Patricia Vandenberg

Dr. Norden Bestseller Paket 4 – Arztroman


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Er ist eifersüchtig auf Tim. Dir kann ich es sagen. Aber was soll ich tun, Fee? Ich war so froh, daß Tim mich gleich akzeptiert hat. Ich wollte ihm doch eine gute Mutter sein.«

      »Du bist ihm die beste Mutter geworden, und daß er für dich schwärmt, kann ihm nur zugute kommen und ihn vor Abenteuern bewahren.«

      *

      Tim merkte gar nicht, wie die Zeit verging. Das Mädchen hatte ihm gesagt, daß zwei Bücher erst bestellt werden müßten.

      »Gut, dann bestellen Sie diese. Wann kann ich sie haben?«

      »Am Montag vielleicht«, erwiderte das Mädchen.

      »Fräulein Clement, würden Sie bitte mal kommen, es geht um eine Reklamation«, rief der Chef.

      »Würden Sie mich bitte entschuldigen?« sagte das Mädchen verwirrt zu Tim.

      »Ich warte«, sagte er.

      Es dauerte zehn Minuten, bis das Mädchen zurückkam. »Haben Sie Ärger bekommen?« fragte Tim, als er merkte, wie verwirrt sie war.

      »Nicht direkt. Manche Kunden sind ziemlich komisch. Sie kaufen ein Buch, lesen es und wollen es dann umtauschen. Aber mein Chef glaubt mir.«

      »Das wird sein Glück sein«, sagte Tim. »Mit mir bekommen Sie keinen Ärger. Aber ich möchte Sie wiedersehen.«

      Sie warf ihm einen scheuen Blick zu. »Ich soll die Bücher bestellen?« fragte sie.

      »Und immer wieder welche«, erwiderte Tim, »bis ich Sie mal zum Essen einladen darf.«

      Sie schüttelte den Kopf. »Das geht nicht. Ich bin den ganzen Tag im Geschäft, und zu Hause wartet meine kranke Mutter.«

      »Dann werde ich jeden Tag ins Geschäft kommen«, sagte Tim.

      Glühende Röte überflutete ihr Gesicht, als er seinen Namen nannte. »Sie heißen Clement, das habe ich schon gehört. Darf ich auch Ihren Vornamen wissen?«

      »Constance«, erwiderte sie scheu.

      »Ja, und dann möchte ich noch sechs andere Bücher«, sagte er laut und geistesgegenwärtig, als der Chef nahte. Und wieder vergingen zwanzig Minuten, bis er die herausgesucht hatte. Er zahlte über zweihundert Mark und nahm ein Riesenpaket mit. Und er sagte zu Constance Clement: »Ich danke für die liebenswürdigen Empfehlungen. Vergessen Sie nicht, die Bücher zu bestellen.«

      »Sie scheinen Ihre Sache wirklich gut zu machen, Constance«, bekam das Mädchen darauf von ihrem Chef zu hören. »Lieber ein Kunde, der fast zwei Stunden braucht und kauft, als zwanzig Kunden, die nur die Bücher ruinieren.«

      »Du hast aber lange gebraucht«, empfing Clarissa Tim mit einem erleichterten Lächeln, ihn unbeschadet vor sich zu sehen.

      »Eine gute Buchhandlung. Ich habe auch gleich ein paar Bücher für mich gekauft. Von deinen müssen erst zwei noch bestellt werden. Die schicke ich dir dann nach, Mummy«, sagte er.

      Doch von dem Mädchen sagte er nichts. Da war etwas in seinen Gedanken, das ihn hinderte, einfach munter drauflos zu erzählen. Es war nicht einfach so eine Begegnung. Er mochte Clarissa auch nicht sagen, daß er ein Mädchen kennengelernt hätte, das ihr ähnlich war.

      Er sah sie forschend an. Worin beruhte diese Ähnlichkeit eigentlich? Ganz war er sich darüber nicht klar. Ja, die Augen, die Nase, irgendeine Besonderheit im Ausdruck, die man nicht erklären konnte, die ihn einfach fasziniert hatte.

      Aber da war auch etwas, das er für sich behalten wollte, das ihn so beschäftigte, daß er nicht mal mit Clarissa darüber reden mochte.

      Er war still an diesem Abend, wie Fee und Daniel ihn gar nicht kannten. Ist er doch mißtrauisch geworden, fragte sich Clarissa. Und auf der Heimfahrt sagte sie zu ihm: »Ich habe dich beschwindelt, Tim. Jetzt kannst du es wissen. Ich war bei Daniel, um ihn wegen eines Muttermals zu fragen, das ich an der Schulter habe.«

      Er warf ihr einen Seitenblick zu. »Weswegen Dad dich manchmal Pointdot nennt, wenn wir am Meer sind? Er liebt es doch, Mummy.«

      »Aber ich machte mir Sorgen, daß es schlimm werden könnte. Man liest und hört so viel, Timmy. Doch es ist eben nur ein dunkler Punkt.«

      Er lachte leise auf. »Der einzige dunkle Punkt in deinem Leben, liebste Mummy.«

      Aber da versank Clarissa in ein tiefes Schweigen und fand erst wieder zu einem Lächeln zurück, als er die Bücher auspackte.

      »Du hast ja einen Großeinkauf getätigt«, sagte sie. »Aber Bücher kann man nie genug haben.«

      »Du sagst es, Mummy, und dort kann man sich ungestört umschauen.«

      *

      Constance Clement eilte nach Hause, als der Laden geschlossen hatte. Natürlich waren wieder mal die Kunden geströmt, als es schon sechs Uhr wurde. Sie hatte keine Zeit gehabt, über den netten jungen Engländer nachzudenken, und als sie nach Hause rannte, konnte sie überhaupt nichts denken.

      Eine leise, klagende Stimme sagte, als sie die Tür aufschloß: »Du kommst spät, Conny.«

      »Ich kann nichts dafür, Mama, es tut mir leid, aber es waren noch viele Kunden da.«

      »Ich mache dir doch keinen Vorwurf, Kind. Es ist nur scheußlich, so allein zu sein, wenn es dunkel wird.«

      »Jetzt bin ich da, Mama. Ich mache gleich das Essen.« Sie streichelte das ergraute Haar der zarten Frau, die in einem Lehnstuhl saß. »Hast du große Schmerzen, Mama?« fragte sie.

      »Es wird einfach nicht besser, Conny«, kam die müde Antwort.

      »Wir sollten einen anderen Arzt suchen. Dr. Brückner ist einfach schon zu alt«, sagte Constance.

      »Aber er kennt mich. Ein neuer Arzt experimentiert nur. Ich muß mich damit abfinden, daß es nicht besser wird.«

      »Du müßtest eine richtige Kur machen, Mama.«

      »Und dich allein lassen? Nein, das kann ich nicht, Conny. Ich hätte keine Ruhe. Freilich wäre es mir lieber, wenn du nicht arbeiten müßtest. Das Leben hat sich so verteuert.«

      »Ich arbeite gern, Mama.«

      »Aber du hättest studieren können, wenn dein Vater nicht so früh gestorben wäre und ich nicht so hilflos wäre«, sagte Anita Clement leise. »Ich konnte doch nicht wissen, daß alles einmal so kommen würde.«

      »Wir haben eine schöne Wohnung, Mama, wir haben unser Auskommen, und nächstes Jahr werde ich viel mehr verdienen. Nicht verzagen.«

      »Du hast gar nichts von deiner Jugend. Immer nur lernen und jetzt schon den ganzen Tag auf den Beinen.«

      Es war jeden Abend das gleiche, aber Constance hatte dafür Verständnis. Wenn ein Mensch so viel allein war und sich nur noch mühsam fortbewegen konnte, kamen die Depressionen von selbst. Anita Clement litt unter den Folgen einer Wirbelverletzung, die sie sich zugezogen hatte, als Constance noch ein kleines Kind gewesen war. Sie sprach nicht gern darüber. Conny wußte nur, daß bei diesem Unfall ihr Vater ums Leben gekommen war. Mit rührender Liebe hatte Anita das Kind umgeben und alles getan, um Conny eine gute Ausbildung zuteil werden zu lassen. Sie war nicht unvermögend zurückgeblieben. Ihr Mann war Abteilungsleiter in einer großen Firma gewesen, und sie bekam auch eine Rente.

      Während der letzten drei Jahre hatte sich Anita Clements Zustand mehr und mehr verschlechtert. Sie ertrug ihr Leiden tapfer, aber auch resignierend.

      Conny sorgte rührend für ihre Mutter, soweit es ihr möglich war. Sie ging nie aus und verbrauchte nur das Notwendigste von ihrem Gehalt für sich. Sie war glücklich, die Stellung in der Buchhandlung bekommen zu haben, denn nun konnte sie lesen und immer mehr lesen, in Büchern, die für sie unerschwinglich gewesen wären. Aber sie wollte nicht nur lesen, sie wollte auch schreiben, all die klugen Gedanken zu Papier bringen, die sich in ihrem so hübschen Kopf sammelten.

      Manchmal saß sie dann noch lange an ihrem Schreibtisch, wenn ihre Mutter schlief, doch noch nie hatte