­rot­teau«, er­wi­der­te der Schirm­händ­ler, »ich habe bis­her nichts von Ih­nen für die­se Ab­tre­tung be­an­sprucht, aber Sie wis­sen ja, ein gu­ter Kauf­mann muß aus al­lem Geld schla­gen.«

      »Oho,« ant­wor­te­te der Par­füm­händ­ler, »ich bin nicht so reich, wie Sie den­ken. Ich weiß auch noch nicht, ob mein Archi­tekt, den ich er­war­te, die Sa­che für durch­führ­bar hal­ten wird. Be­vor wir uns dazu ent­schlie­ßen, hat er mir ge­sagt, müs­sen wir uns erst über­zeu­gen, daß die Fuß­bö­den das glei­che Ni­veau ha­ben. Dann muß Herr Mo­li­neux zu­stim­men, daß wir die Mau­er durch­bre­chen; ist es eine Grenz­mau­er? End­lich muß ich bei mir die Trep­pe ver­schie­ben, da­mit der Trep­pen­ab­satz fort­kommt und eine Zim­mer­flucht her­ge­stellt wird. Das al­les wird sehr viel Geld kos­ten, und ich will mich doch nicht rui­nie­ren.«

      »Ach, Herr Bi­rot­teau,« sag­te der Süd­fran­zo­se, »ehe Sie rui­niert sind, muß die Son­ne mit der Erde Kin­der ge­kriegt ha­ben.«

      Bi­rot­teau strei­chel­te sein Kinn, hob sich auf die Fuß­spit­zen und ließ sich dann auf die Ha­cken zu­rück­fal­len.

      »Üb­ri­gens«, be­gann Cay­ron wie­der, »ver­lan­ge ich ja nichts an­de­res, als daß Sie mir die­se Pa­pie­re hier ab­neh­men sol­len …«

      Und er prä­sen­tier­te ihm ein klei­nes Pa­ket, das aus sech­zehn Wech­seln über zu­sam­men fünf­tau­send Fran­ken be­stand.

      »Ach so«, sag­te der Par­füm­händ­ler, »Klein­zeug, zwei Mo­na­te, drei Mo­na­te …«

      »Neh­men Sie sie we­nigs­tens zu sechs Pro­zent«, sag­te der Händ­ler in de­mü­ti­gem Tone.

      »Bin ich etwa ein Wu­che­rer?« er­wi­der­te Bi­rot­teau vor­wurfs­voll.

      »Mein Gott, lie­ber Herr, ich war schon bei Ihrem frü­he­ren Kom­mis du Til­let; er woll­te sie um kei­nen Preis neh­men, wahr­schein­lich woll­te er her­aus­be­kom­men, wie­viel ich von dem Be­tra­ge ab­las­sen wür­de.«