Honore de Balzac

Honoré de Balzac – Gesammelte Werke


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wird die Abrech­nung ma­chen. Also auf elf Uhr, hal­ten Sie sich be­reit. Da kommt ja mein Archi­tekt, Herr Grin­dot«, füg­te der Par­füm­händ­ler hin­zu, als er den jun­gen Mann er­schei­nen sah, mit dem er sich am Abend vor­her bei Herrn von Bil­lar­diè­re ver­ab­re­det hat­te. »Sie sind, ge­gen die Ge­wohn­heit ge­nia­ler Men­schen, pünkt­lich, Herr Grin­dot«, sag­te Cäsar zu ihm, in­dem er sei­ne höchs­te kauf­män­ni­sche Lie­bens­wür­dig­keit ent­fal­te­te. »Wenn die Pünkt­lich­keit, nach dem Wor­te je­nes Kö­nigs, der ein eben­so geist­vol­ler Mann wie ein großer Po­li­ti­ker war, die Höf­lich­keit der Kö­ni­ge ist, so be­deu­tet sie auch für die Kauf­leu­te ein Ver­mö­gen. Zeit ist Geld, das gilt be­son­ders für euch Künst­ler. Die Archi­tek­tur ist die Ve­rei­ni­gung al­ler Küns­te, habe ich mir sa­gen las­sen. Wir wol­len nicht durch den La­den ge­hen«, sag­te er und zeig­te auf einen Ne­ben­ein­gang.

      7

      Herr Grin­dot, der vor vier Jah­ren den Grand Prix der Archi­tek­tur da­von­ge­tra­gen hat­te, war eben aus Rom, nach drei­jäh­ri­gem Auf­ent­halt auf Staats­kos­ten, zu­rück­ge­kehrt. In Ita­li­en hat­te der jun­ge Künst­ler nur an die Kunst ge­dacht, jetzt, in Pa­ris, dach­te er dar­an, wie er zu Ver­mö­gen kom­men kön­ne. Die Re­gie­rung al­lein ist in der Lage, ei­nem Archi­tek­ten, der durch einen Mo­nu­men­tal­bau be­rühmt wer­den will, die er­for­der­li­chen Mil­lio­nen zu­zu­wei­sen; wenn man aus Rom kommt, hält man sich na­tür­lich für einen Fon­taine oder Per­cier, und des­halb sucht je­der ehr­gei­zi­ge Archi­tekt Füh­lung mit dem Mi­nis­te­ri­um zu be­kom­men; der als Li­be­ra­ler nach Rom Ge­schick­te war Roya­list ge­wor­den und ver­such­te nun, die Pro­tek­ti­on ein­fluß­rei­cher Leu­te zu er­lan­gen. Wenn ein »Grand Prix« so han­delt, dann nen­nen ihn sei­ne Ka­me­ra­den einen Int­ri­gan­ten. Der jun­ge Archi­tekt sah hier zwei Wege vor sich: er konn­te den Par­füm­händ­ler ohne Über­vor­tei­lung be­die­nen, oder ihn aus­beu­ten. Aber Bi­rot­teau war Bei­ge­ord­ne­ter, Bi­rot­teau war der künf­ti­ge Be­sit­zer der Hälf­te der Ter­rains an der Ma­de­lei­ne­kir­che, wo frü­her oder spä­ter ein schö­nes Stadt­vier­tel ge­baut wer­den wür­de, er muß­te also scho­nend be­han­delt wer­den. Grin­dot op­fer­te da­her den mo­men­ta­nen Ge­winn den Vor­tei­len der Zu­kunft. Er hör­te ge­dul­dig den Plä­nen, dem Ge­schwätz und den Vor­schlä­gen die­ses Mit­glie­des der Bour­geoi­sie zu, die die stän­di­ge Ziel­schei­be des Spot­tes und Wit­zes der Künst­ler, der ewi­ge Ge­gen­stand ih­rer Ver­ach­tung war, und folg­te der Ge­dan­ken­ent­wick­lung des Par­füm­händ­lers mit bei­fäl­li­gem Kopf­ni­cken. Dann als die­ser al­les breit aus­ein­an­der­ge­setzt hat­te, ver­such­te der jun­ge Archi­tekt, ihm sei­nen Plan kurz zu­sam­men­zu­fas­sen.

      »Sie ha­ben an der Stra­ßen­front drei Fens­ter und das Fens­ter, das nur die Trep­pe und den Trep­pen­ab­satz er­hellt. Zu die­sen vier Fens­tern wol­len Sie die bei­den des Nach­bar­hau­ses, die das glei­che Ni­veau ha­ben, hin­zu­neh­men und durch Ver­schie­ben der Trep­pe für die gan­ze Woh­nung nach der Stra­ße hin eine Zim­mer­flucht her­stel­len.«

      »Sie ha­ben mich voll­kom­men ver­stan­den«, sag­te der er­staun­te Par­füm­händ­ler.

      »Wenn man Ihren Plan aus­füh­ren will, muß man für die neue Trep­pe das Licht von oben her be­schaf­fen und un­ter dem So­ckel eine Por­tier­lo­ge aus­spa­ren.«

      »Ei­nen So­ckel? …«

      »Ja, das ist die Un­ter­la­ge …«

      »Ich ver­ste­he, Herr Grin­dot.«

      »Was Ihre Woh­nung an­langt, so las­sen Sie mir mit der Ein­tei­lung und Aus­stat­tung freie Hand. Ich will, daß sie wür­dig …«

      »Wür­dig! Sie ha­ben das rich­ti­ge Wort aus­ge­spro­chen, Herr Grin­dot.«

      »Und wie­viel Zeit ge­wäh­ren Sie mir für die­se Aus­stat­tung?«

      »Drei Wo­chen.«

      »Und wel­chen Be­trag wol­len Sie den Ar­bei­tern in den Ra­chen wer­fen?« frag­te Grin­dot.

      »Ja, wie teu­er wird mir denn die gan­ze Aus­füh­rung zu ste­hen kom­men?«

      »Bei ei­nem Neu­bau kann ein Archi­tekt die Kos­ten bis auf einen Cen­ti­me aus­rech­nen,« er­wi­der­te der jun­ge Mann; »aber da ich mich nicht dar­auf ver­ste­he, einen Bour­geois hin­ein­zu­le­gen … (Ver­zei­hung, Herr Bi­rot­teau, das Wort ist mir so ent­schlüpft …), so muß ich Ih­nen sa­gen, daß es bei Re­pa­ra­tur- und Flick­ar­bei­ten un­mög­lich ist, die Kos­ten vor­her zu fi­xie­ren. Ich könn­te kaum in acht Ta­gen an­nä­hernd einen An­schlag ma­chen. Schen­ken Sie mir Ver­trau­en: Sie sol­len eine wun­der­hüb­sche Trep­pe mit Ober­licht be­kom­men, ein net­tes Ves­ti­bül nach der Stra­ße zu, und un­ter dem So­ckel …«

      »Im­mer die­ser So­ckel …«

      »Beun­ru­hi­gen Sie sich nicht, es wird sich ein Platz für die Por­tier­lo­ge fin­den. Die Her­rich­tung Ih­rer Wohn­räu­me wird mit lie­be­vol­ler Sorg­falt über­legt und aus­ge­führt wer­den. Ja, Herr Bi­rot­teau, mir geht es um die Kunst und nicht ums Geld! Ist es nicht am wich­tigs­ten für mich, daß man von mir re­det, wenn ich et­was er­rei­chen will? Und das bes­te Mit­tel dazu ist, daß man nicht mit den Lie­fe­ran­ten un­ter ei­ner De­cke steckt und mit we­nig Auf­wand Schö­nes er­zielt.«

      »Bei sol­chen Grund­sät­zen, jun­ger Mann,« sag­te Bi­rot­teau mit Pro­tek­tor­mie­ne, »wer­den Sie in die Höhe kom­men.«

      »Schlie­ßen Sie also«, fuhr Grin­dot fort, »mit den Mau­rern, Ma­lern, Zim­mer­leu­ten und Tisch­lern di­rekt ab. Ich über­neh­me es, ihre Rech­nun­gen zu prü­fen. Ge­wäh­ren Sie mir nur ein Ho­no­rar von zwei­tau­send Fran­ken, das wird wohl­an­ge­leg­tes Geld sein. Über­ge­ben Sie mir die Räu­me mor­gen mit­tag und be­zeich­nen Sie mir Ihre Ar­bei­ter.«

      »Und wie hoch kann die Aus­ga­be sich an­nä­hernd be­lau­fen?« sag­te Bi­rot­teau.

      »Auf zehn- bis zwölf­tau­send Fran­ken,« er­wi­der­te Grin­dot. »Nicht ge­rech­net das Mo­bi­li­ar, das Sie doch zwei­fel­los er­neu­ern wer­den. Ge­ben Sie mir die Adres­se Ihres Ta­pe­zie­rers, ich muß mich mit ihm we­gen der zu wäh­len­den Far­ben ver­stän­di­gen, da­mit das Gan­ze sich ein­heit­lich und ge­schmack­voll prä­sen­tiert.«

      »Herr Bra­schon, Rue Saint-An­to­i­ne, emp­fängt mei­ne Auf­trä­ge«, sag­te der Par­füm­händ­ler mit der Wür­de ei­nes Her­zogs.

      Der Archi­tekt schrieb sich die Adres­se in eins je­ner klei­nen No­tiz­bü­chel­chen, die im­mer das Ge­schenk ei­ner hüb­schen Frau sind.

      »Also ich ver­las­se mich auf Sie, Herr Grin­dot«, sag­te Bi­rot­teau. »War­ten Sie nur noch so lan­ge, bis ich die Miets­zes­si­on we­gen der bei­den Nach­bar­zim­mer er­le­digt und die Er­laub­nis zum Durch­bre­chen der Mau­er er­hal­ten habe.«

      »Schrei­ben Sie mir dar­über heu­te abend ein paar Zei­len«, sag­te der Archi­tekt. »Heu­te nacht wer­de ich die Plä­ne ent­wer­fen, wir ar­bei­ten doch noch lie­ber für die Bour­geois als pour le roi de Prus­se, das heißt für uns. Ich wer­de je­den­falls schon die Maße neh­men und die Höhe, die Di­men­sio­nen der Bil­der und die Ent­fer­nun­gen zwi­schen den Fens­tern fest­stel­len …«

      »Aber wir müs­sen