informiert.« Constance schlug die Augen nieder. Aber dann ging sie schnell zu ihrer Mutter.
»Es wird alles gut, Mama«, flüsterte sie. »Jetzt bist du in sehr guten Händen.«
Nichts wird gut, dachte Dr. Norden. Jedenfalls nicht für die Kranke.
Der Krankenwagen kam. Anita Clement spürte nicht mehr, wie sie auf die Trage gehoben wurde. Die Spritze tat ihre Wirkung. »Behnisch-Klinik«, sagte Dr. Norden zu den Sanitätern. Und zu Constance sagte er: »Ich komme gleich nach.«
Er war dann allerdings früher dort, denn er kannte die Schleichwege, die nicht so stark vom Verkehr frequentiert waren.
»Na, was ist es denn diesmal?« fragte Dr. Dieter Behnisch seinen Freund. »Kannst du wieder mal nicht erwarten, mich ums Abendessen zu bringen, alter Freund?«
»Tut mir leid, Dieter. Nervenfieber, aber es steckt noch was dahinter, und das Herz ist in desolatem Zustand. Aber das alles nur um den Daumen gepeilt.«
»Deine Peilungen kenne ich. Gründlichste Untersuchung wird die Diagnose nicht widerlegen.«
»Aber ihr werdet herausfinden, was dahintersteckt«, sagte Daniel. »Ich werde jetzt mit der Tochter sprechen.«
Anita Clement wurde in den Untersuchungsraum getragen. Dr. Norden hielt Constance zurück.
»Sie müssen mir noch einige Fragen beantworten«, bat er.
Sie zuckte zusammen. »Mr. Thornhill hat gesagt, daß er mit Ihnen befreundet ist«, erwiderte sie scheu.
»Ist er, aber es geht jetzt um Ihre Mutter. Wie lange ist sie schon krank? Wer hat sie behandelt? Es hilft uns, viel Zeit zu sparen, wenn wir nicht alles selbst herausfinden müssen.«
»Dr. Brückner ist der Hausarzt«, erwiderte Constance. »Meine Mutter ist schon lange krank, aber so schlimm ist es erst seit einem Jahr. Muskelrheuma ist es wohl. Sie hatte auch mal eine Wirbelverletzung. Dr. Brückner sagte immer, daß man da nicht viel machen kann. Sie war immer sehr tapfer, aber die Schmerzen müssen schlimm sein.«
»Ich begreife nicht, daß sie nicht in klinischer Behandlung ist, oder war sie es schon?«
»Ja, einmal, aber wegen etwas anderem. Sie hat nie darüber gesprochen. Sie hatte oft entsetzliche Schmerzen. Ich hätte es gern gesehen, wenn sie eine Kur gemacht hätte, aber sie wollte mich nicht ganz allein lassen. Manchmal kam es mir so vor, als wäre ich in ihren Augen nie erwachsen geworden.«
»Dabei sind Sie das«, sagte Dr. Norden. »Sie können hier jetzt nichts tun, Fräulein Clement. Ihre Mutter wird bestens versorgt, das verspreche ich Ihnen. Sie sind berufstätig?«
»Ja, in einer Buchhandlung. Da habe ich Mr. Thornhill auch kennengelernt.«
»Dann wäre es wohl besser, wenn Sie heimfahren und sich ausschlafen. Ich kann Sie auch heimbringen.«
»Nein, ich möchte noch hierbleiben. Vielleicht will Mama mich sprechen.«
»Wie Sie wollen«, erwiderte er, denn so viel Menschenkenntnis besaß er längst, daß man, Constance nichts ausreden konnte, worauf sie beharrte.
Er traf Jenny, die von Dieter herbeigerufen worden war. »Ein schwerer Fall«, sagte sie leise.
»Haltet mich auf dem laufenden«, bat Dr. Norden. »Ich muß noch ein paar Besuche machen. Und seid nett zu der Tochter.«
Er ging zum Telefon, während Jenny den Untersuchungsraum betrat.
Als er Tims Nummer wählte, dachte er nach. Die Bekanntschaft konnte erst kurz sein, denn er wußte ja, daß Tim am Freitag die Bücher besorgt hatte. Und gleich ein solches Engagement?
Da mußte der Blitz eingeschlagen haben.
»Hallo, Tim«, sagte er, als der sich meldete.
»Verlang keine lange Erklärung von mir, Daniel, Später mal. Ich versuche Constance zu erreichen. Sie meldet sich nicht.«
»Sie ist in der Behnisch-Klinik. Notfall. Wir mußten ihre Mutter dorthin bringen.«
»Was ist los?«
»Kann ich noch nicht sagen, aber sie muß in der Klinik bleiben. Ich wollte es dir mitteilen.«
»Danke, Daniel. Ich bin dir sehr dankbar.«
»Es ist ein sehr nettes Mädchen, Tim.«
»Das weiß ich. Ich komme.«
Daniel konnte nichts mehr sagen. Tim hatte schon aufgelegt. Kein Feuer, keine Kohle kann brennen so heiß, als heimliche Liebe, von der niemand was weiß, ging es ihm durch den Sinn, aber nach Spott war ihm nicht zumute, denn er wußte, daß Anita Clement keine lange Lebenserwartung haben würde.
*
Die zwei Krankenbesuche brachte Dr. Norden schnell hinter sich. Die Patienten befanden sich auf dem Wege der Besserung. Von Fee wurde er bereits ungeduldig erwartet.
»Was ist gewesen?« fragte sie bestürzt.
»Das Mädchen ist reizend, das ist die angenehme Seite, aber die Mutter…«
»Schlimm?« fragte Fee.
»Todkrank, Fee. Ich hoffe, daß ich mich täusche.«
»Sprich dich aus, Daniel«, bat Fee drängend.
»Paralysis agitans«, sagte er heiser.
»Mein Gott, das wäre erblich«, stieß Fee entsetzt hervor.
»Nicht gleich in Panik geraten. Ich kann mich auch täuschen, und man muß das Mädchen auch erst mal gründlichst untersuchen. Ich verstehe nur nicht, wie ein erfahrener Arzt da auf Muskelrheuma kommt.«
»Weil man sich keine Zeit nimmt, oder weil man den Patienten etwas vorlügt«, sagte Fee. »Aber für Tim wäre es wohl besser, wenn er sich in ein anderes Mädchen verliebt hätte.«
»Ich verstehe, daß er sich in sie verliebt hat. Sie hat Clarissas violette Augen und sie ist auch von ihrem Typ.«
»Was nützt das, wenn sie möglicherweise eine Erbkrankheit in sich trägt.«
»Die bei ihr nicht akut werden brauchte«, sagte Daniel.
»Aber in der nächsten Generation. Wir wollen uns da doch nichts vormachen, Daniel. Wir wissen doch darum.«
»Auf keinen Fall darf er es jetzt erfahren. Ich werde es schon irgendwie fertigbringen, daß sich dieses Mädchen gründlich untersuchen läßt. Die Mutter hat höchstens noch ein paar Monate zu leben. Eine Warnung würde Tim mißverstehen, davon bin ich überzeugt. Wir dürfen ihn nicht vor den Kopf stoßen. Wir müssen erst mal erforschen, wie tief das sitzt, auch bei ihr. Und es bleibt auch noch die Hoffnung, daß ich mich täusche.«
Die blieb nicht, obgleich Dr. Behnisch nach einer Stunde anrief und Daniel sagte, daß er seine Diagnose wohl wissentlich abgeschwächt hätte. Seine laute jedenfalls »paralysis agitans«.
»Dann sind wir ja einer Meinung, aber was ist mit dem Mädchen?« fragte Daniel.
»Ich habe ihr Blut abgenommen«, erwiderte Dieter.
»Mit welcher Begründung?«
»Ob sie möglicherweise für ihre Mutter als Blutspenderin in Frage kommen würde. Sie hat sofort eingewilligt. Ich wollte vorerst nur die Blutgruppe feststellen.«
»Und das Ergebnis?«
»Steht noch aus. Wir sprechen morgen darüber. Eben ist Tim Thornhill gekommen. Du hättest mir ruhig sagen können, daß er und Constance Clement befreundet sind.«
»Ich bin selbst davon überrascht worden, Dieter.«
»Na, dann reden wir morgen. Ich habe zu tun. Gute Nacht allerseits.«
*
Tim lief auf Constance zu, nahm sie in die Arme und drückte sie an sich.
»Daß es so schlimm ist, konnte ich