Honore de Balzac

Honoré de Balzac – Gesammelte Werke


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ruch­bar wird, und ich wer­de schon von zwei mei­ner reichs­ten Kli­en­ten leb­haft be­drängt, die sich auf die­se Spe­ku­la­ti­on ein­las­sen wol­len. Es muß also jetzt ja oder nein hei­ßen. Gleich nach zwölf Uhr neh­me ich den Akt auf, Sie ha­ben nur bis ein Uhr Zeit, sich zu be­tei­li­gen. Adieu. Ich bin ge­ra­de im Be­griff, den Ent­wurf durch­zu­se­hen, den Xan­d­rot mir die­se Nacht hat aus­ar­bei­ten müs­sen.«

      »Nun, dann also ab­ge­macht, Sie ha­ben mein Wort«, sag­te Bi­rot­teau, der hin­ter dem No­tar her­ge­lau­fen war und ihm sei­nen Hand­schlag ge­ge­ben hat­te. »Neh­men Sie die hun­dert­tau­send Fran­ken, die für die Mit­gift mei­ner Toch­ter be­stimmt wa­ren.«

      »Schön«, sag­te Ro­guin und ent­fern­te sich.

      Wäh­rend der kur­z­en Zeit, die Bi­rot­teau brauch­te, um zu dem klei­nen Po­pi­not zu­rück­zu­kom­men, emp­fand er ein hef­ti­ges Bren­nen in den Ein­ge­wei­den, sein Zwerch­fell zog sich zu­sam­men und er hat­te Klin­gen in den Ohren.

      »Was ist Ih­nen denn, Herr Bi­rot­teau?« frag­te der Kom­mis, als er das blei­che Ge­sicht sei­nes Prin­zi­pals sah.

      »Ach, mein Jun­ge, ich habe eben mit ei­nem ein­zi­gen Wor­te ein großes Ge­schäft ab­ge­schlos­sen, und in sol­chem Fal­le ist nie­mand Herr über sei­ne Er­re­gung. Im üb­ri­gen bist du ja kein Frem­der für mich. Des­halb bin ich auch mit dir hier­her ge­gan­gen, wo uns nie­mand hö­ren kann, um un­ge­niert mit dir re­den zu kön­nen. Dei­ne Tan­te be­fin­det sich in Ver­le­gen­heit, wo­bei hat sie denn ihr gan­zes Geld ver­lo­ren? Er­klä­re mir das.«

      »Der On­kel und die Tan­te hat­ten ihre Ef­fek­ten bei Herrn von Nu­cin­gen, und sie wa­ren ge­nö­tigt, in Zah­lung Ak­ti­en der Wort­schi­ner Mi­nen zu neh­men, die noch kei­ne Di­vi­den­de ge­ben; es ist schwie­rig, in ih­rem Al­ter von Zu­kunfts­hoff­nun­gen zu le­ben.«

      »Aber wo­von le­ben sie denn?«

      »Sie wa­ren so freund­lich, mein Ge­halt von mir an­zu­neh­men.«

      »Schön, schön, An­selm,« sag­te der Par­füm­händ­ler, in des­sen Auge eine Trä­ne er­glänz­te, »du bist mei­ner Zu­nei­gung wert. Des­halb sollst du auch für dei­nen Ei­fer in mei­nem Ge­schäf­te reich be­lohnt wer­den.«

      Bei die­sen Wor­ten wuchs der Kauf­mann eben­so­sehr in sei­nen ei­ge­nen wie in Po­pi­nots Au­gen; er sprach sie mit je­ner nai­ven Em­pha­se des Bour­geois aus, die die ko­mi­sche Wich­tig­keit, die er dar­auf leg­te, zum Aus­druck brach­te.

      »Wie? Ha­ben Sie wirk­lich mei­ne Lie­be ge­ahnt, mei­ne Lie­be zu …«

      »Zu wem?«

      »Zu Fräu­lein Cäsa­ri­ne.«

      »Don­ner­wet­ter, mein Jun­ge, du bist nicht blö­de«, rief Bi­rot­teau aus. »Aber be­hal­te die Sa­che als dein Ge­heim­nis; ich ver­spre­che dir, daß ich sie ver­ges­sen will; mor­gen sollst du von mir fort­ge­hen. Aber ich bin dir nicht böse; an dei­ner Stel­le hät­te ich, weiß der Teu­fel, ge­nau so ge­han­delt. Sie ist ja so schön!«

      »Ach, lie­ber Herr Bi­rot­teau!« sag­te der Kom­mis und fühl­te, wie sein Hemd vom Schweiß der Auf­re­gung feucht wur­de.

      »Höre, mein Jun­ge, das ist kei­ne Sa­che von heu­te auf mor­gen. Cäsa­ri­ne ist Her­rin über sich, und ihre Mut­ter hat ihre Ab­sich­ten mit ihr. Also er­man­ne dich, trock­ne dei­ne Au­gen, hal­te dein Herz im Zau­me und re­den wir nicht mehr da­von. Nicht, daß ich mich dei­ner als Schwie­ger­sohn schä­men wür­de; du bist der Nef­fe des Herrn Po­pi­not, Rich­ter am Tri­bu­nal ers­ter In­stanz, du bist Ra­g­ons Nef­fe, du hast das Recht, vor­wärts zu kom­men wie je­der an­de­re, aber es gibt da ver­schie­de­ne Wenns und Abers! Aber was für eine Teu­fels­ge­schich­te hast du mir da mit­ten in eine ge­schäft­li­che Be­spre­chung hin­ein­ge­wor­fen! Jetzt setz dich mal hier auf die­sen Stuhl und laß den Ver­lieb­ten dem Kom­mis Platz ma­chen. Po­pi­not, bist du ein Mann?« sag­te er und sah sei­nen Kom­mis scharf an. »Hast du den Mut, mit et­was zu kämp­fen, was stär­ker ist als du, und dich mit dei­nem Geg­ner Auge in Auge zu schla­gen?«

      »Ja­wohl, Herr Bi­rot­teau.«

      »Ei­nen lang­wie­ri­gen und ge­fähr­li­chen Kampf durch­zu­füh­ren?«

      »Worum han­delt es sich?«

      »Das Ma­kassar­öl zu ver­nich­ten!« sag­te Bi­rot­teau und rich­te­te sich auf wie ein Held Plut­archs. »Aber täu­schen wir uns nicht dar­über, der Feind ist stark, wohl ver­schanzt, furcht­bar. Das Ma­kassar­öl hat sich glän­zend ein­ge­führt. Die Auf­ma­chung ist sehr ge­schickt; die vier­e­cki­gen Fla­schen ha­ben eine ori­gi­nel­le Form. Bei mei­nem Pro­jekt habe ich an drei­e­cki­ge ge­dacht; aber nach reif­li­chem Über­le­gen wür­de ich klei­ne Fla­schen aus dün­nem Gla­se, die mit Rohr um­floch­ten sind, vor­zie­hen; sie wür­den ein ge­heim­nis­vol­les Aus­se­hen ha­ben und die Kund­schaft liebt das, was sie neu­gie­rig macht.«

      »Das wird aber teu­er wer­den«, sag­te Po­pi­not. »Man müß­te al­les so bil­lig wie mög­lich ein­rich­ten, da­mit man den De­tail­lis­ten einen ho­hen Ra­batt be­wil­li­gen kann.«

      »Rich­tig, mein Jun­ge, das sind ge­sun­de Grund­sät­ze. Aber den­ke dar­an, daß sich das Ma­kassar­öl weh­ren wird! Es prä­sen­tiert sich gut, es hat einen ver­füh­re­ri­schen Na­men. Man ver­kauft es als Im­port aus dem Aus­lan­de und das uns­ri­ge ist un­glück­li­cher­wei­se ein Hei­mats­pro­dukt. Also fühlst du die Kraft in dir, Po­pi­not, das Ma­kassar zu ver­nich­ten? Zu­nächst könn­test du ihm bei über­see­i­schen Lie­fe­run­gen den Rang ab­ja­gen: das Ma­kassar­öl scheint wirk­lich aus In­di­en zu kom­men; nichts ist na­tür­li­cher, als daß man den In­di­ern ein fran­zö­si­sches Er­zeug­nis sen­det, an­statt ih­nen et­was zu­rück­zu­schi­cken, was sie ge­hal­ten sind, uns zu lie­fern. Den Klein­han­del hast du si­cher! Aber es heißt kämp­fen, im Aus­lan­de wie in der Pro­vinz! Auch die Re­kla­me für das Ma­kassar­öl ist gut auf­ge­macht, man darf sich sei­ne Macht nicht ver­heh­len, es ist in Mode, das Pub­li­kum kennt es.«

      »Ich wer­de es ver­nich­ten«, rief Po­pi­not mit glü­hen­den Au­gen.

      »Aber wie?« sag­te Bi­rot­teau. »Du hast das Feu­er der Ju­gend; aber höre mich zu Ende.«

      An­selm stell­te sich hin, wie ein Sol­dat vor ei­nem Mar­schall von Frank­reich prä­sen­tiert.

      »Po­pi­not, ich habe ein Öl er­fun­den, das den Haar­wuchs be­för­dert, den Haar­bo­den an­regt und die Haar­far­be bei­den Ge­schlech­tern er­hält. Die­se Es­senz wird kei­nen ge­rin­ge­ren Er­folg ha­ben als mei­ne Pas­te und mein Haut­was­ser; aber ich will die­se Er­fin­dung nicht selbst aus­beu­ten, da ich dar­an den­ke, mich vom Ge­schäf­te zu­rück­zu­zie­hen. Du, mein Kind, sollst das Co­ma­gen­öl her­aus­brin­gen. (Es heißt nach dem la­tei­ni­schen Wort coma, das Haar be­deu­tet, wie Herr Al­bert, der Leib­arzt des Kö­nigs, sagt. Die­ses Wort fin­det sich auch in dem Trau­er­spiel Be­re­ni­ce, wo Ra­ci­ne einen Kö­nig von Co­ma­ge­na auf­tre­ten läßt, den Ge­lieb­ten die­ser schö­nen Kö­ni­gin, die durch ihr schö­nes Haar so be­rühmt war, und de­ren Ge­lieb­ter, si­cher, um ihr zu hul­di­gen, sei­nem Rei­che die­sen Na­men ge­ge­ben hat! Wie­viel Geist die großen Ge­nies be­sit­zen! Sie be­schäf­ti­gen sich mit den kleins­ten De­tails.)«

      Der klei­ne Po­pi­not